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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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reformen wesentlich größer werden, ist kaum anzunehmen. Der Wegfall der
Überweisungen würde wett gemacht durch dieses Verschwinden der Matrikular-
beiträge. Die Erbschaftsteuer ist für das Reich uicht brauchbar. Das Terrain
der indirekten Steuern ist abgegrast, wenn auch die Zigarren -- deren Verbrauch
eingeschränkt werden sollte -- immer noch ein erkleckliches Sümmchen mehr als
heute abwerfen konnten. Das Kraut werden sie auf die Dauer nicht fett machen.

Eine Reichseinkommensteuer, die halbwegs reichliche und ohne Nachteil
bewegliche, dabei -- was wohl erwartet werden kann -- an sich wachsende
Ertrüge lieferte, wäre das Wünschenswerteste, und über kurz oder lang wird
Wohl auch das Partikularistische non xoWrurms als Vorurteil erkannt werden.
Können wir zu einer solchen Ncichseinkommcnsteuer nicht gelangen, dann werden
wir eben immer wieder zu Matrikularbeiträgen oder Zuschußanleihen zurück
kommen. Die Lex Stengel geht solchen Erwägungen jetzt freilich mit gutem
Grund aus dein Wege. Eine Reichseinkommensteuer ist bei der herrschenden
Strömung um einmal unmöglich.




Luther vor dem Inquisitor d.3.ör6dio3.6 xr3.vit3.dis

me Friedensstörung konnte man die Gründung des Evangelischen
Bundes nicht Wohl nennen, weil der Konfessionskrieg, die kurze
Periode der unpoleonischen Kriege abgerechnet, in Deutschland
niemals aufgehört hat. Trotzdem habe ich diese Vereinsstiftung
und die polemische Tätigkeit der Vereinsmitglieder immer lebhaft
bedauert, weil sie den Haß ans beiden Seiten schürt und die vernünftige Ent¬
wicklung um Jahrhunderte zurückzuschrauben bemüht ist. Hnndertfünfzig Jahre
^ es her. daß die protestantischen Dichter, Philosophen und Historiker unsers
Volks angefangen haben, die Überzeugung von der historischen und der ideellen
Berechtigung der Konfessionen zu verbreiten; vor 250 Jahren hat Not die feind-
^eben Brüder gezwungen, einander die politische Daseinsberechtigung zuzugestehn.
^er Evangelische Bund aber verweigert dem andern Teil beide Arten von Be¬
rechtigung- er nennt es schon römische Herrschaft in Deutschland, wenn die Katho-
,! en fordern, daß die Beschränkungen aufgehoben werden, denen ihre Religions-
" ung in Braunschweig, Mecklenburg und im Königreich Sachsen noch unterliegt.
. 'e Rückschläge konnte" nicht ausbleiben, und jetzt ist ein recht wuchtiger er-
Wlgt in Gestalt eines großen Werkes, das aus wissenschaftliche Bedeutung An¬
spruch macht: Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung quellenmäßig
^gestellt von Heinrich Denifle 0. I>. Erster Band (Main, Franz Kirch
Ma, 1904 ^1; XXX und 860 Seiten). Der Verfasser ist nach Kürschner
eneraldcfinitor des Dominikanerordens und Archivar des Heiligen Stuhles;
er hat eine Reihe kircheugeschichtlicher Arbeiten herausgegeben, deren wissen-
MMluher Wert, wie er selbst Seite 829 mitteilt, von Fr. Zarncke und andern
protestantischen Gelehrten anerkannt worden ist. Entrüstung über die Be-


reformen wesentlich größer werden, ist kaum anzunehmen. Der Wegfall der
Überweisungen würde wett gemacht durch dieses Verschwinden der Matrikular-
beiträge. Die Erbschaftsteuer ist für das Reich uicht brauchbar. Das Terrain
der indirekten Steuern ist abgegrast, wenn auch die Zigarren — deren Verbrauch
eingeschränkt werden sollte — immer noch ein erkleckliches Sümmchen mehr als
heute abwerfen konnten. Das Kraut werden sie auf die Dauer nicht fett machen.

Eine Reichseinkommensteuer, die halbwegs reichliche und ohne Nachteil
bewegliche, dabei — was wohl erwartet werden kann — an sich wachsende
Ertrüge lieferte, wäre das Wünschenswerteste, und über kurz oder lang wird
Wohl auch das Partikularistische non xoWrurms als Vorurteil erkannt werden.
Können wir zu einer solchen Ncichseinkommcnsteuer nicht gelangen, dann werden
wir eben immer wieder zu Matrikularbeiträgen oder Zuschußanleihen zurück
kommen. Die Lex Stengel geht solchen Erwägungen jetzt freilich mit gutem
Grund aus dein Wege. Eine Reichseinkommensteuer ist bei der herrschenden
Strömung um einmal unmöglich.




Luther vor dem Inquisitor d.3.ör6dio3.6 xr3.vit3.dis

me Friedensstörung konnte man die Gründung des Evangelischen
Bundes nicht Wohl nennen, weil der Konfessionskrieg, die kurze
Periode der unpoleonischen Kriege abgerechnet, in Deutschland
niemals aufgehört hat. Trotzdem habe ich diese Vereinsstiftung
und die polemische Tätigkeit der Vereinsmitglieder immer lebhaft
bedauert, weil sie den Haß ans beiden Seiten schürt und die vernünftige Ent¬
wicklung um Jahrhunderte zurückzuschrauben bemüht ist. Hnndertfünfzig Jahre
^ es her. daß die protestantischen Dichter, Philosophen und Historiker unsers
Volks angefangen haben, die Überzeugung von der historischen und der ideellen
Berechtigung der Konfessionen zu verbreiten; vor 250 Jahren hat Not die feind-
^eben Brüder gezwungen, einander die politische Daseinsberechtigung zuzugestehn.
^er Evangelische Bund aber verweigert dem andern Teil beide Arten von Be¬
rechtigung- er nennt es schon römische Herrschaft in Deutschland, wenn die Katho-
,! en fordern, daß die Beschränkungen aufgehoben werden, denen ihre Religions-
" ung in Braunschweig, Mecklenburg und im Königreich Sachsen noch unterliegt.
. 'e Rückschläge konnte» nicht ausbleiben, und jetzt ist ein recht wuchtiger er-
Wlgt in Gestalt eines großen Werkes, das aus wissenschaftliche Bedeutung An¬
spruch macht: Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung quellenmäßig
^gestellt von Heinrich Denifle 0. I>. Erster Band (Main, Franz Kirch
Ma, 1904 ^1; XXX und 860 Seiten). Der Verfasser ist nach Kürschner
eneraldcfinitor des Dominikanerordens und Archivar des Heiligen Stuhles;
er hat eine Reihe kircheugeschichtlicher Arbeiten herausgegeben, deren wissen-
MMluher Wert, wie er selbst Seite 829 mitteilt, von Fr. Zarncke und andern
protestantischen Gelehrten anerkannt worden ist. Entrüstung über die Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/769>, abgerufen am 29.06.2024.