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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Der Fürstentag zu Erfurt im Jahre ^308

Kaiser dahin auslegte, der Thronfolger sei bemüht, diesen zum Ministerpräsi¬
denten zu machen.

Am 19. August Abends traf endlich der Kaiser in Budapest ein und
wurde auf den Straßen von der Volksmenge mit den üblichen Eljenrufen be¬
grüßt. Es war immerhin eine Aufmerksamkeit für die Magyaren, daß der
Monarch am folgenden Tage, dem Se. Stephanstage, dem größten Feiertage
Ungarns, an der kirchlichen Feier teilnahm, aber die in den folgenden Tagen
zu ihm berufnen Parteiführer fanden ihn sehr ernst und vor allem nicht zu
militärischen Zugestündnissen geneigt. Das wirkte sehr enttäuschend, und für
die ungarische Presse wurde die Losung ausgegeben, die Krisis werde sich in
die Länge ziehen. In einigen Tagen begannen die Blätter noch mehr einzu¬
schwenken, der "Pester Lloyd" bemerkte schon: "Die Einführung der un¬
garischen Kommandosprache hat keine Aussicht auf Verwirklichung," und
..Magyar Hirlap" schrieb: "Der Druck, den man jetzt auf Se. Majestät aus¬
übe, sei ungesetzlich und verfassungswidrig. Wenn aber die liberale Partei in
weniger peremptorischen Ton ihre nationalen Forderungen formuliere, wäre
die Krone imstande. Entgegenkommen zu beweisen." Wie das eigentlich ge¬
meint war, deutete das offiziöse "Wiener Fremdenblatt" an, indem es riet,
die liberale Partei müsse selbst einen verfassungsmäßigen Weg zur Lösung der
Krise betreten und in der Militärfrage selbst ein Programm formulieren. Das
hieß doch mit andern Worten, man müsse nachgeben. Aber so sehr auch
mancher der liberalen "Staatsmänner" nach der höchsten Macht streben mochte,
noch hatte keiner den Mut, sich der chauvinistischen Strömung entgegenzustellen.
Als der Monarch am 29. Angust nach Wien zurückkehrte, um den König von
England zu empfangen, war die Krise noch ungelöst, und Khuen blieb Minister-
Präsident. Es mußten noch andre Ereignisse eintreten, die ungarischen Liberalen
aus ihrem chauvinistischen Taumel aufzurütteln.

(Schluß folgt)




Der Kirstentag zu Erfurt im Jahre ^808
von Gustav Brünnert (Schluß)

ach dieser Abschweifung kehren wir zu der Beschäftigung der
beiden Kaiser in den späten Morgenstunden und am Nachmittag
zurück. Gegen elf Uhr fuhr oder ritt Napoleon meist zum
Besuch des Kaisers von Rußland und des Königs von Sachsen
aus. Nachmittags bis vier oder fünf Uhr waren auf dem Felde
vor dem Krmnpfertore Truppenbesichtigungen. Jeden Abend gegen fünf Uhr
nahmen die beiden Kaiser die Hauptmahlzeit im Statthaltereigebüude ein. Am
obern Ende eines länglich runden Tisches saßen Napoleon und Alexander
nebeneinander, zur rechten und zur linken Seite folgten die cingeladnen


Der Fürstentag zu Erfurt im Jahre ^308

Kaiser dahin auslegte, der Thronfolger sei bemüht, diesen zum Ministerpräsi¬
denten zu machen.

Am 19. August Abends traf endlich der Kaiser in Budapest ein und
wurde auf den Straßen von der Volksmenge mit den üblichen Eljenrufen be¬
grüßt. Es war immerhin eine Aufmerksamkeit für die Magyaren, daß der
Monarch am folgenden Tage, dem Se. Stephanstage, dem größten Feiertage
Ungarns, an der kirchlichen Feier teilnahm, aber die in den folgenden Tagen
zu ihm berufnen Parteiführer fanden ihn sehr ernst und vor allem nicht zu
militärischen Zugestündnissen geneigt. Das wirkte sehr enttäuschend, und für
die ungarische Presse wurde die Losung ausgegeben, die Krisis werde sich in
die Länge ziehen. In einigen Tagen begannen die Blätter noch mehr einzu¬
schwenken, der „Pester Lloyd" bemerkte schon: „Die Einführung der un¬
garischen Kommandosprache hat keine Aussicht auf Verwirklichung," und
..Magyar Hirlap" schrieb: „Der Druck, den man jetzt auf Se. Majestät aus¬
übe, sei ungesetzlich und verfassungswidrig. Wenn aber die liberale Partei in
weniger peremptorischen Ton ihre nationalen Forderungen formuliere, wäre
die Krone imstande. Entgegenkommen zu beweisen." Wie das eigentlich ge¬
meint war, deutete das offiziöse „Wiener Fremdenblatt" an, indem es riet,
die liberale Partei müsse selbst einen verfassungsmäßigen Weg zur Lösung der
Krise betreten und in der Militärfrage selbst ein Programm formulieren. Das
hieß doch mit andern Worten, man müsse nachgeben. Aber so sehr auch
mancher der liberalen „Staatsmänner" nach der höchsten Macht streben mochte,
noch hatte keiner den Mut, sich der chauvinistischen Strömung entgegenzustellen.
Als der Monarch am 29. Angust nach Wien zurückkehrte, um den König von
England zu empfangen, war die Krise noch ungelöst, und Khuen blieb Minister-
Präsident. Es mußten noch andre Ereignisse eintreten, die ungarischen Liberalen
aus ihrem chauvinistischen Taumel aufzurütteln.

(Schluß folgt)




Der Kirstentag zu Erfurt im Jahre ^808
von Gustav Brünnert (Schluß)

ach dieser Abschweifung kehren wir zu der Beschäftigung der
beiden Kaiser in den späten Morgenstunden und am Nachmittag
zurück. Gegen elf Uhr fuhr oder ritt Napoleon meist zum
Besuch des Kaisers von Rußland und des Königs von Sachsen
aus. Nachmittags bis vier oder fünf Uhr waren auf dem Felde
vor dem Krmnpfertore Truppenbesichtigungen. Jeden Abend gegen fünf Uhr
nahmen die beiden Kaiser die Hauptmahlzeit im Statthaltereigebüude ein. Am
obern Ende eines länglich runden Tisches saßen Napoleon und Alexander
nebeneinander, zur rechten und zur linken Seite folgten die cingeladnen


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[0081] Der Fürstentag zu Erfurt im Jahre ^308 Kaiser dahin auslegte, der Thronfolger sei bemüht, diesen zum Ministerpräsi¬ denten zu machen. Am 19. August Abends traf endlich der Kaiser in Budapest ein und wurde auf den Straßen von der Volksmenge mit den üblichen Eljenrufen be¬ grüßt. Es war immerhin eine Aufmerksamkeit für die Magyaren, daß der Monarch am folgenden Tage, dem Se. Stephanstage, dem größten Feiertage Ungarns, an der kirchlichen Feier teilnahm, aber die in den folgenden Tagen zu ihm berufnen Parteiführer fanden ihn sehr ernst und vor allem nicht zu militärischen Zugestündnissen geneigt. Das wirkte sehr enttäuschend, und für die ungarische Presse wurde die Losung ausgegeben, die Krisis werde sich in die Länge ziehen. In einigen Tagen begannen die Blätter noch mehr einzu¬ schwenken, der „Pester Lloyd" bemerkte schon: „Die Einführung der un¬ garischen Kommandosprache hat keine Aussicht auf Verwirklichung," und ..Magyar Hirlap" schrieb: „Der Druck, den man jetzt auf Se. Majestät aus¬ übe, sei ungesetzlich und verfassungswidrig. Wenn aber die liberale Partei in weniger peremptorischen Ton ihre nationalen Forderungen formuliere, wäre die Krone imstande. Entgegenkommen zu beweisen." Wie das eigentlich ge¬ meint war, deutete das offiziöse „Wiener Fremdenblatt" an, indem es riet, die liberale Partei müsse selbst einen verfassungsmäßigen Weg zur Lösung der Krise betreten und in der Militärfrage selbst ein Programm formulieren. Das hieß doch mit andern Worten, man müsse nachgeben. Aber so sehr auch mancher der liberalen „Staatsmänner" nach der höchsten Macht streben mochte, noch hatte keiner den Mut, sich der chauvinistischen Strömung entgegenzustellen. Als der Monarch am 29. Angust nach Wien zurückkehrte, um den König von England zu empfangen, war die Krise noch ungelöst, und Khuen blieb Minister- Präsident. Es mußten noch andre Ereignisse eintreten, die ungarischen Liberalen aus ihrem chauvinistischen Taumel aufzurütteln. (Schluß folgt) Der Kirstentag zu Erfurt im Jahre ^808 von Gustav Brünnert (Schluß) ach dieser Abschweifung kehren wir zu der Beschäftigung der beiden Kaiser in den späten Morgenstunden und am Nachmittag zurück. Gegen elf Uhr fuhr oder ritt Napoleon meist zum Besuch des Kaisers von Rußland und des Königs von Sachsen aus. Nachmittags bis vier oder fünf Uhr waren auf dem Felde vor dem Krmnpfertore Truppenbesichtigungen. Jeden Abend gegen fünf Uhr nahmen die beiden Kaiser die Hauptmahlzeit im Statthaltereigebüude ein. Am obern Ende eines länglich runden Tisches saßen Napoleon und Alexander nebeneinander, zur rechten und zur linken Seite folgten die cingeladnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/81>, abgerufen am 29.06.2024.