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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

englische Reiterschar hineingekommen, die mit den schlesischen Landwehrreitern gegen
die Höhe von Mont Se. Jean vorstürmt.

Jenes Londoner Waterloobild im Westminsterpalast ist in hohem Grade be¬
zeichnend für die englische Geschichtsauffassung, die sich gegen die Hannöversche An¬
sprache unsers Kaisers so hoch aufbäumt. Aber ist denn Wellingtons: "Ich wollte, es
wäre Nacht, oder die Preußen kämen" etwas andres als Admiral Seymours Ruf
in der gefahrvollen Rückzugsnacht bei Hsiku am Peiho, am 22. Juni 1900: Ksr-
nurns to tbs traut! England sollte stolz darauf sein, daß seine Kriegsgeschichte
Waffentaten und Waffenge fährten zu verzeichnen hat, auf die sich die britische
Führung im verhängnisvollsten Augenblick mit hoher Zuversicht verlassen konnte. Man
sollte meinen, daß sich solche Erinnerungen stärker als jede Animosität erweisen
müßten, die bei unserm Kaiser vorauszusetzen die englische Presse obendrein ganz
und gar keinen Grund hat. Es gewinnt fast den Anschein, als ob man in diesem
Augenblick in London nicht an die Zeit der Kämpfe auf Tod und Leben mit Frankreich
erinnert sein wolle. Wir könnens abwarten.


Die Angelegenheiten von Posen nud Westpreußen

werden durch die
im Reichshaushalt (Postetat) vorgesehenen Zulagen an die in den Ostmarken statio¬
nierten Postbeamten auch den Reichstag beschäftigen. Es handelt sich um 545000
Mark, darunter 6000 Mark Erziehungsbeihilfen an höhere Beamte und ungefähr
8000 Mark Pensionszulagen. Damit ist das gesamte Gebiet der Polenpolitik der
Erörterung des Reichstags preisgegeben, nud der Standpunkt, daß die polnischen
Dinge als Jnternum Preußens vor deu Landtag gehören und den Reichstag nichts
eingehn, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vielleicht wäre es richtiger gewesen,
wenn Preußen auch diesen Teil der Ostmarkenzulagen übernommen und den Betrag
der PostVerwaltung zur Verfügung gestellt hätte. Es ist ja ohnehin der inter¬
essiertere Teil. Man wäre damit der Schwierigkeit aus dem Wege gegangen, die
Polenpolitik im Reichstage diskutieren zu müssen, obendrein beim Postetat, und
möglicherweise ein Votum herbeizuführen, das leicht unerwünscht und präjudiziell
ausfallen kann. Die Neigung, den Reichsetat um eine halbe Million zu entlasten,
wird im Reichstage nicht gering sein, ganz abgesehen von der prinzipiellen Seite
der Sache. Aber prinzipiell unzulässig erscheint es wiederum, wenn ein Teil des
Reichsapparats für normale Dienstleistungen einzelstaatlich subventioniert werden soll.
Posen und Westpreußen sind die Ostmarken nicht nnr Preußens, sondern auch des
Reichs, und das Reich würde ja zum Beispiel auch die Kosten einer aus politischen
Gründen nötigen Verstärkung der Garnisonen in diesen Landesteilen zu tragen
haben. Hier ist also nicht nur "dem Reiche zu geben, was des Reiches ist,"
sondern auch "das Reich hat zu geben, was des Reiches ist," d. h. hat die Kosten
zu tragen, die ihm obliegen gegenüber einer in ihrem eigensten Kern gegen die
Integrität des Reichsgebiets gerichteten Bewegung. Freilich ist dann auch die Kritik
und das Mitsprechen des Reichstags nicht zu umgehen. Preußen kann in die
Lage kommen, daß der Reichstag sich gegen eine Politik erklärt, die der preußische
Landtag schon gebilligt hat, und gegen Maßnahmen, die in Preußen schon Gesetz
sind; jedenfalls ist die preußische Regierung dem ausgesetzt, so lauge die Forderung
fortdauert, mit dem Reichstag alljährlich ihre Polenpolitik diskutiere" und dabei
möglicherweise den Landtag hinterher gegen den Reichstag ausspielen zu müssen.
Unerwünschte Verhältnisse, die aber nach Lage der Dinge nicht umgangen werden
können und jedenfalls zu ihrem Teile dahin drängen, unsrer Polenpolitik ein ein¬
heitliches, vom gesamten Reichs- und Staatsorganismus in allen seinen Teilen
gleichmäßig zur Geltung zu bringendes, zweckbewußtes Handeln aufzuprägen.

Weitaus der größte Teil der polnischen Preußen hat sicherlich gar kein Be¬
dürfnis, mit ihren deutschen Mitbürgern und mit den Behörden in Fehde zu leben.
Diese zwei Drittel, wenn nicht weit mehr, unsrer Polen werden verhältnismäßig
leicht regiert werden können, wenn man dem letzten Drittel, Viertel oder Zehntel
die Mittel und Wege abschneidet, jene große Mehrheit durch eine fanatische Agi-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

englische Reiterschar hineingekommen, die mit den schlesischen Landwehrreitern gegen
die Höhe von Mont Se. Jean vorstürmt.

Jenes Londoner Waterloobild im Westminsterpalast ist in hohem Grade be¬
zeichnend für die englische Geschichtsauffassung, die sich gegen die Hannöversche An¬
sprache unsers Kaisers so hoch aufbäumt. Aber ist denn Wellingtons: „Ich wollte, es
wäre Nacht, oder die Preußen kämen" etwas andres als Admiral Seymours Ruf
in der gefahrvollen Rückzugsnacht bei Hsiku am Peiho, am 22. Juni 1900: Ksr-
nurns to tbs traut! England sollte stolz darauf sein, daß seine Kriegsgeschichte
Waffentaten und Waffenge fährten zu verzeichnen hat, auf die sich die britische
Führung im verhängnisvollsten Augenblick mit hoher Zuversicht verlassen konnte. Man
sollte meinen, daß sich solche Erinnerungen stärker als jede Animosität erweisen
müßten, die bei unserm Kaiser vorauszusetzen die englische Presse obendrein ganz
und gar keinen Grund hat. Es gewinnt fast den Anschein, als ob man in diesem
Augenblick in London nicht an die Zeit der Kämpfe auf Tod und Leben mit Frankreich
erinnert sein wolle. Wir könnens abwarten.


Die Angelegenheiten von Posen nud Westpreußen

werden durch die
im Reichshaushalt (Postetat) vorgesehenen Zulagen an die in den Ostmarken statio¬
nierten Postbeamten auch den Reichstag beschäftigen. Es handelt sich um 545000
Mark, darunter 6000 Mark Erziehungsbeihilfen an höhere Beamte und ungefähr
8000 Mark Pensionszulagen. Damit ist das gesamte Gebiet der Polenpolitik der
Erörterung des Reichstags preisgegeben, nud der Standpunkt, daß die polnischen
Dinge als Jnternum Preußens vor deu Landtag gehören und den Reichstag nichts
eingehn, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vielleicht wäre es richtiger gewesen,
wenn Preußen auch diesen Teil der Ostmarkenzulagen übernommen und den Betrag
der PostVerwaltung zur Verfügung gestellt hätte. Es ist ja ohnehin der inter¬
essiertere Teil. Man wäre damit der Schwierigkeit aus dem Wege gegangen, die
Polenpolitik im Reichstage diskutieren zu müssen, obendrein beim Postetat, und
möglicherweise ein Votum herbeizuführen, das leicht unerwünscht und präjudiziell
ausfallen kann. Die Neigung, den Reichsetat um eine halbe Million zu entlasten,
wird im Reichstage nicht gering sein, ganz abgesehen von der prinzipiellen Seite
der Sache. Aber prinzipiell unzulässig erscheint es wiederum, wenn ein Teil des
Reichsapparats für normale Dienstleistungen einzelstaatlich subventioniert werden soll.
Posen und Westpreußen sind die Ostmarken nicht nnr Preußens, sondern auch des
Reichs, und das Reich würde ja zum Beispiel auch die Kosten einer aus politischen
Gründen nötigen Verstärkung der Garnisonen in diesen Landesteilen zu tragen
haben. Hier ist also nicht nur „dem Reiche zu geben, was des Reiches ist,"
sondern auch „das Reich hat zu geben, was des Reiches ist," d. h. hat die Kosten
zu tragen, die ihm obliegen gegenüber einer in ihrem eigensten Kern gegen die
Integrität des Reichsgebiets gerichteten Bewegung. Freilich ist dann auch die Kritik
und das Mitsprechen des Reichstags nicht zu umgehen. Preußen kann in die
Lage kommen, daß der Reichstag sich gegen eine Politik erklärt, die der preußische
Landtag schon gebilligt hat, und gegen Maßnahmen, die in Preußen schon Gesetz
sind; jedenfalls ist die preußische Regierung dem ausgesetzt, so lauge die Forderung
fortdauert, mit dem Reichstag alljährlich ihre Polenpolitik diskutiere» und dabei
möglicherweise den Landtag hinterher gegen den Reichstag ausspielen zu müssen.
Unerwünschte Verhältnisse, die aber nach Lage der Dinge nicht umgangen werden
können und jedenfalls zu ihrem Teile dahin drängen, unsrer Polenpolitik ein ein¬
heitliches, vom gesamten Reichs- und Staatsorganismus in allen seinen Teilen
gleichmäßig zur Geltung zu bringendes, zweckbewußtes Handeln aufzuprägen.

Weitaus der größte Teil der polnischen Preußen hat sicherlich gar kein Be¬
dürfnis, mit ihren deutschen Mitbürgern und mit den Behörden in Fehde zu leben.
Diese zwei Drittel, wenn nicht weit mehr, unsrer Polen werden verhältnismäßig
leicht regiert werden können, wenn man dem letzten Drittel, Viertel oder Zehntel
die Mittel und Wege abschneidet, jene große Mehrheit durch eine fanatische Agi-


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[0064] Maßgebliches und Unmaßgebliches englische Reiterschar hineingekommen, die mit den schlesischen Landwehrreitern gegen die Höhe von Mont Se. Jean vorstürmt. Jenes Londoner Waterloobild im Westminsterpalast ist in hohem Grade be¬ zeichnend für die englische Geschichtsauffassung, die sich gegen die Hannöversche An¬ sprache unsers Kaisers so hoch aufbäumt. Aber ist denn Wellingtons: „Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen" etwas andres als Admiral Seymours Ruf in der gefahrvollen Rückzugsnacht bei Hsiku am Peiho, am 22. Juni 1900: Ksr- nurns to tbs traut! England sollte stolz darauf sein, daß seine Kriegsgeschichte Waffentaten und Waffenge fährten zu verzeichnen hat, auf die sich die britische Führung im verhängnisvollsten Augenblick mit hoher Zuversicht verlassen konnte. Man sollte meinen, daß sich solche Erinnerungen stärker als jede Animosität erweisen müßten, die bei unserm Kaiser vorauszusetzen die englische Presse obendrein ganz und gar keinen Grund hat. Es gewinnt fast den Anschein, als ob man in diesem Augenblick in London nicht an die Zeit der Kämpfe auf Tod und Leben mit Frankreich erinnert sein wolle. Wir könnens abwarten. Die Angelegenheiten von Posen nud Westpreußen werden durch die im Reichshaushalt (Postetat) vorgesehenen Zulagen an die in den Ostmarken statio¬ nierten Postbeamten auch den Reichstag beschäftigen. Es handelt sich um 545000 Mark, darunter 6000 Mark Erziehungsbeihilfen an höhere Beamte und ungefähr 8000 Mark Pensionszulagen. Damit ist das gesamte Gebiet der Polenpolitik der Erörterung des Reichstags preisgegeben, nud der Standpunkt, daß die polnischen Dinge als Jnternum Preußens vor deu Landtag gehören und den Reichstag nichts eingehn, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, wenn Preußen auch diesen Teil der Ostmarkenzulagen übernommen und den Betrag der PostVerwaltung zur Verfügung gestellt hätte. Es ist ja ohnehin der inter¬ essiertere Teil. Man wäre damit der Schwierigkeit aus dem Wege gegangen, die Polenpolitik im Reichstage diskutieren zu müssen, obendrein beim Postetat, und möglicherweise ein Votum herbeizuführen, das leicht unerwünscht und präjudiziell ausfallen kann. Die Neigung, den Reichsetat um eine halbe Million zu entlasten, wird im Reichstage nicht gering sein, ganz abgesehen von der prinzipiellen Seite der Sache. Aber prinzipiell unzulässig erscheint es wiederum, wenn ein Teil des Reichsapparats für normale Dienstleistungen einzelstaatlich subventioniert werden soll. Posen und Westpreußen sind die Ostmarken nicht nnr Preußens, sondern auch des Reichs, und das Reich würde ja zum Beispiel auch die Kosten einer aus politischen Gründen nötigen Verstärkung der Garnisonen in diesen Landesteilen zu tragen haben. Hier ist also nicht nur „dem Reiche zu geben, was des Reiches ist," sondern auch „das Reich hat zu geben, was des Reiches ist," d. h. hat die Kosten zu tragen, die ihm obliegen gegenüber einer in ihrem eigensten Kern gegen die Integrität des Reichsgebiets gerichteten Bewegung. Freilich ist dann auch die Kritik und das Mitsprechen des Reichstags nicht zu umgehen. Preußen kann in die Lage kommen, daß der Reichstag sich gegen eine Politik erklärt, die der preußische Landtag schon gebilligt hat, und gegen Maßnahmen, die in Preußen schon Gesetz sind; jedenfalls ist die preußische Regierung dem ausgesetzt, so lauge die Forderung fortdauert, mit dem Reichstag alljährlich ihre Polenpolitik diskutiere» und dabei möglicherweise den Landtag hinterher gegen den Reichstag ausspielen zu müssen. Unerwünschte Verhältnisse, die aber nach Lage der Dinge nicht umgangen werden können und jedenfalls zu ihrem Teile dahin drängen, unsrer Polenpolitik ein ein¬ heitliches, vom gesamten Reichs- und Staatsorganismus in allen seinen Teilen gleichmäßig zur Geltung zu bringendes, zweckbewußtes Handeln aufzuprägen. Weitaus der größte Teil der polnischen Preußen hat sicherlich gar kein Be¬ dürfnis, mit ihren deutschen Mitbürgern und mit den Behörden in Fehde zu leben. Diese zwei Drittel, wenn nicht weit mehr, unsrer Polen werden verhältnismäßig leicht regiert werden können, wenn man dem letzten Drittel, Viertel oder Zehntel die Mittel und Wege abschneidet, jene große Mehrheit durch eine fanatische Agi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/64>, abgerufen am 29.06.2024.