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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Rußland und China bis zum Vertrage von Nertschinsk

die Hochwassergefahr sehr stark zu vermindern, denn es kann dann ein Deich¬
bruch immer nur bis zum nächsten untern Querdamm schädlich wirken, während
sich jetzt ein Deichbruch meilenweit bemerkbar zu machen Pflegt, und es jetzt,
um größern Schaden abzuwenden, notwendig wird, den Deich auch unterhalb
zu öffnen, damit das Wasser an geeigneter Stelle seinen Lauf in den Fluß
zurück nehmen kann. Bei der vorjährigen Überschwemmung der Oder hat das
Wasser ja an der einen Stelle den Damm durchbrochen, um auszutreten, und
sodann unterhalb den Damm nochmals zerrissen, um in den Strom zurück zu
können. Weder ist aber das Hochwasser immer so verständig, noch liegen überall
die Höhenlagen so günstig, daß das Wasser in den Fluß wieder zurück kann.

Jedenfalls wird man nur dadurch, daß mau Notstandsgelder einsammelt,
die Überschwemmungsgefahren nicht beseitigen und die Deichverhältnisse nicht
verbessern, im.Gegenteil eher verschlechtern. Denn solche Gelder tragen mit
dazu bei, daß die Niederungsbewohner die gefährliche Niederung nicht verlassen
und sich mit ihren Wohnstätten nicht auf die natürlichen Anhöhen zurückziehn.
Je eher das geschieht, um so vorteilhafter ist es für die Wasserwirtschaft und
die Niederungsbewohner selbst. Hoffentlich bewirkt das Hochwasser des vorigen
Sommers, das so plötzlich und so gewaltig eintrat, daß endlich unsre Deich¬
wirtschaft geändert wird. Diese Änderung kann nur darin bestehn, daß man
das Hochwasser künstlich und unschädlich in das eingedeichte Land zur Be¬
fruchtung und Düngung hineinläßt, daß man die Wohnstätten allmählich aus
der eingedeichten Niederung auf die nahe Anhöhe verlegt, daß man keinen Acker¬
bau mehr in der Niederung treibt, die von Natur zur nutzbringenden Graswirt¬
schaft bestimmt ist, daß man mit einem Worte dem Flusse das Land freiwillig
zurückgibt, das ihm gehört.


Georg Baumert


Rußland und (Lhina bis zum vertrage von Nertschinsk
von Georg Henning (Schluß)

>n den folgenden Jahren trat keine Veränderung in dem Ver¬
hältnis der beiden Nachbarländer ein; es war nach wie vor ein
nnunterbrochner Grenzkrieg; irgend ein entscheidender Erfolg
wurde auf keiner Seite errungen. Die Russen bauten 1666
I Albasiu wieder auf, sie schickten 1672 und 1673 mehrere Bauern-
wlomen, die auch gut gediehen, ins Amurland und trieben nach wie vor
den Zobeltribut ein. Dabei kamen einige besonders auffallende Übergriffe
vor, sodaß man in Moskau eine größere kriegerische Aktion Chinas befürchtete.
Man ordnete deshalb einen außerordentlichen Gesandten nach Peking ab.
einen Griechen. Nikolaus Spafari. den Interpreten in der Gesandtschaftskanzlei.
Er reffte als erster von Moskau über Nertschinsk und Tsitsikar nach Peking,
1675 bis 1677. Wenn man zu Moskau gehofft hatte, durch diese Gesamte-


Rußland und China bis zum Vertrage von Nertschinsk

die Hochwassergefahr sehr stark zu vermindern, denn es kann dann ein Deich¬
bruch immer nur bis zum nächsten untern Querdamm schädlich wirken, während
sich jetzt ein Deichbruch meilenweit bemerkbar zu machen Pflegt, und es jetzt,
um größern Schaden abzuwenden, notwendig wird, den Deich auch unterhalb
zu öffnen, damit das Wasser an geeigneter Stelle seinen Lauf in den Fluß
zurück nehmen kann. Bei der vorjährigen Überschwemmung der Oder hat das
Wasser ja an der einen Stelle den Damm durchbrochen, um auszutreten, und
sodann unterhalb den Damm nochmals zerrissen, um in den Strom zurück zu
können. Weder ist aber das Hochwasser immer so verständig, noch liegen überall
die Höhenlagen so günstig, daß das Wasser in den Fluß wieder zurück kann.

Jedenfalls wird man nur dadurch, daß mau Notstandsgelder einsammelt,
die Überschwemmungsgefahren nicht beseitigen und die Deichverhältnisse nicht
verbessern, im.Gegenteil eher verschlechtern. Denn solche Gelder tragen mit
dazu bei, daß die Niederungsbewohner die gefährliche Niederung nicht verlassen
und sich mit ihren Wohnstätten nicht auf die natürlichen Anhöhen zurückziehn.
Je eher das geschieht, um so vorteilhafter ist es für die Wasserwirtschaft und
die Niederungsbewohner selbst. Hoffentlich bewirkt das Hochwasser des vorigen
Sommers, das so plötzlich und so gewaltig eintrat, daß endlich unsre Deich¬
wirtschaft geändert wird. Diese Änderung kann nur darin bestehn, daß man
das Hochwasser künstlich und unschädlich in das eingedeichte Land zur Be¬
fruchtung und Düngung hineinläßt, daß man die Wohnstätten allmählich aus
der eingedeichten Niederung auf die nahe Anhöhe verlegt, daß man keinen Acker¬
bau mehr in der Niederung treibt, die von Natur zur nutzbringenden Graswirt¬
schaft bestimmt ist, daß man mit einem Worte dem Flusse das Land freiwillig
zurückgibt, das ihm gehört.


Georg Baumert


Rußland und (Lhina bis zum vertrage von Nertschinsk
von Georg Henning (Schluß)

>n den folgenden Jahren trat keine Veränderung in dem Ver¬
hältnis der beiden Nachbarländer ein; es war nach wie vor ein
nnunterbrochner Grenzkrieg; irgend ein entscheidender Erfolg
wurde auf keiner Seite errungen. Die Russen bauten 1666
I Albasiu wieder auf, sie schickten 1672 und 1673 mehrere Bauern-
wlomen, die auch gut gediehen, ins Amurland und trieben nach wie vor
den Zobeltribut ein. Dabei kamen einige besonders auffallende Übergriffe
vor, sodaß man in Moskau eine größere kriegerische Aktion Chinas befürchtete.
Man ordnete deshalb einen außerordentlichen Gesandten nach Peking ab.
einen Griechen. Nikolaus Spafari. den Interpreten in der Gesandtschaftskanzlei.
Er reffte als erster von Moskau über Nertschinsk und Tsitsikar nach Peking,
1675 bis 1677. Wenn man zu Moskau gehofft hatte, durch diese Gesamte-


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[0511] Rußland und China bis zum Vertrage von Nertschinsk die Hochwassergefahr sehr stark zu vermindern, denn es kann dann ein Deich¬ bruch immer nur bis zum nächsten untern Querdamm schädlich wirken, während sich jetzt ein Deichbruch meilenweit bemerkbar zu machen Pflegt, und es jetzt, um größern Schaden abzuwenden, notwendig wird, den Deich auch unterhalb zu öffnen, damit das Wasser an geeigneter Stelle seinen Lauf in den Fluß zurück nehmen kann. Bei der vorjährigen Überschwemmung der Oder hat das Wasser ja an der einen Stelle den Damm durchbrochen, um auszutreten, und sodann unterhalb den Damm nochmals zerrissen, um in den Strom zurück zu können. Weder ist aber das Hochwasser immer so verständig, noch liegen überall die Höhenlagen so günstig, daß das Wasser in den Fluß wieder zurück kann. Jedenfalls wird man nur dadurch, daß mau Notstandsgelder einsammelt, die Überschwemmungsgefahren nicht beseitigen und die Deichverhältnisse nicht verbessern, im.Gegenteil eher verschlechtern. Denn solche Gelder tragen mit dazu bei, daß die Niederungsbewohner die gefährliche Niederung nicht verlassen und sich mit ihren Wohnstätten nicht auf die natürlichen Anhöhen zurückziehn. Je eher das geschieht, um so vorteilhafter ist es für die Wasserwirtschaft und die Niederungsbewohner selbst. Hoffentlich bewirkt das Hochwasser des vorigen Sommers, das so plötzlich und so gewaltig eintrat, daß endlich unsre Deich¬ wirtschaft geändert wird. Diese Änderung kann nur darin bestehn, daß man das Hochwasser künstlich und unschädlich in das eingedeichte Land zur Be¬ fruchtung und Düngung hineinläßt, daß man die Wohnstätten allmählich aus der eingedeichten Niederung auf die nahe Anhöhe verlegt, daß man keinen Acker¬ bau mehr in der Niederung treibt, die von Natur zur nutzbringenden Graswirt¬ schaft bestimmt ist, daß man mit einem Worte dem Flusse das Land freiwillig zurückgibt, das ihm gehört. Georg Baumert Rußland und (Lhina bis zum vertrage von Nertschinsk von Georg Henning (Schluß) >n den folgenden Jahren trat keine Veränderung in dem Ver¬ hältnis der beiden Nachbarländer ein; es war nach wie vor ein nnunterbrochner Grenzkrieg; irgend ein entscheidender Erfolg wurde auf keiner Seite errungen. Die Russen bauten 1666 I Albasiu wieder auf, sie schickten 1672 und 1673 mehrere Bauern- wlomen, die auch gut gediehen, ins Amurland und trieben nach wie vor den Zobeltribut ein. Dabei kamen einige besonders auffallende Übergriffe vor, sodaß man in Moskau eine größere kriegerische Aktion Chinas befürchtete. Man ordnete deshalb einen außerordentlichen Gesandten nach Peking ab. einen Griechen. Nikolaus Spafari. den Interpreten in der Gesandtschaftskanzlei. Er reffte als erster von Moskau über Nertschinsk und Tsitsikar nach Peking, 1675 bis 1677. Wenn man zu Moskau gehofft hatte, durch diese Gesamte-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/511>, abgerufen am 29.06.2024.