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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Der Hamburger Handel

der Verlust der Weltstellung, da das konfessionell gespaltne Reich in die
damaligen Religionskriege als Ganzes nicht eingreifen konnte, und des Anteils
am Welthandel, da hinter den Hansastädten keine Reichsgewalt stand, die Ver¬
kümmerung eines ehemals weltbeherrschenden Volkes zu Kleinstaatlern und
Kleinstädtern, endlich der Dreißigjährige Krieg und mit ihm die Fremdherrschaft
in allen Grenzländern und die Verwüstung der gesamten nationalen Kultur.
Jahrhunderte hat es gedauert, bis diese Folgen überwunden waren, und der
Vorsprung, den damals fremde Volker bei der Verteilung der Erde gewonnen
haben, kann überhaupt niemals ausgeglichen werden. Aber wir sind doch jetzt
eine Nation geworden, was wir damals nicht waren, wir haben jetzt die Macht
und die Organisation, uns einen "Platz an der Sonne" zu sichern, wenn lar
nur ernstlich wollen, und diese gemeinsame nationale Aufgabe, die mit Parteien
und Konfessionen nichts zu tun hat. muß uns dazu helfen, über innere
Zwistigkeiten hinwegzukommen, deren Gegenstand in gar keinem Verhältnis
steht zu der Aufregung, die sie in weiten Kreisen hervorrufen. Eine solche
Politik zu vertreten, in ihr die Rcichsregierung nach Kräften zu unterstützen.
für sie das Verständnis in möglichst weiten Kreisen, auch in der Jugend, zu
verbreiten, das wäre die wichtigste und würdigste Aufgabe für einen wahrhaft
nationalen Liberalismus, der mächtig war, solange er große Ideale hatte, und
ohnmächtig geworden ist, seitdem diese verwirklicht sind, und er zu einer Inter¬
essenvertretung geworden ist, die sich mit alten zerschlissenen Parteiprogrammen
d rapiert.




Der Hamburger Handel
v Paul Büchner on

er Ex- und Jmporthcmdel erscheinen dem Laien und dem binnen-
lündischen Kaufmann oft als ein einfaches Handelsgeschäft, das
keiner Entwicklung fähig sei. Man begnügt sich mit den Begriffen
Exporteur und Importeur, ohne zu wissen, daß die kaufmännische
Arbeit, die die Warenausfuhr und -Einfuhr vermittelt, weit viel¬
gestaltiger ist als die binnenländische Produktion und Handelstätigkeit. Die
Arbeit des Fabrikanten, des Groß- und des Kleinhändlers liegt zum größten
Teil an der Oberfläche; die Wege aber, auf denen die einheimischen Jndustrie-
erzeugnisse ihren ausländischen Abnehmern und die überseeischen Produkte und
Rohstoffe den inländischen Fabrikanten und Händlern zugeführt werden, sind
gewöhnlich nur dem im Export- und Importgeschäfte Tätigen bekannt.

Unter den Bezeichnungen "Export" und "Import" verbergen sich die ver¬
schiedensten Entwicklungsstufen des Handels. Auf der niedrigsten Stufe findet
sich Ein- und Ausfuhr aller Waren vereinigt: der Ex- und Importeur*) führt



") "Ex- und Importeur" ist ein im Hamburger Handelsverkehr üblicher Fachausdruck
für den Kaufmann, der Waren sowohl einführt wie auch ausführt ("Ex- und Importgeschäft"),
während man unter Exporteur und Importeur zwei Kaufleute versteht, von denen sich der eine
nur mit Aussuhrgeschäften, der andre nur init Einfuhrhandel abgibt.
Der Hamburger Handel

der Verlust der Weltstellung, da das konfessionell gespaltne Reich in die
damaligen Religionskriege als Ganzes nicht eingreifen konnte, und des Anteils
am Welthandel, da hinter den Hansastädten keine Reichsgewalt stand, die Ver¬
kümmerung eines ehemals weltbeherrschenden Volkes zu Kleinstaatlern und
Kleinstädtern, endlich der Dreißigjährige Krieg und mit ihm die Fremdherrschaft
in allen Grenzländern und die Verwüstung der gesamten nationalen Kultur.
Jahrhunderte hat es gedauert, bis diese Folgen überwunden waren, und der
Vorsprung, den damals fremde Volker bei der Verteilung der Erde gewonnen
haben, kann überhaupt niemals ausgeglichen werden. Aber wir sind doch jetzt
eine Nation geworden, was wir damals nicht waren, wir haben jetzt die Macht
und die Organisation, uns einen „Platz an der Sonne" zu sichern, wenn lar
nur ernstlich wollen, und diese gemeinsame nationale Aufgabe, die mit Parteien
und Konfessionen nichts zu tun hat. muß uns dazu helfen, über innere
Zwistigkeiten hinwegzukommen, deren Gegenstand in gar keinem Verhältnis
steht zu der Aufregung, die sie in weiten Kreisen hervorrufen. Eine solche
Politik zu vertreten, in ihr die Rcichsregierung nach Kräften zu unterstützen.
für sie das Verständnis in möglichst weiten Kreisen, auch in der Jugend, zu
verbreiten, das wäre die wichtigste und würdigste Aufgabe für einen wahrhaft
nationalen Liberalismus, der mächtig war, solange er große Ideale hatte, und
ohnmächtig geworden ist, seitdem diese verwirklicht sind, und er zu einer Inter¬
essenvertretung geworden ist, die sich mit alten zerschlissenen Parteiprogrammen
d rapiert.




Der Hamburger Handel
v Paul Büchner on

er Ex- und Jmporthcmdel erscheinen dem Laien und dem binnen-
lündischen Kaufmann oft als ein einfaches Handelsgeschäft, das
keiner Entwicklung fähig sei. Man begnügt sich mit den Begriffen
Exporteur und Importeur, ohne zu wissen, daß die kaufmännische
Arbeit, die die Warenausfuhr und -Einfuhr vermittelt, weit viel¬
gestaltiger ist als die binnenländische Produktion und Handelstätigkeit. Die
Arbeit des Fabrikanten, des Groß- und des Kleinhändlers liegt zum größten
Teil an der Oberfläche; die Wege aber, auf denen die einheimischen Jndustrie-
erzeugnisse ihren ausländischen Abnehmern und die überseeischen Produkte und
Rohstoffe den inländischen Fabrikanten und Händlern zugeführt werden, sind
gewöhnlich nur dem im Export- und Importgeschäfte Tätigen bekannt.

Unter den Bezeichnungen „Export" und „Import" verbergen sich die ver¬
schiedensten Entwicklungsstufen des Handels. Auf der niedrigsten Stufe findet
sich Ein- und Ausfuhr aller Waren vereinigt: der Ex- und Importeur*) führt



") „Ex- und Importeur" ist ein im Hamburger Handelsverkehr üblicher Fachausdruck
für den Kaufmann, der Waren sowohl einführt wie auch ausführt („Ex- und Importgeschäft"),
während man unter Exporteur und Importeur zwei Kaufleute versteht, von denen sich der eine
nur mit Aussuhrgeschäften, der andre nur init Einfuhrhandel abgibt.
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[0013] Der Hamburger Handel der Verlust der Weltstellung, da das konfessionell gespaltne Reich in die damaligen Religionskriege als Ganzes nicht eingreifen konnte, und des Anteils am Welthandel, da hinter den Hansastädten keine Reichsgewalt stand, die Ver¬ kümmerung eines ehemals weltbeherrschenden Volkes zu Kleinstaatlern und Kleinstädtern, endlich der Dreißigjährige Krieg und mit ihm die Fremdherrschaft in allen Grenzländern und die Verwüstung der gesamten nationalen Kultur. Jahrhunderte hat es gedauert, bis diese Folgen überwunden waren, und der Vorsprung, den damals fremde Volker bei der Verteilung der Erde gewonnen haben, kann überhaupt niemals ausgeglichen werden. Aber wir sind doch jetzt eine Nation geworden, was wir damals nicht waren, wir haben jetzt die Macht und die Organisation, uns einen „Platz an der Sonne" zu sichern, wenn lar nur ernstlich wollen, und diese gemeinsame nationale Aufgabe, die mit Parteien und Konfessionen nichts zu tun hat. muß uns dazu helfen, über innere Zwistigkeiten hinwegzukommen, deren Gegenstand in gar keinem Verhältnis steht zu der Aufregung, die sie in weiten Kreisen hervorrufen. Eine solche Politik zu vertreten, in ihr die Rcichsregierung nach Kräften zu unterstützen. für sie das Verständnis in möglichst weiten Kreisen, auch in der Jugend, zu verbreiten, das wäre die wichtigste und würdigste Aufgabe für einen wahrhaft nationalen Liberalismus, der mächtig war, solange er große Ideale hatte, und ohnmächtig geworden ist, seitdem diese verwirklicht sind, und er zu einer Inter¬ essenvertretung geworden ist, die sich mit alten zerschlissenen Parteiprogrammen d rapiert. Der Hamburger Handel v Paul Büchner on er Ex- und Jmporthcmdel erscheinen dem Laien und dem binnen- lündischen Kaufmann oft als ein einfaches Handelsgeschäft, das keiner Entwicklung fähig sei. Man begnügt sich mit den Begriffen Exporteur und Importeur, ohne zu wissen, daß die kaufmännische Arbeit, die die Warenausfuhr und -Einfuhr vermittelt, weit viel¬ gestaltiger ist als die binnenländische Produktion und Handelstätigkeit. Die Arbeit des Fabrikanten, des Groß- und des Kleinhändlers liegt zum größten Teil an der Oberfläche; die Wege aber, auf denen die einheimischen Jndustrie- erzeugnisse ihren ausländischen Abnehmern und die überseeischen Produkte und Rohstoffe den inländischen Fabrikanten und Händlern zugeführt werden, sind gewöhnlich nur dem im Export- und Importgeschäfte Tätigen bekannt. Unter den Bezeichnungen „Export" und „Import" verbergen sich die ver¬ schiedensten Entwicklungsstufen des Handels. Auf der niedrigsten Stufe findet sich Ein- und Ausfuhr aller Waren vereinigt: der Ex- und Importeur*) führt ") „Ex- und Importeur" ist ein im Hamburger Handelsverkehr üblicher Fachausdruck für den Kaufmann, der Waren sowohl einführt wie auch ausführt („Ex- und Importgeschäft"), während man unter Exporteur und Importeur zwei Kaufleute versteht, von denen sich der eine nur mit Aussuhrgeschäften, der andre nur init Einfuhrhandel abgibt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/13>, abgerufen am 13.11.2024.