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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Herbert Spencers System

Weise den rückhaltlosesten Gehorsam. Der ganze Erlaß ist auf eine in den
Anfängen stehngebliebne Bewegung zugeschnitten, die der sorgfältigsten Führung
und Beaufsichtigung bedarf, wenn sie langsam etwas erreichen soll. Des
Papstes Vorschriften richten sich hauptsächlich auf die Disziplin des Ganzen
wie jedes Einzelnen, und er macht jetzt im großen den Versuch für ganz
Italien, den er mit Erfolg in Venedig gemacht hat. Die ausdrückliche Be¬
stätigung des Hom sxxsäit durch Pius ist darum eine absolute Notwendigkeit
gewesen. Was Pius der Zehnte tun wird, wenn die italienischen Katholiken
einmal auf der Höhe der Disziplin der deutscheu Katholiken angekommen sein
werden, entzieht sich natürlich jeder Beurteilung. Zurzeit haben wir nur
mit den vorliegenden eben so klugen wie kraftvollen Befehlen des Papstes zu
tun, die aus dem praktischen Leben hervorgegangen sind. Leos Rundschreiben
lieferten das Material zur praktischen Gesetzgebung Pius des Zehnten auf diesem
Gebiete, wodurch meine Auseinandersetzungen eine weitere Stütze erhalten.

Es steht, wenn man sonst zuverlässig bedienten Blättern Glauben schenken
darf, zu erwarten, daß der Papst im Laufe der nächsten Monate noch eine
Anzahl bedeutsamer Erlasse herausgeben wird, die sowohl den Geschäftsgang
an der Kurie wesentlich zu vereinfachen berufen sein als auch das uralte
Institut der Diözesan- und Provinzialsynoden zu neuem Leben erwecken werden.
In neuster Zeit wird dann auch noch eine Behandlung der schwierigen Katechismus¬
reform angekündigt, die jedoch, wie leicht verstündlich ist, mehr Arbeit verur¬
sachen wird, als es auf deu ersten Blick erscheinen könnte.

Papst Pius der Zehnte stellt sich uns als ein seine Unabhängigkeit eifer¬
süchtig währender, gelehrter, in der Praxis des täglichen Lebens hocherfahrner
Papst dar, der mit Verständnis den Bedürfnissen der Zeit gegenübersteht. Seine
hohe persönliche Tugendhaftigkeit und Nächstenliebe rücken ihn dem Herzen eines
jeden rechtlich Denkenden nahe. Seine milde Art wird ihn in allen Fragen,
die außerhalb des innerkirchlichen Lebens liegen, die verbindliche, ruhige Form
finden lassen, die den Weg zur Verständigung auf das wesentlichste ebnet.




Herbert Spencers System
^. Grundlegung und Biologie

en am 8. Dezember vorigen Jahres verstorbnen Herbert Spencer
verehren die Engländer als den größten Philosophen des vorigen
Jahrhunderts. Aus seinem Leben hat der Verner Professor
Dr. Ludwig Stein interessante Einzelheiten mitgeteilt in einem
Aufsatze, der in die Sammlung "Der Sinn des Daseins" (Tübingen
und Leipzig, I. C. B. Mohr, 1904) aufgenommen worden ist, und nach seinem
Tode in einem Feuilleton in Ur. 343 der Frankfurter Zeitung. Es ergänzt
ihn ein Aufsatz von Dr. S. Saenger in Ur. 481 der Wiener Wochenschrift


Herbert Spencers System

Weise den rückhaltlosesten Gehorsam. Der ganze Erlaß ist auf eine in den
Anfängen stehngebliebne Bewegung zugeschnitten, die der sorgfältigsten Führung
und Beaufsichtigung bedarf, wenn sie langsam etwas erreichen soll. Des
Papstes Vorschriften richten sich hauptsächlich auf die Disziplin des Ganzen
wie jedes Einzelnen, und er macht jetzt im großen den Versuch für ganz
Italien, den er mit Erfolg in Venedig gemacht hat. Die ausdrückliche Be¬
stätigung des Hom sxxsäit durch Pius ist darum eine absolute Notwendigkeit
gewesen. Was Pius der Zehnte tun wird, wenn die italienischen Katholiken
einmal auf der Höhe der Disziplin der deutscheu Katholiken angekommen sein
werden, entzieht sich natürlich jeder Beurteilung. Zurzeit haben wir nur
mit den vorliegenden eben so klugen wie kraftvollen Befehlen des Papstes zu
tun, die aus dem praktischen Leben hervorgegangen sind. Leos Rundschreiben
lieferten das Material zur praktischen Gesetzgebung Pius des Zehnten auf diesem
Gebiete, wodurch meine Auseinandersetzungen eine weitere Stütze erhalten.

Es steht, wenn man sonst zuverlässig bedienten Blättern Glauben schenken
darf, zu erwarten, daß der Papst im Laufe der nächsten Monate noch eine
Anzahl bedeutsamer Erlasse herausgeben wird, die sowohl den Geschäftsgang
an der Kurie wesentlich zu vereinfachen berufen sein als auch das uralte
Institut der Diözesan- und Provinzialsynoden zu neuem Leben erwecken werden.
In neuster Zeit wird dann auch noch eine Behandlung der schwierigen Katechismus¬
reform angekündigt, die jedoch, wie leicht verstündlich ist, mehr Arbeit verur¬
sachen wird, als es auf deu ersten Blick erscheinen könnte.

Papst Pius der Zehnte stellt sich uns als ein seine Unabhängigkeit eifer¬
süchtig währender, gelehrter, in der Praxis des täglichen Lebens hocherfahrner
Papst dar, der mit Verständnis den Bedürfnissen der Zeit gegenübersteht. Seine
hohe persönliche Tugendhaftigkeit und Nächstenliebe rücken ihn dem Herzen eines
jeden rechtlich Denkenden nahe. Seine milde Art wird ihn in allen Fragen,
die außerhalb des innerkirchlichen Lebens liegen, die verbindliche, ruhige Form
finden lassen, die den Weg zur Verständigung auf das wesentlichste ebnet.




Herbert Spencers System
^. Grundlegung und Biologie

en am 8. Dezember vorigen Jahres verstorbnen Herbert Spencer
verehren die Engländer als den größten Philosophen des vorigen
Jahrhunderts. Aus seinem Leben hat der Verner Professor
Dr. Ludwig Stein interessante Einzelheiten mitgeteilt in einem
Aufsatze, der in die Sammlung „Der Sinn des Daseins" (Tübingen
und Leipzig, I. C. B. Mohr, 1904) aufgenommen worden ist, und nach seinem
Tode in einem Feuilleton in Ur. 343 der Frankfurter Zeitung. Es ergänzt
ihn ein Aufsatz von Dr. S. Saenger in Ur. 481 der Wiener Wochenschrift


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[0582] Herbert Spencers System Weise den rückhaltlosesten Gehorsam. Der ganze Erlaß ist auf eine in den Anfängen stehngebliebne Bewegung zugeschnitten, die der sorgfältigsten Führung und Beaufsichtigung bedarf, wenn sie langsam etwas erreichen soll. Des Papstes Vorschriften richten sich hauptsächlich auf die Disziplin des Ganzen wie jedes Einzelnen, und er macht jetzt im großen den Versuch für ganz Italien, den er mit Erfolg in Venedig gemacht hat. Die ausdrückliche Be¬ stätigung des Hom sxxsäit durch Pius ist darum eine absolute Notwendigkeit gewesen. Was Pius der Zehnte tun wird, wenn die italienischen Katholiken einmal auf der Höhe der Disziplin der deutscheu Katholiken angekommen sein werden, entzieht sich natürlich jeder Beurteilung. Zurzeit haben wir nur mit den vorliegenden eben so klugen wie kraftvollen Befehlen des Papstes zu tun, die aus dem praktischen Leben hervorgegangen sind. Leos Rundschreiben lieferten das Material zur praktischen Gesetzgebung Pius des Zehnten auf diesem Gebiete, wodurch meine Auseinandersetzungen eine weitere Stütze erhalten. Es steht, wenn man sonst zuverlässig bedienten Blättern Glauben schenken darf, zu erwarten, daß der Papst im Laufe der nächsten Monate noch eine Anzahl bedeutsamer Erlasse herausgeben wird, die sowohl den Geschäftsgang an der Kurie wesentlich zu vereinfachen berufen sein als auch das uralte Institut der Diözesan- und Provinzialsynoden zu neuem Leben erwecken werden. In neuster Zeit wird dann auch noch eine Behandlung der schwierigen Katechismus¬ reform angekündigt, die jedoch, wie leicht verstündlich ist, mehr Arbeit verur¬ sachen wird, als es auf deu ersten Blick erscheinen könnte. Papst Pius der Zehnte stellt sich uns als ein seine Unabhängigkeit eifer¬ süchtig währender, gelehrter, in der Praxis des täglichen Lebens hocherfahrner Papst dar, der mit Verständnis den Bedürfnissen der Zeit gegenübersteht. Seine hohe persönliche Tugendhaftigkeit und Nächstenliebe rücken ihn dem Herzen eines jeden rechtlich Denkenden nahe. Seine milde Art wird ihn in allen Fragen, die außerhalb des innerkirchlichen Lebens liegen, die verbindliche, ruhige Form finden lassen, die den Weg zur Verständigung auf das wesentlichste ebnet. Herbert Spencers System ^. Grundlegung und Biologie en am 8. Dezember vorigen Jahres verstorbnen Herbert Spencer verehren die Engländer als den größten Philosophen des vorigen Jahrhunderts. Aus seinem Leben hat der Verner Professor Dr. Ludwig Stein interessante Einzelheiten mitgeteilt in einem Aufsatze, der in die Sammlung „Der Sinn des Daseins" (Tübingen und Leipzig, I. C. B. Mohr, 1904) aufgenommen worden ist, und nach seinem Tode in einem Feuilleton in Ur. 343 der Frankfurter Zeitung. Es ergänzt ihn ein Aufsatz von Dr. S. Saenger in Ur. 481 der Wiener Wochenschrift

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/582>, abgerufen am 29.06.2024.