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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Aunstdebatte im Reichstage

Im Jahre 1859, als der Ausbruch eines Kriegs gegen Frankreich bevor¬
stand, Preußen sein ganzes Heer mobil machte, und der Bund auch das
württembergische Kontingent mit dem siebenten und dem achten Armeekorps am
Oberrhein mobilisierte, wurde Martens nochmals von seinem König zu wichtigen
Diensten berufen. Er wurde zum Stellvertreter des die ausmarschiereudeu
württembergischen Truppen befehligenden Kriegsministers bestimmt. Diesen Posten
bekleidete er noch vom 20. Juni bis zum 24. August in einer Weise, daß er
als Anerkennung seiner umsichtigen und verdienstvollen Tätigkeit das Großkreuz
des Friedrichsordcns erhielt. Von da an verlief sein Leben still und friedlich.
Die Sorge für seine Kinder und Enkel war ihm besonders wichtig. Am
23. Dezember 1861 starb er in Stuttgart nach kurzer Krankheit. Sein Seel¬
sorger, Prälat von Müller, hob an seinem Grabe vor allem seinen biedern
Charakter, seinen rechtschaffnen Wandel, seinen ernsten religiösen und kirchlichen
Sinn, seine Einfachheit und Bescheidenheit bei so mannigfacher Begabung, Aus-
zeichnung und hoher Stellung, seine unwandelbare Gewissenhaftigkeit in allen
Ämtern, seine väterliche Teilnahme am Wohl und Wehe seiner Untergebnen
und sein brüderliches Mitgefühl für alle Not seiner Mitmenschen hervor. Seine
am 1. Dezember 1821 mit Minona, Tochter des Obertribnnalprokurators Müller
von Stuttgart, geschlossene Ehe wurde, so glücklich sie sonst war, durch die
Schwermut, an der seine Gattin jahrelang bis zu ihrem Tode krankte, sehr ge¬
trübt. Sein Gottvertrauen und sein heiterer Sinn verließen ihn jedoch nicht bis
an das Ende seines Lebens.




Die Kunstdebatte im Reichstage ^

"M^/'M'l >^>eberraschend wirkt es, welche Stellung der Sezession von den
Rednern im Reichstag eingeräumt worden ist, und wie sie politisch
in einen Gegensatz zu der sogenannten "höfischen Kunst" ge¬
drückt wird.

Es handelt sich hier doch zunächst um die Gegensätze zwischen
der ältern, besser und umfassender gesagt: deutschen Kunst und einer inter¬
nationalen, die unter dem Kennwort: Sezession jetzt wirklich nur noch unnötiger¬
weise die Gemüter der Politiker aufregt.

Die Bezeichnung "höfische Kunst" soll hier ausgeschaltet werden, und die
Verantwortung dafür dem sxiritu8 reowr, Herrn A von Werner, überlassen
bleiben. Dagegen aber muß einmal ausgesprochen werden, daß auch nicht einer
der Redner im Reichstage das Wesen der Sezessionen, wie sie sich jetzt heraus¬
kristallisiert haben, erfaßt und klar gekennzeichnet hat. Die Herren glauben, es
handle sich auch jetzt noch um die Bestrebungen und die Ziele, die seinerzeit, vor
zehn Jahren etwa, bei uns die Sezessionsbewegung ins Leben riefen. Ideale
Ziele freilich hatten die Sezessionisten damals auf ihr Banner geschrieben. Es
galt, einen neuen, frischen Strom in ein stagnierend gewordnes Wasser hinein¬
zuleiten, neue Kunstanschaunngen zu Worte kommen und zur Tat werden zu


Die Aunstdebatte im Reichstage

Im Jahre 1859, als der Ausbruch eines Kriegs gegen Frankreich bevor¬
stand, Preußen sein ganzes Heer mobil machte, und der Bund auch das
württembergische Kontingent mit dem siebenten und dem achten Armeekorps am
Oberrhein mobilisierte, wurde Martens nochmals von seinem König zu wichtigen
Diensten berufen. Er wurde zum Stellvertreter des die ausmarschiereudeu
württembergischen Truppen befehligenden Kriegsministers bestimmt. Diesen Posten
bekleidete er noch vom 20. Juni bis zum 24. August in einer Weise, daß er
als Anerkennung seiner umsichtigen und verdienstvollen Tätigkeit das Großkreuz
des Friedrichsordcns erhielt. Von da an verlief sein Leben still und friedlich.
Die Sorge für seine Kinder und Enkel war ihm besonders wichtig. Am
23. Dezember 1861 starb er in Stuttgart nach kurzer Krankheit. Sein Seel¬
sorger, Prälat von Müller, hob an seinem Grabe vor allem seinen biedern
Charakter, seinen rechtschaffnen Wandel, seinen ernsten religiösen und kirchlichen
Sinn, seine Einfachheit und Bescheidenheit bei so mannigfacher Begabung, Aus-
zeichnung und hoher Stellung, seine unwandelbare Gewissenhaftigkeit in allen
Ämtern, seine väterliche Teilnahme am Wohl und Wehe seiner Untergebnen
und sein brüderliches Mitgefühl für alle Not seiner Mitmenschen hervor. Seine
am 1. Dezember 1821 mit Minona, Tochter des Obertribnnalprokurators Müller
von Stuttgart, geschlossene Ehe wurde, so glücklich sie sonst war, durch die
Schwermut, an der seine Gattin jahrelang bis zu ihrem Tode krankte, sehr ge¬
trübt. Sein Gottvertrauen und sein heiterer Sinn verließen ihn jedoch nicht bis
an das Ende seines Lebens.




Die Kunstdebatte im Reichstage ^

«M^/'M'l >^>eberraschend wirkt es, welche Stellung der Sezession von den
Rednern im Reichstag eingeräumt worden ist, und wie sie politisch
in einen Gegensatz zu der sogenannten „höfischen Kunst" ge¬
drückt wird.

Es handelt sich hier doch zunächst um die Gegensätze zwischen
der ältern, besser und umfassender gesagt: deutschen Kunst und einer inter¬
nationalen, die unter dem Kennwort: Sezession jetzt wirklich nur noch unnötiger¬
weise die Gemüter der Politiker aufregt.

Die Bezeichnung „höfische Kunst" soll hier ausgeschaltet werden, und die
Verantwortung dafür dem sxiritu8 reowr, Herrn A von Werner, überlassen
bleiben. Dagegen aber muß einmal ausgesprochen werden, daß auch nicht einer
der Redner im Reichstage das Wesen der Sezessionen, wie sie sich jetzt heraus¬
kristallisiert haben, erfaßt und klar gekennzeichnet hat. Die Herren glauben, es
handle sich auch jetzt noch um die Bestrebungen und die Ziele, die seinerzeit, vor
zehn Jahren etwa, bei uns die Sezessionsbewegung ins Leben riefen. Ideale
Ziele freilich hatten die Sezessionisten damals auf ihr Banner geschrieben. Es
galt, einen neuen, frischen Strom in ein stagnierend gewordnes Wasser hinein¬
zuleiten, neue Kunstanschaunngen zu Worte kommen und zur Tat werden zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/530>, abgerufen am 29.06.2024.