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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Klabunkerstraße
Lharlotte Niese Roman von
(Fortsetzung)
13

in Garten des Dovenhofs rauschten die Bäume, und die Blumen
dufteten. Dazu sang ein Vogel leis und süß. Immer denselben
Sang, wie ein Lied, das nur eine Strophe hat.

Ich liebe dich; ich liebe dich! sagte Alois Heiuemann zu Melitta.

!Er stand vor ihr; zitternd, atemlos wie jemand, der eine große
I heilige Offenbarung empfangen hat, und dem die Welt von nun an
voll süßer Schauer ist.

Ich liebe dich! wiederholte er und wagte, sich neben sie zu setzen. Hast du
es nicht gemerkt, weißt dn es nicht?

Lächelnd sah sie in sein Gesicht, in feine schwärmerischen Augen.

Du bist ein lieber Narr!

Er seufzte tief auf.

Du hast Recht. Ich bin ein Narr. Aber die Liebe macht närrisch. Seit ich
dich gesehen habe, habe ich nicht mehr schlafen, nicht mehr essen können; zehnmal
habe ich dich gemalt; wohin ich sah, warst du, was ich dachte, warst du. Ich
schäme mich; aber die Narrheit verschwindet darum doch nicht. Ich bin dein;
willst du nicht mein sein?

Sie lächelte wieder. Stolz, siegesgewohnt und doch ein wenig gerührt.

Wir sind beide arm, Alois. Was soll die Liebe zwischen uns?

Arm? Er machte große Augen. Wir sind reich; wir haben die Liebe; und
dann meine Arbeit!

Er stand Plötzlich auf und reckte die Arme auseinander.

Wenn du mich liebst, bin ich reich, Melitta! Ich will groß und berühmt
werden deinetwegen; ich werde alles erringen; nur gib mir deine Liebe!

Melitta sah mit schwimmenden Augen und ihrem gefährlichsten Lächeln zu
ihm auf. Sei nicht sentimental, mein lieber Narr, sagte sie leise; sprich nicht so
große Worte. Wir sind arme Schacher, und die Liebe ist für nus mir ein schöner
Wahn; aber -- sie sagte nichts weiter, denn ihr Kopf war auf der Brust des
Malers gebettet, und seine Lippen berührten die ihren. Mit scheuer, ehrerbietiger
und doch heißer Inbrunst. War das wirklich die Liebe? Melitta schloß die Auaen
und ließ sich küssen.

Im Gartenzimmer saß Asta und erzählte Jetta und Irmgard Geschichten.
Von einem Wolffenradt, der vor vielen Jahrhunderten gelebt hatte und im Morgen¬
lande gefallen war. Jetta hörte zu; Irmgard aber schlief sanft ein. Wie es sich
für ihre drei Jahre gebührte, die uoch nichts wissen von Ahnenstolz und Freude
an dem, was vor vielen Jahren geschehen war. Jellas Augen dagegen hingen
gespannt am Munde der Tante.

Wie viel Türken hat der Onkel totgeschlagen?

Es war kein Onkel, berichtete Asta. Ein Ahne; einer von den Ururgroß-
vätern.

Ich kenne bloß Onkels! erklärte Jetta; Onkel Heinemanu und Onkel Schlüter.
Onkel Louis ist hier; aber Onkel Schlüter verkauft Milch in der Klabunkerstraße.




Die Klabunkerstraße
Lharlotte Niese Roman von
(Fortsetzung)
13

in Garten des Dovenhofs rauschten die Bäume, und die Blumen
dufteten. Dazu sang ein Vogel leis und süß. Immer denselben
Sang, wie ein Lied, das nur eine Strophe hat.

Ich liebe dich; ich liebe dich! sagte Alois Heiuemann zu Melitta.

!Er stand vor ihr; zitternd, atemlos wie jemand, der eine große
I heilige Offenbarung empfangen hat, und dem die Welt von nun an
voll süßer Schauer ist.

Ich liebe dich! wiederholte er und wagte, sich neben sie zu setzen. Hast du
es nicht gemerkt, weißt dn es nicht?

Lächelnd sah sie in sein Gesicht, in feine schwärmerischen Augen.

Du bist ein lieber Narr!

Er seufzte tief auf.

Du hast Recht. Ich bin ein Narr. Aber die Liebe macht närrisch. Seit ich
dich gesehen habe, habe ich nicht mehr schlafen, nicht mehr essen können; zehnmal
habe ich dich gemalt; wohin ich sah, warst du, was ich dachte, warst du. Ich
schäme mich; aber die Narrheit verschwindet darum doch nicht. Ich bin dein;
willst du nicht mein sein?

Sie lächelte wieder. Stolz, siegesgewohnt und doch ein wenig gerührt.

Wir sind beide arm, Alois. Was soll die Liebe zwischen uns?

Arm? Er machte große Augen. Wir sind reich; wir haben die Liebe; und
dann meine Arbeit!

Er stand Plötzlich auf und reckte die Arme auseinander.

Wenn du mich liebst, bin ich reich, Melitta! Ich will groß und berühmt
werden deinetwegen; ich werde alles erringen; nur gib mir deine Liebe!

Melitta sah mit schwimmenden Augen und ihrem gefährlichsten Lächeln zu
ihm auf. Sei nicht sentimental, mein lieber Narr, sagte sie leise; sprich nicht so
große Worte. Wir sind arme Schacher, und die Liebe ist für nus mir ein schöner
Wahn; aber — sie sagte nichts weiter, denn ihr Kopf war auf der Brust des
Malers gebettet, und seine Lippen berührten die ihren. Mit scheuer, ehrerbietiger
und doch heißer Inbrunst. War das wirklich die Liebe? Melitta schloß die Auaen
und ließ sich küssen.

Im Gartenzimmer saß Asta und erzählte Jetta und Irmgard Geschichten.
Von einem Wolffenradt, der vor vielen Jahrhunderten gelebt hatte und im Morgen¬
lande gefallen war. Jetta hörte zu; Irmgard aber schlief sanft ein. Wie es sich
für ihre drei Jahre gebührte, die uoch nichts wissen von Ahnenstolz und Freude
an dem, was vor vielen Jahren geschehen war. Jellas Augen dagegen hingen
gespannt am Munde der Tante.

Wie viel Türken hat der Onkel totgeschlagen?

Es war kein Onkel, berichtete Asta. Ein Ahne; einer von den Ururgroß-
vätern.

Ich kenne bloß Onkels! erklärte Jetta; Onkel Heinemanu und Onkel Schlüter.
Onkel Louis ist hier; aber Onkel Schlüter verkauft Milch in der Klabunkerstraße.


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[0487] [Abbildung] Die Klabunkerstraße Lharlotte Niese Roman von (Fortsetzung) 13 in Garten des Dovenhofs rauschten die Bäume, und die Blumen dufteten. Dazu sang ein Vogel leis und süß. Immer denselben Sang, wie ein Lied, das nur eine Strophe hat. Ich liebe dich; ich liebe dich! sagte Alois Heiuemann zu Melitta. !Er stand vor ihr; zitternd, atemlos wie jemand, der eine große I heilige Offenbarung empfangen hat, und dem die Welt von nun an voll süßer Schauer ist. Ich liebe dich! wiederholte er und wagte, sich neben sie zu setzen. Hast du es nicht gemerkt, weißt dn es nicht? Lächelnd sah sie in sein Gesicht, in feine schwärmerischen Augen. Du bist ein lieber Narr! Er seufzte tief auf. Du hast Recht. Ich bin ein Narr. Aber die Liebe macht närrisch. Seit ich dich gesehen habe, habe ich nicht mehr schlafen, nicht mehr essen können; zehnmal habe ich dich gemalt; wohin ich sah, warst du, was ich dachte, warst du. Ich schäme mich; aber die Narrheit verschwindet darum doch nicht. Ich bin dein; willst du nicht mein sein? Sie lächelte wieder. Stolz, siegesgewohnt und doch ein wenig gerührt. Wir sind beide arm, Alois. Was soll die Liebe zwischen uns? Arm? Er machte große Augen. Wir sind reich; wir haben die Liebe; und dann meine Arbeit! Er stand Plötzlich auf und reckte die Arme auseinander. Wenn du mich liebst, bin ich reich, Melitta! Ich will groß und berühmt werden deinetwegen; ich werde alles erringen; nur gib mir deine Liebe! Melitta sah mit schwimmenden Augen und ihrem gefährlichsten Lächeln zu ihm auf. Sei nicht sentimental, mein lieber Narr, sagte sie leise; sprich nicht so große Worte. Wir sind arme Schacher, und die Liebe ist für nus mir ein schöner Wahn; aber — sie sagte nichts weiter, denn ihr Kopf war auf der Brust des Malers gebettet, und seine Lippen berührten die ihren. Mit scheuer, ehrerbietiger und doch heißer Inbrunst. War das wirklich die Liebe? Melitta schloß die Auaen und ließ sich küssen. Im Gartenzimmer saß Asta und erzählte Jetta und Irmgard Geschichten. Von einem Wolffenradt, der vor vielen Jahrhunderten gelebt hatte und im Morgen¬ lande gefallen war. Jetta hörte zu; Irmgard aber schlief sanft ein. Wie es sich für ihre drei Jahre gebührte, die uoch nichts wissen von Ahnenstolz und Freude an dem, was vor vielen Jahren geschehen war. Jellas Augen dagegen hingen gespannt am Munde der Tante. Wie viel Türken hat der Onkel totgeschlagen? Es war kein Onkel, berichtete Asta. Ein Ahne; einer von den Ururgroß- vätern. Ich kenne bloß Onkels! erklärte Jetta; Onkel Heinemanu und Onkel Schlüter. Onkel Louis ist hier; aber Onkel Schlüter verkauft Milch in der Klabunkerstraße.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/487>, abgerufen am 29.06.2024.