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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Athene Porre und die ^outss AÄusillÄ"

was ihres Amtes ist. Das aber ist, die Volksgesetze richtig zu lesen und ihnen
dann von Amts wegen, möchten auch noch so viel Parlamentsschreier darüber
aus ihrem Konstitutionshäuschen geraten, rücksichtslos Geltung zu verschaffen.

Beim Polenrummel gibt es kein Leisetreten und kein Achselzucken mehr.
Da heißt es jetzt zuvörderst: Wohlan, Regierung, voran, nie Iilioär>8, nie falls !




Athene porne und die Fontes Newsinae

>in Königsplatze zu München sprudelt der Quell Melusinens.
Weißblau und schwarzgelb weht es vor dem Ausstellungsgebäude
von hohen Masten. Moritz von Schwinds Gestalten grüßen in dem
griechischen Tempel von den Wänden und sichren den Beschauer
! in ferne Jugendtage zu der märchenerzählenden Mutter zurück.

Der Meister grüßt uns selbst. Ein bißchen schalkhaft sieht er drein, fast
möchte man glauben, ein Becher edeln Weines habe ihm die Wangen leicht
gerötet. Der Mann hatte gar nichts Muckerisches an sich. Daß trotzdem seine
Kunst den Muckern so wohl gefällt, wenigstens den Muckern der Grenzboten!

Wenn er heute lebte -- er wäre wahrscheinlich Mitglied des Goethebundes
und hätte den Künstlern des "Simplicissimus" und der "Jugend" die Be¬
wunderung gezollt, die kein Verständiger ihrer Kunst versagt. Vielleicht im
Stile von Thomas. Künstler sind weich, werden durch Geist und Kunst leicht
bestochen und verzeihen gern, auch wenn sie nicht in der Schule des Lasters
alles verstehn gelernt haben. Er Hütte es vielleicht gar nicht bemerkt, wie sich
von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Lebenslust der Großstadtjugend verschlechtert
hat. Er wäre ja sicher kein Schnüffler!

Doch so, als ob er seine eignen Jungen an einem Fenster, hinter dem
die pornographischen Erzeugnisse unsrer Tage neben Eiern und Kuchen prangen,
ruhig die Nasen platt drücken oder mit Kameraden wegen des "Hineingehens"
und Kaufens parlamentieren ließe, so sieht der Mann nicht aus.

Und wenn er in diesen Tagen wiederkäme, die Straßen Münchens durch¬
wanderte und im Vorübergehn an den vielen Stätten, wo nur Erzeugnisse der
Presse oder neben buntem Gifte Griffel und Abziehbilder, Milch und Kuchen
verkauft werden, suchend den Blick über die heitern Ladenbilder schweifen ließe,
ob es ihn dann nicht widerlich berührte, wenn er auf einem hübschen Titel¬
blatte der "Jugend" sein eignes Bild, von seinem Rübezahl und seinem ge¬
stiefelten Kater getragen, fände, ringsum aber -- 1.6 ?avoriUQÄ, das "Album,"
das "Kleine Witzblatt," die "Auster," den "Simplicissimus"? Und ob ihm
nicht beim Durchblättern der seinem Andenken gewidmeten Nummer der "Jugend"
die Freude an der seiner Kunst und seiner Person entgegengebrachten Pietät
verdorben würde durch den Jnseratenschmutz, der auch in diese Nummer gekehrt
worden ist, und durch die Athene Porre, die als "Kunst" den "Ritter Sabatier
von Oggersheim" dadurch erbost, daß sie sein nach dem Vorbilde des heiligen
Martinus angebotnes Mantelopfer verschmäht?


Athene Porre und die ^outss AÄusillÄ»

was ihres Amtes ist. Das aber ist, die Volksgesetze richtig zu lesen und ihnen
dann von Amts wegen, möchten auch noch so viel Parlamentsschreier darüber
aus ihrem Konstitutionshäuschen geraten, rücksichtslos Geltung zu verschaffen.

Beim Polenrummel gibt es kein Leisetreten und kein Achselzucken mehr.
Da heißt es jetzt zuvörderst: Wohlan, Regierung, voran, nie Iilioär>8, nie falls !




Athene porne und die Fontes Newsinae

>in Königsplatze zu München sprudelt der Quell Melusinens.
Weißblau und schwarzgelb weht es vor dem Ausstellungsgebäude
von hohen Masten. Moritz von Schwinds Gestalten grüßen in dem
griechischen Tempel von den Wänden und sichren den Beschauer
! in ferne Jugendtage zu der märchenerzählenden Mutter zurück.

Der Meister grüßt uns selbst. Ein bißchen schalkhaft sieht er drein, fast
möchte man glauben, ein Becher edeln Weines habe ihm die Wangen leicht
gerötet. Der Mann hatte gar nichts Muckerisches an sich. Daß trotzdem seine
Kunst den Muckern so wohl gefällt, wenigstens den Muckern der Grenzboten!

Wenn er heute lebte — er wäre wahrscheinlich Mitglied des Goethebundes
und hätte den Künstlern des „Simplicissimus" und der „Jugend" die Be¬
wunderung gezollt, die kein Verständiger ihrer Kunst versagt. Vielleicht im
Stile von Thomas. Künstler sind weich, werden durch Geist und Kunst leicht
bestochen und verzeihen gern, auch wenn sie nicht in der Schule des Lasters
alles verstehn gelernt haben. Er Hütte es vielleicht gar nicht bemerkt, wie sich
von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Lebenslust der Großstadtjugend verschlechtert
hat. Er wäre ja sicher kein Schnüffler!

Doch so, als ob er seine eignen Jungen an einem Fenster, hinter dem
die pornographischen Erzeugnisse unsrer Tage neben Eiern und Kuchen prangen,
ruhig die Nasen platt drücken oder mit Kameraden wegen des „Hineingehens"
und Kaufens parlamentieren ließe, so sieht der Mann nicht aus.

Und wenn er in diesen Tagen wiederkäme, die Straßen Münchens durch¬
wanderte und im Vorübergehn an den vielen Stätten, wo nur Erzeugnisse der
Presse oder neben buntem Gifte Griffel und Abziehbilder, Milch und Kuchen
verkauft werden, suchend den Blick über die heitern Ladenbilder schweifen ließe,
ob es ihn dann nicht widerlich berührte, wenn er auf einem hübschen Titel¬
blatte der „Jugend" sein eignes Bild, von seinem Rübezahl und seinem ge¬
stiefelten Kater getragen, fände, ringsum aber — 1.6 ?avoriUQÄ, das „Album,"
das „Kleine Witzblatt," die „Auster," den „Simplicissimus"? Und ob ihm
nicht beim Durchblättern der seinem Andenken gewidmeten Nummer der „Jugend"
die Freude an der seiner Kunst und seiner Person entgegengebrachten Pietät
verdorben würde durch den Jnseratenschmutz, der auch in diese Nummer gekehrt
worden ist, und durch die Athene Porre, die als „Kunst" den „Ritter Sabatier
von Oggersheim" dadurch erbost, daß sie sein nach dem Vorbilde des heiligen
Martinus angebotnes Mantelopfer verschmäht?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/356>, abgerufen am 29.06.2024.