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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Das deutsche Gffizierkorps und das deutsche Volk

alten Eigenschaften mehr die schlechten, die Nörgelsucht und die doktrinäre
Rechthaberei, als die guten, oft gerühmten, Treue, Ehrlichkeit, Bescheidenheit
zu bewahren droht. Auch die Kunst der "Modernen" ist wenig geeignet, über
das Grau der Alltäglichkeit emporzuheben, dem, sie will das ja gar nicht
mehr, sie versinkt selbst in dieses Grau, und das läuft schließlich doch im
großen und ganze", trotz alles Selbstlobes, auf eine Barbarisicrung des
Geschmacks hinaus.

Haben die, denen es Ernst ist mit dem Adel unsers Volkstums und
unsrer Kultur, weil sie an einen höhern Zweck des Lebens glauben, heute
wirklich nichts Besseres zu tun, als den kirchlichen Zwiespalt uoch weiter auf¬
zureißen und die Gegenpartei zu verketzern? Es wäre doch wahrhaftig ihr
gemeinsames Interesse, der zunehmenden Brutalisieruug und Materialisierung
unsrer Kultur nach Kräften entgegenzuarbeiten. Wir müssen wieder zurück
zu dem Standpunkte der Aufklärungszeit, also unsrer klassischen Literatur, nnr
nicht ini Sinne der Gleichgültigkeit gegen die Konfessionen, sondern in dem
Sinne eines vertieften historischen Verständnisses ihrer Entstehung und ihrer
innern Berechtigung, und dazu sind eben wir Deutschen als das einzige pari¬
" tätische Kulturvolk der Welt vor andern berufen.




Das deutsche Offizierkorps und das deutsche Oolk

>icht als ob das zweierlei Art wäre. Das deutsche Offizierkorps
ist ein Teil, ja ein integrierender und erlesener Teil unsers
Volkes, ist von seinem Fleisch und Blut, es ist durch die Jahr¬
hunderte hindurch unser Kleinod, unser Stolz gewesen. Vom
I alten Derfflinger bis zu Moltke und Goeben, welche lange Reihe
der berühmtesten und populärsten Namen! Auch dem gewöhnlichen Manne, der
von den Größen der Wissenschaft, der Dichtung und der Kunst nichts wußte
und nichts weiß, ist jener Namen lange Kette geläufig: die Derfflinger, Zielen
und Seydlitz, Schill und Scharnhorst, Blücher und Gneisenau, Uort und
Bülow; viele viele andre vor ihnen, mit ihnen und nach ihnen. Der alte
Wrangel, der noch heute, ein Menschenalter nach seinein Tode, in unzähligen
Anekdoten im Volksmunde lebt als ein mutiger, entschlossener, charaktervoller
Führer; hinter ihm die ruhmvollen Generale Kaiser Wilhelms, deren Namen
durch Europa geklungen sind: außer Moltke und Blumenthal die Goeben,
Falckenstein, Frcmsecky und Steinmetz, der tapfere Kirchbach, der schweigsame
Held von Mars la Tour Konstantin Alvensleben, Voigts-Rheetz, Manstein,
Edwin Manteuffel, Roon, Bose, Gersdorff, Schachtmeyer und noch so mancher,
von den Süddeutschen Hartmann und von der Tann. Fast alle diese Männer
und viele hier ungenannte siud aus den bescheidensten Anfängen hervorgegangen,
in langer Friedenszeit sehr langsam aufwärts gestiegen. Von den im Felde
kommandierender Generalen des Siebziger Krieges reichten nur die Erinnerungen


Das deutsche Gffizierkorps und das deutsche Volk

alten Eigenschaften mehr die schlechten, die Nörgelsucht und die doktrinäre
Rechthaberei, als die guten, oft gerühmten, Treue, Ehrlichkeit, Bescheidenheit
zu bewahren droht. Auch die Kunst der „Modernen" ist wenig geeignet, über
das Grau der Alltäglichkeit emporzuheben, dem, sie will das ja gar nicht
mehr, sie versinkt selbst in dieses Grau, und das läuft schließlich doch im
großen und ganze», trotz alles Selbstlobes, auf eine Barbarisicrung des
Geschmacks hinaus.

Haben die, denen es Ernst ist mit dem Adel unsers Volkstums und
unsrer Kultur, weil sie an einen höhern Zweck des Lebens glauben, heute
wirklich nichts Besseres zu tun, als den kirchlichen Zwiespalt uoch weiter auf¬
zureißen und die Gegenpartei zu verketzern? Es wäre doch wahrhaftig ihr
gemeinsames Interesse, der zunehmenden Brutalisieruug und Materialisierung
unsrer Kultur nach Kräften entgegenzuarbeiten. Wir müssen wieder zurück
zu dem Standpunkte der Aufklärungszeit, also unsrer klassischen Literatur, nnr
nicht ini Sinne der Gleichgültigkeit gegen die Konfessionen, sondern in dem
Sinne eines vertieften historischen Verständnisses ihrer Entstehung und ihrer
innern Berechtigung, und dazu sind eben wir Deutschen als das einzige pari¬
" tätische Kulturvolk der Welt vor andern berufen.




Das deutsche Offizierkorps und das deutsche Oolk

>icht als ob das zweierlei Art wäre. Das deutsche Offizierkorps
ist ein Teil, ja ein integrierender und erlesener Teil unsers
Volkes, ist von seinem Fleisch und Blut, es ist durch die Jahr¬
hunderte hindurch unser Kleinod, unser Stolz gewesen. Vom
I alten Derfflinger bis zu Moltke und Goeben, welche lange Reihe
der berühmtesten und populärsten Namen! Auch dem gewöhnlichen Manne, der
von den Größen der Wissenschaft, der Dichtung und der Kunst nichts wußte
und nichts weiß, ist jener Namen lange Kette geläufig: die Derfflinger, Zielen
und Seydlitz, Schill und Scharnhorst, Blücher und Gneisenau, Uort und
Bülow; viele viele andre vor ihnen, mit ihnen und nach ihnen. Der alte
Wrangel, der noch heute, ein Menschenalter nach seinein Tode, in unzähligen
Anekdoten im Volksmunde lebt als ein mutiger, entschlossener, charaktervoller
Führer; hinter ihm die ruhmvollen Generale Kaiser Wilhelms, deren Namen
durch Europa geklungen sind: außer Moltke und Blumenthal die Goeben,
Falckenstein, Frcmsecky und Steinmetz, der tapfere Kirchbach, der schweigsame
Held von Mars la Tour Konstantin Alvensleben, Voigts-Rheetz, Manstein,
Edwin Manteuffel, Roon, Bose, Gersdorff, Schachtmeyer und noch so mancher,
von den Süddeutschen Hartmann und von der Tann. Fast alle diese Männer
und viele hier ungenannte siud aus den bescheidensten Anfängen hervorgegangen,
in langer Friedenszeit sehr langsam aufwärts gestiegen. Von den im Felde
kommandierender Generalen des Siebziger Krieges reichten nur die Erinnerungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/16>, abgerufen am 29.06.2024.