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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Einheit im deutschen Ruderbefehl

gegenüber dem Rachedurst Frankreichs soviel auf die Vergrößerung unsers
Landheeres haben verwenden müssen, nun um uns gegen die möglichen Folgen
der Mißgunst Englands zu sichern, auch noch eine starke Flotte schaffen müssen.

Sobald wir über die zu einem energischen Auftreten gegen England nötige
Seemacht verfügen, wird England sich nicht mehr einem anscheinend billigen
Deutschenhaß hingeben und mit dem Gedanken an einen Krieg mit Deutschland
kokettieren, sondern es wird mit uns als einer ebenbürtigen Macht rechnen,
und da es ein guter Rechner ist, werden wir recht gut mit ihm auskommen.
Kommen wir jedoch zu spät mit der Schaffung einer solchen achtunggebietenden
Seemacht, so riskieren wir einen englischen Überfall g, 1a. Kopenhagen, der bei
der gegenwärtigen unzureichenden Stärke unsrer Flotte und bei der großen
Nerwundbarkeit unsers Handels eine schwere, vielleicht dauernde Schädigung
unsers Wohlstandes herbeiführen könnte.




Einheit im deutschen Ruderbefehl
Georg Wislicenus von

> Mich ist einer der zopfigsten Schildbürgereien im deutschen See¬
fahrtsbetriebe der Garaus gemacht. Mit kühnem, kräftigem
Schnitt ist der gordische Knoten gelöst worden, der seit nunmehr
achtundzwanzig Jahren durch vieles Hin- und Herzerren immer
! unentwirrbarer verschnürt worden war. Eine Kaiserliche Ver¬
ordnung vom 18. Oktober 1903 verfügt auf Grund des Paragraphen 145
des Strafgesetzbuches:

Im Geltungsbereiche der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammen¬
stoßens der Schiffe auf See vom 9. Mai 1897 (Neichsgesetzblatt S. 203) dürfen
auf deutschen Fahrzeugen vom 1. April 1904 ab nur solche Ruderkommcmdos ge¬
braucht werden, die die Lage des Ruderblatts, nicht die der Pinne bezeichnen.

Vom 1. April 1905 ab sind ausschließlich die Kommandoworte "Steuer¬
bord" und "Backbord," soweit erforderlich mit den das Maß des Ruderlegens
angehenden Zusätzen anzuwenden; bis zu jenem Zeitpunkte sind auch die Kommando¬
worte "Rechts" und "Links" zugelassen.

Der Gebrauch der für Fahrzeuge unter Segel üblichen Kommaudoworte, wie
"Luv," "Halt ab" und andre, bleibt durch diese Vorschrift unberührt, jedoch sind
die Kommandoworte "Ruder in Lee" und "Auf das Ruder" vom 1. April 1904
ab nicht mehr zulässig.

Ans Fahrzeugen, die ständig in ostasiatischen Küsten- oder Binnengewässern
verkehren und mit vorwiegend eingeborner Mannschaft bemannt sind, ist die An¬
wendung der dort üblichen fremdländischen Kommandoworte zugelassen.

Artikel 30 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens
der Schiffe auf See findet gegenüber den vorstehenden Vorschriften keine An¬
wendung.

Die Verordnung kann man nicht mißversteh": wir bekommen endlich vom
1. April 1905 ab ein einheitliches deutsches Ruderkommando statt der bis


Einheit im deutschen Ruderbefehl

gegenüber dem Rachedurst Frankreichs soviel auf die Vergrößerung unsers
Landheeres haben verwenden müssen, nun um uns gegen die möglichen Folgen
der Mißgunst Englands zu sichern, auch noch eine starke Flotte schaffen müssen.

Sobald wir über die zu einem energischen Auftreten gegen England nötige
Seemacht verfügen, wird England sich nicht mehr einem anscheinend billigen
Deutschenhaß hingeben und mit dem Gedanken an einen Krieg mit Deutschland
kokettieren, sondern es wird mit uns als einer ebenbürtigen Macht rechnen,
und da es ein guter Rechner ist, werden wir recht gut mit ihm auskommen.
Kommen wir jedoch zu spät mit der Schaffung einer solchen achtunggebietenden
Seemacht, so riskieren wir einen englischen Überfall g, 1a. Kopenhagen, der bei
der gegenwärtigen unzureichenden Stärke unsrer Flotte und bei der großen
Nerwundbarkeit unsers Handels eine schwere, vielleicht dauernde Schädigung
unsers Wohlstandes herbeiführen könnte.




Einheit im deutschen Ruderbefehl
Georg Wislicenus von

> Mich ist einer der zopfigsten Schildbürgereien im deutschen See¬
fahrtsbetriebe der Garaus gemacht. Mit kühnem, kräftigem
Schnitt ist der gordische Knoten gelöst worden, der seit nunmehr
achtundzwanzig Jahren durch vieles Hin- und Herzerren immer
! unentwirrbarer verschnürt worden war. Eine Kaiserliche Ver¬
ordnung vom 18. Oktober 1903 verfügt auf Grund des Paragraphen 145
des Strafgesetzbuches:

Im Geltungsbereiche der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammen¬
stoßens der Schiffe auf See vom 9. Mai 1897 (Neichsgesetzblatt S. 203) dürfen
auf deutschen Fahrzeugen vom 1. April 1904 ab nur solche Ruderkommcmdos ge¬
braucht werden, die die Lage des Ruderblatts, nicht die der Pinne bezeichnen.

Vom 1. April 1905 ab sind ausschließlich die Kommandoworte „Steuer¬
bord" und „Backbord," soweit erforderlich mit den das Maß des Ruderlegens
angehenden Zusätzen anzuwenden; bis zu jenem Zeitpunkte sind auch die Kommando¬
worte „Rechts" und „Links" zugelassen.

Der Gebrauch der für Fahrzeuge unter Segel üblichen Kommaudoworte, wie
„Luv," „Halt ab" und andre, bleibt durch diese Vorschrift unberührt, jedoch sind
die Kommandoworte „Ruder in Lee" und „Auf das Ruder" vom 1. April 1904
ab nicht mehr zulässig.

Ans Fahrzeugen, die ständig in ostasiatischen Küsten- oder Binnengewässern
verkehren und mit vorwiegend eingeborner Mannschaft bemannt sind, ist die An¬
wendung der dort üblichen fremdländischen Kommandoworte zugelassen.

Artikel 30 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens
der Schiffe auf See findet gegenüber den vorstehenden Vorschriften keine An¬
wendung.

Die Verordnung kann man nicht mißversteh«: wir bekommen endlich vom
1. April 1905 ab ein einheitliches deutsches Ruderkommando statt der bis


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[0139] Einheit im deutschen Ruderbefehl gegenüber dem Rachedurst Frankreichs soviel auf die Vergrößerung unsers Landheeres haben verwenden müssen, nun um uns gegen die möglichen Folgen der Mißgunst Englands zu sichern, auch noch eine starke Flotte schaffen müssen. Sobald wir über die zu einem energischen Auftreten gegen England nötige Seemacht verfügen, wird England sich nicht mehr einem anscheinend billigen Deutschenhaß hingeben und mit dem Gedanken an einen Krieg mit Deutschland kokettieren, sondern es wird mit uns als einer ebenbürtigen Macht rechnen, und da es ein guter Rechner ist, werden wir recht gut mit ihm auskommen. Kommen wir jedoch zu spät mit der Schaffung einer solchen achtunggebietenden Seemacht, so riskieren wir einen englischen Überfall g, 1a. Kopenhagen, der bei der gegenwärtigen unzureichenden Stärke unsrer Flotte und bei der großen Nerwundbarkeit unsers Handels eine schwere, vielleicht dauernde Schädigung unsers Wohlstandes herbeiführen könnte. Einheit im deutschen Ruderbefehl Georg Wislicenus von > Mich ist einer der zopfigsten Schildbürgereien im deutschen See¬ fahrtsbetriebe der Garaus gemacht. Mit kühnem, kräftigem Schnitt ist der gordische Knoten gelöst worden, der seit nunmehr achtundzwanzig Jahren durch vieles Hin- und Herzerren immer ! unentwirrbarer verschnürt worden war. Eine Kaiserliche Ver¬ ordnung vom 18. Oktober 1903 verfügt auf Grund des Paragraphen 145 des Strafgesetzbuches: Im Geltungsbereiche der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammen¬ stoßens der Schiffe auf See vom 9. Mai 1897 (Neichsgesetzblatt S. 203) dürfen auf deutschen Fahrzeugen vom 1. April 1904 ab nur solche Ruderkommcmdos ge¬ braucht werden, die die Lage des Ruderblatts, nicht die der Pinne bezeichnen. Vom 1. April 1905 ab sind ausschließlich die Kommandoworte „Steuer¬ bord" und „Backbord," soweit erforderlich mit den das Maß des Ruderlegens angehenden Zusätzen anzuwenden; bis zu jenem Zeitpunkte sind auch die Kommando¬ worte „Rechts" und „Links" zugelassen. Der Gebrauch der für Fahrzeuge unter Segel üblichen Kommaudoworte, wie „Luv," „Halt ab" und andre, bleibt durch diese Vorschrift unberührt, jedoch sind die Kommandoworte „Ruder in Lee" und „Auf das Ruder" vom 1. April 1904 ab nicht mehr zulässig. Ans Fahrzeugen, die ständig in ostasiatischen Küsten- oder Binnengewässern verkehren und mit vorwiegend eingeborner Mannschaft bemannt sind, ist die An¬ wendung der dort üblichen fremdländischen Kommandoworte zugelassen. Artikel 30 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See findet gegenüber den vorstehenden Vorschriften keine An¬ wendung. Die Verordnung kann man nicht mißversteh«: wir bekommen endlich vom 1. April 1905 ab ein einheitliches deutsches Ruderkommando statt der bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/139>, abgerufen am 13.11.2024.