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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Reinhold Rosers "Friedrich der Große"

Gegenwart zeigen in ihrer Ruhelosigkeit, daß dieses Sehnen noch ungestillt ist.
Die Religionsgeschichte erzählt von ihm. Die Religionsphilosophie sucht
Antwort und Befriedigung zu geben. Alle Erlösungsreligionen beschäftigen
sich mit demselben Thema. Der Buddhismus verheißt die Befreiung aus
dem endlosen Leid. Die Mystik sucht ihre Befriedigung in dem Unendlichen.
Nur das Christentum erfüllt, was es verspricht: die Erhebung aus Sünde
und Welt durch Christum zu einem ewigen persönlichen Leben in Gott. Die
christliche Religion ist nicht ein einzelnes Glied in einer langen Kette. Mit
ihr ist der Traum verflogen und das Leben erwacht. In ihr allein ist Gott
offenbar geworden. Das Christentum ist die absolute Religion. Seine Auf¬
gabe liegt darin, alle Gegensätze zu überwinden. In einem entscheidungsreicher
Kampfe stehn auch wir, die Söhne einer bewegten, großen Zeit. Es ist der
alte Kampf des Lichts mit der Finsternis. Verstehn wir unsre Aufgabe recht,
lassen wir es an der Treue nicht fehlen, dann mag viel Widriges unsre
Wege durchkreuzen, was tuts? Die Zukunft ist doch unser, das Reich muß
uns doch bleiben!




Reinhold Kosers "Friedrich der Große
Hermann Me^er von
1

RLWMT^Agine alte Ehrenschuld deutscher Geschichtschreibung ist in den: letzten
Jahre nun bis zu Ende eingelöst. "Von dein größten deutschen
wie Schiller Friedrich den Großen in seinem Gedicht
deutsche Muse" nennt, lag bisher keine Darstellung vor,
ein lebenswahres lind würdiges Bild seiner Persönlichkeit und
seiner Taten gegeben Hütte.

Wie weit darin die deutsche Kunst der Wissenschaft vorangeeilt war, zeigt
handgreiflich deutlich die "Geschichte Friedrichs des Großen" von Franz Kugler
(1839 bis 1842). Dieses Buch, als geschichtliches Werk nur recht bescheidnen
Ansprüchen genügend, hat unsterblichen Ruhm erlangt durch die Illustrationen
eines Künstlers von Gottes Gnaden, des damals erst vierundzwanzigjährigen
Adolf Wenzel. Dieser hatte sich mit der größten Gewissenhaftigkeit durch das
Studium nicht nur aller Bildnisse Friedrichs und seiner Freunde, sondern anch
der Uniformen der alten preußischen Regimenter und der Örtlichkeiten, wo der
große Preußenkönig verweilt hat (Sanssouci usw.), eine gründliche Kenntnis
des ganzen Gepräges dieser Zeit erworben, und er verstand sie mit seinem Zeichen¬
stift dem Beschauer lebensvoll vors Auge zu zaubern. Und zu derselben Zeit
ging ein deutscher Bildhauer, Christian Rauch, daran, das großartige Denkmal
des Alten Fritz für die Berliner Linden zu schaffen, das sein populärstes Werk
geworden ist.

Bei solchen Leistungen der Kunst mochte -- wie Heinrich von Treitschke
sagt -- die deutsche Wissenschaft wohl beschämt die Augen niederschlagen.


Reinhold Rosers „Friedrich der Große"

Gegenwart zeigen in ihrer Ruhelosigkeit, daß dieses Sehnen noch ungestillt ist.
Die Religionsgeschichte erzählt von ihm. Die Religionsphilosophie sucht
Antwort und Befriedigung zu geben. Alle Erlösungsreligionen beschäftigen
sich mit demselben Thema. Der Buddhismus verheißt die Befreiung aus
dem endlosen Leid. Die Mystik sucht ihre Befriedigung in dem Unendlichen.
Nur das Christentum erfüllt, was es verspricht: die Erhebung aus Sünde
und Welt durch Christum zu einem ewigen persönlichen Leben in Gott. Die
christliche Religion ist nicht ein einzelnes Glied in einer langen Kette. Mit
ihr ist der Traum verflogen und das Leben erwacht. In ihr allein ist Gott
offenbar geworden. Das Christentum ist die absolute Religion. Seine Auf¬
gabe liegt darin, alle Gegensätze zu überwinden. In einem entscheidungsreicher
Kampfe stehn auch wir, die Söhne einer bewegten, großen Zeit. Es ist der
alte Kampf des Lichts mit der Finsternis. Verstehn wir unsre Aufgabe recht,
lassen wir es an der Treue nicht fehlen, dann mag viel Widriges unsre
Wege durchkreuzen, was tuts? Die Zukunft ist doch unser, das Reich muß
uns doch bleiben!




Reinhold Kosers „Friedrich der Große
Hermann Me^er von
1

RLWMT^Agine alte Ehrenschuld deutscher Geschichtschreibung ist in den: letzten
Jahre nun bis zu Ende eingelöst. „Von dein größten deutschen
wie Schiller Friedrich den Großen in seinem Gedicht
deutsche Muse" nennt, lag bisher keine Darstellung vor,
ein lebenswahres lind würdiges Bild seiner Persönlichkeit und
seiner Taten gegeben Hütte.

Wie weit darin die deutsche Kunst der Wissenschaft vorangeeilt war, zeigt
handgreiflich deutlich die „Geschichte Friedrichs des Großen" von Franz Kugler
(1839 bis 1842). Dieses Buch, als geschichtliches Werk nur recht bescheidnen
Ansprüchen genügend, hat unsterblichen Ruhm erlangt durch die Illustrationen
eines Künstlers von Gottes Gnaden, des damals erst vierundzwanzigjährigen
Adolf Wenzel. Dieser hatte sich mit der größten Gewissenhaftigkeit durch das
Studium nicht nur aller Bildnisse Friedrichs und seiner Freunde, sondern anch
der Uniformen der alten preußischen Regimenter und der Örtlichkeiten, wo der
große Preußenkönig verweilt hat (Sanssouci usw.), eine gründliche Kenntnis
des ganzen Gepräges dieser Zeit erworben, und er verstand sie mit seinem Zeichen¬
stift dem Beschauer lebensvoll vors Auge zu zaubern. Und zu derselben Zeit
ging ein deutscher Bildhauer, Christian Rauch, daran, das großartige Denkmal
des Alten Fritz für die Berliner Linden zu schaffen, das sein populärstes Werk
geworden ist.

Bei solchen Leistungen der Kunst mochte — wie Heinrich von Treitschke
sagt — die deutsche Wissenschaft wohl beschämt die Augen niederschlagen.


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[0335] Reinhold Rosers „Friedrich der Große" Gegenwart zeigen in ihrer Ruhelosigkeit, daß dieses Sehnen noch ungestillt ist. Die Religionsgeschichte erzählt von ihm. Die Religionsphilosophie sucht Antwort und Befriedigung zu geben. Alle Erlösungsreligionen beschäftigen sich mit demselben Thema. Der Buddhismus verheißt die Befreiung aus dem endlosen Leid. Die Mystik sucht ihre Befriedigung in dem Unendlichen. Nur das Christentum erfüllt, was es verspricht: die Erhebung aus Sünde und Welt durch Christum zu einem ewigen persönlichen Leben in Gott. Die christliche Religion ist nicht ein einzelnes Glied in einer langen Kette. Mit ihr ist der Traum verflogen und das Leben erwacht. In ihr allein ist Gott offenbar geworden. Das Christentum ist die absolute Religion. Seine Auf¬ gabe liegt darin, alle Gegensätze zu überwinden. In einem entscheidungsreicher Kampfe stehn auch wir, die Söhne einer bewegten, großen Zeit. Es ist der alte Kampf des Lichts mit der Finsternis. Verstehn wir unsre Aufgabe recht, lassen wir es an der Treue nicht fehlen, dann mag viel Widriges unsre Wege durchkreuzen, was tuts? Die Zukunft ist doch unser, das Reich muß uns doch bleiben! Reinhold Kosers „Friedrich der Große Hermann Me^er von 1 RLWMT^Agine alte Ehrenschuld deutscher Geschichtschreibung ist in den: letzten Jahre nun bis zu Ende eingelöst. „Von dein größten deutschen wie Schiller Friedrich den Großen in seinem Gedicht deutsche Muse" nennt, lag bisher keine Darstellung vor, ein lebenswahres lind würdiges Bild seiner Persönlichkeit und seiner Taten gegeben Hütte. Wie weit darin die deutsche Kunst der Wissenschaft vorangeeilt war, zeigt handgreiflich deutlich die „Geschichte Friedrichs des Großen" von Franz Kugler (1839 bis 1842). Dieses Buch, als geschichtliches Werk nur recht bescheidnen Ansprüchen genügend, hat unsterblichen Ruhm erlangt durch die Illustrationen eines Künstlers von Gottes Gnaden, des damals erst vierundzwanzigjährigen Adolf Wenzel. Dieser hatte sich mit der größten Gewissenhaftigkeit durch das Studium nicht nur aller Bildnisse Friedrichs und seiner Freunde, sondern anch der Uniformen der alten preußischen Regimenter und der Örtlichkeiten, wo der große Preußenkönig verweilt hat (Sanssouci usw.), eine gründliche Kenntnis des ganzen Gepräges dieser Zeit erworben, und er verstand sie mit seinem Zeichen¬ stift dem Beschauer lebensvoll vors Auge zu zaubern. Und zu derselben Zeit ging ein deutscher Bildhauer, Christian Rauch, daran, das großartige Denkmal des Alten Fritz für die Berliner Linden zu schaffen, das sein populärstes Werk geworden ist. Bei solchen Leistungen der Kunst mochte — wie Heinrich von Treitschke sagt — die deutsche Wissenschaft wohl beschämt die Augen niederschlagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/335>, abgerufen am 28.06.2024.