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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Hafenbefestiguug der untern Elbe und der Ersatz einer Küstenbatterie an der
untern Weser zu verzeichnen/ Das Terrain der bisherigen Batterie (Brinkamerhvf I)
ist vom bremischen Staate für 500000 Mark angekauft worden. -- So zeigt sich
auf allen Gebieten der Mariueverwaltuug ein reges Leben, das u. a. sich auch in
der Zunahme der Marinegarnisonen und -Stützpunkte zu erkennen gibt. In der
Nordsee haben sich zu Wilhelmshaven noch Knxhcwen, Lebe und Geestemünde ge¬
sellt, mit der Zeit wird auch Emden dazu kommen; zu Kiel ist die Mieter Bucht,
Flensburg und Sonderburg hinzugetreten, Danzig erfahrt eine bedeutende Er¬
weiterung.

Der Voranschlag für 1904 gewährt somit vou neuem die erfreuliche Ge¬
wißheit, daß unser deutsches Kriegsseeweseu mit Umsicht und Voraussicht geleitet
wird. Die Finanzlage gebot auch der Marineverwaltung, sich auf das Notwen¬
digste des notwendigen zu beschränken, eine Zwangslage, der manche berechtigte
Wünsche haben weichen müssen. Eine Forderung für den Neubau des Ncichs-
marineamts, den der vorige Reichstag bekanntlich abgelehnt hat, ist nicht wieder
b I, eantragt worden



Ist Pius der Zehnte ein "politischer" Papst?

Wer sich unter einem
"politischen" Papst einen Mann nach der Weise Leos des Dreizehnter vorstellt, der
in dem Verhältnis des Zweibundes zum Dreibunde für den ersten Partei ergriff,
der den Polen aus diesem Grunde 1895 riet, ihr Schicksal zu tragen, der die
französischen Katholiken aufforderte, die Republik ehrlich anzuerkennen, und immer
als das letzte Ziel die Wiederherstellung des Kirchenstaats im Ange hatte, der darf
seinen Nachfolger nicht als "politischen" Papst bezeichnen. Wer freilich von einem
"religiösen" Papst verlangt, daß er sich nur um seine "religiösen" Pflichten kümmere
und nicht um "politische" Dinge, der verkennt das Wesen des Papsttums und der
katholischen Kirche, die es beide als ihre selbstverständliche Aufgabe betrachten, die
Laien in allem, was Religion und Sitte betrifft, zu leiten, die also einen gewissen
Einfluß auch auf die innerpolitischen Verhältnisse zu üben gar nicht unterlassen
können, und der vergißt, daß Joseph Sarto schon als Bischof und Patriarch diese
Aufgabe in sehr eingreifender Weise angefaßt hat, also der Welt gar keine Ver¬
anlassung gegeben hat, einen Verzicht auf diesen für ihn selbstverständlichen Einfluß
von ihm zu erwarten. Gegen eine solche Auffassung hat er ja um auch bei seinem
ersten Konsistorium nachdrücklich protestiert. Der einzige Punkt, der zweifelhaft
sein konnte, war sein Verhältnis zum Königreich Italien. Daß er sich auch in
dieser Beziehung vor seiner Wahl, wenn er sich in Mauern und Venedig freundlich
zu den königlichen Behörden und zum Hause Savoyen stellte, nicht präjudiziert hat,
ist klar, denn Venezien ist niemals päpstlicher Besitz gewesen und durch europäische
Verträge an das Königreich Italien gekommen. Nun hat er jetzt allen Zweifeln
'über seine Haltung ein Ende gemacht, indem er von einer "schweren Beleidigung
der Kirche" gesprochen hat, was sich nur ans den "Raub" des Kirchenstaats und
ähnliches beziehen kann. Grundsätzlich hat er sich damit also auf den Standpunkt
seiner Vorgänger gestellt, aber er hat das in der mildesten Form, ohne jede heraus¬
fordernde Schärfe getan. Es Wird also vorläufig bei dem für deutsche Logiker
und Prinzipienreiter freilich ganz unverständlichen Verhältnis zwischen Quirinal
und Vatikan bleiben, daß der eine die Existenz des italienischen Königtums in Rom
und der andre die politischen Ansprüche des Papsttums ignoriert, daß aber beide
sich praktisch ganz gut vertragen, daß königliche Truppen auf dem Petersplatz und
in der Peterskirche vorkommendenfalls die Ordnung aufrechterhalten, und das; die
römische Feuerwehr bereitwillig einen Brand im Vatikan löschen hilft. In diesem
sonderbaren Verhältnis ist der uralte Gegensatz zwischen dem weltlichen Papsttum
und der italienischen Nationcilidce zu der harmlosesten Formel abgeschwächt. Ob
und wann sich dieser Gegensatz einmal prinzipiell ausgleichen wird, wer will das
sagen? Parteien denken sich langsam um, und Kirchen noch unendlich viel lang-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Hafenbefestiguug der untern Elbe und der Ersatz einer Küstenbatterie an der
untern Weser zu verzeichnen/ Das Terrain der bisherigen Batterie (Brinkamerhvf I)
ist vom bremischen Staate für 500000 Mark angekauft worden. — So zeigt sich
auf allen Gebieten der Mariueverwaltuug ein reges Leben, das u. a. sich auch in
der Zunahme der Marinegarnisonen und -Stützpunkte zu erkennen gibt. In der
Nordsee haben sich zu Wilhelmshaven noch Knxhcwen, Lebe und Geestemünde ge¬
sellt, mit der Zeit wird auch Emden dazu kommen; zu Kiel ist die Mieter Bucht,
Flensburg und Sonderburg hinzugetreten, Danzig erfahrt eine bedeutende Er¬
weiterung.

Der Voranschlag für 1904 gewährt somit vou neuem die erfreuliche Ge¬
wißheit, daß unser deutsches Kriegsseeweseu mit Umsicht und Voraussicht geleitet
wird. Die Finanzlage gebot auch der Marineverwaltung, sich auf das Notwen¬
digste des notwendigen zu beschränken, eine Zwangslage, der manche berechtigte
Wünsche haben weichen müssen. Eine Forderung für den Neubau des Ncichs-
marineamts, den der vorige Reichstag bekanntlich abgelehnt hat, ist nicht wieder
b I, eantragt worden



Ist Pius der Zehnte ein „politischer" Papst?

Wer sich unter einem
„politischen" Papst einen Mann nach der Weise Leos des Dreizehnter vorstellt, der
in dem Verhältnis des Zweibundes zum Dreibunde für den ersten Partei ergriff,
der den Polen aus diesem Grunde 1895 riet, ihr Schicksal zu tragen, der die
französischen Katholiken aufforderte, die Republik ehrlich anzuerkennen, und immer
als das letzte Ziel die Wiederherstellung des Kirchenstaats im Ange hatte, der darf
seinen Nachfolger nicht als „politischen" Papst bezeichnen. Wer freilich von einem
„religiösen" Papst verlangt, daß er sich nur um seine „religiösen" Pflichten kümmere
und nicht um „politische" Dinge, der verkennt das Wesen des Papsttums und der
katholischen Kirche, die es beide als ihre selbstverständliche Aufgabe betrachten, die
Laien in allem, was Religion und Sitte betrifft, zu leiten, die also einen gewissen
Einfluß auch auf die innerpolitischen Verhältnisse zu üben gar nicht unterlassen
können, und der vergißt, daß Joseph Sarto schon als Bischof und Patriarch diese
Aufgabe in sehr eingreifender Weise angefaßt hat, also der Welt gar keine Ver¬
anlassung gegeben hat, einen Verzicht auf diesen für ihn selbstverständlichen Einfluß
von ihm zu erwarten. Gegen eine solche Auffassung hat er ja um auch bei seinem
ersten Konsistorium nachdrücklich protestiert. Der einzige Punkt, der zweifelhaft
sein konnte, war sein Verhältnis zum Königreich Italien. Daß er sich auch in
dieser Beziehung vor seiner Wahl, wenn er sich in Mauern und Venedig freundlich
zu den königlichen Behörden und zum Hause Savoyen stellte, nicht präjudiziert hat,
ist klar, denn Venezien ist niemals päpstlicher Besitz gewesen und durch europäische
Verträge an das Königreich Italien gekommen. Nun hat er jetzt allen Zweifeln
'über seine Haltung ein Ende gemacht, indem er von einer „schweren Beleidigung
der Kirche" gesprochen hat, was sich nur ans den „Raub" des Kirchenstaats und
ähnliches beziehen kann. Grundsätzlich hat er sich damit also auf den Standpunkt
seiner Vorgänger gestellt, aber er hat das in der mildesten Form, ohne jede heraus¬
fordernde Schärfe getan. Es Wird also vorläufig bei dem für deutsche Logiker
und Prinzipienreiter freilich ganz unverständlichen Verhältnis zwischen Quirinal
und Vatikan bleiben, daß der eine die Existenz des italienischen Königtums in Rom
und der andre die politischen Ansprüche des Papsttums ignoriert, daß aber beide
sich praktisch ganz gut vertragen, daß königliche Truppen auf dem Petersplatz und
in der Peterskirche vorkommendenfalls die Ordnung aufrechterhalten, und das; die
römische Feuerwehr bereitwillig einen Brand im Vatikan löschen hilft. In diesem
sonderbaren Verhältnis ist der uralte Gegensatz zwischen dem weltlichen Papsttum
und der italienischen Nationcilidce zu der harmlosesten Formel abgeschwächt. Ob
und wann sich dieser Gegensatz einmal prinzipiell ausgleichen wird, wer will das
sagen? Parteien denken sich langsam um, und Kirchen noch unendlich viel lang-


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[0676] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Hafenbefestiguug der untern Elbe und der Ersatz einer Küstenbatterie an der untern Weser zu verzeichnen/ Das Terrain der bisherigen Batterie (Brinkamerhvf I) ist vom bremischen Staate für 500000 Mark angekauft worden. — So zeigt sich auf allen Gebieten der Mariueverwaltuug ein reges Leben, das u. a. sich auch in der Zunahme der Marinegarnisonen und -Stützpunkte zu erkennen gibt. In der Nordsee haben sich zu Wilhelmshaven noch Knxhcwen, Lebe und Geestemünde ge¬ sellt, mit der Zeit wird auch Emden dazu kommen; zu Kiel ist die Mieter Bucht, Flensburg und Sonderburg hinzugetreten, Danzig erfahrt eine bedeutende Er¬ weiterung. Der Voranschlag für 1904 gewährt somit vou neuem die erfreuliche Ge¬ wißheit, daß unser deutsches Kriegsseeweseu mit Umsicht und Voraussicht geleitet wird. Die Finanzlage gebot auch der Marineverwaltung, sich auf das Notwen¬ digste des notwendigen zu beschränken, eine Zwangslage, der manche berechtigte Wünsche haben weichen müssen. Eine Forderung für den Neubau des Ncichs- marineamts, den der vorige Reichstag bekanntlich abgelehnt hat, ist nicht wieder b I, eantragt worden Ist Pius der Zehnte ein „politischer" Papst? Wer sich unter einem „politischen" Papst einen Mann nach der Weise Leos des Dreizehnter vorstellt, der in dem Verhältnis des Zweibundes zum Dreibunde für den ersten Partei ergriff, der den Polen aus diesem Grunde 1895 riet, ihr Schicksal zu tragen, der die französischen Katholiken aufforderte, die Republik ehrlich anzuerkennen, und immer als das letzte Ziel die Wiederherstellung des Kirchenstaats im Ange hatte, der darf seinen Nachfolger nicht als „politischen" Papst bezeichnen. Wer freilich von einem „religiösen" Papst verlangt, daß er sich nur um seine „religiösen" Pflichten kümmere und nicht um „politische" Dinge, der verkennt das Wesen des Papsttums und der katholischen Kirche, die es beide als ihre selbstverständliche Aufgabe betrachten, die Laien in allem, was Religion und Sitte betrifft, zu leiten, die also einen gewissen Einfluß auch auf die innerpolitischen Verhältnisse zu üben gar nicht unterlassen können, und der vergißt, daß Joseph Sarto schon als Bischof und Patriarch diese Aufgabe in sehr eingreifender Weise angefaßt hat, also der Welt gar keine Ver¬ anlassung gegeben hat, einen Verzicht auf diesen für ihn selbstverständlichen Einfluß von ihm zu erwarten. Gegen eine solche Auffassung hat er ja um auch bei seinem ersten Konsistorium nachdrücklich protestiert. Der einzige Punkt, der zweifelhaft sein konnte, war sein Verhältnis zum Königreich Italien. Daß er sich auch in dieser Beziehung vor seiner Wahl, wenn er sich in Mauern und Venedig freundlich zu den königlichen Behörden und zum Hause Savoyen stellte, nicht präjudiziert hat, ist klar, denn Venezien ist niemals päpstlicher Besitz gewesen und durch europäische Verträge an das Königreich Italien gekommen. Nun hat er jetzt allen Zweifeln 'über seine Haltung ein Ende gemacht, indem er von einer „schweren Beleidigung der Kirche" gesprochen hat, was sich nur ans den „Raub" des Kirchenstaats und ähnliches beziehen kann. Grundsätzlich hat er sich damit also auf den Standpunkt seiner Vorgänger gestellt, aber er hat das in der mildesten Form, ohne jede heraus¬ fordernde Schärfe getan. Es Wird also vorläufig bei dem für deutsche Logiker und Prinzipienreiter freilich ganz unverständlichen Verhältnis zwischen Quirinal und Vatikan bleiben, daß der eine die Existenz des italienischen Königtums in Rom und der andre die politischen Ansprüche des Papsttums ignoriert, daß aber beide sich praktisch ganz gut vertragen, daß königliche Truppen auf dem Petersplatz und in der Peterskirche vorkommendenfalls die Ordnung aufrechterhalten, und das; die römische Feuerwehr bereitwillig einen Brand im Vatikan löschen hilft. In diesem sonderbaren Verhältnis ist der uralte Gegensatz zwischen dem weltlichen Papsttum und der italienischen Nationcilidce zu der harmlosesten Formel abgeschwächt. Ob und wann sich dieser Gegensatz einmal prinzipiell ausgleichen wird, wer will das sagen? Parteien denken sich langsam um, und Kirchen noch unendlich viel lang-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/676>, abgerufen am 29.06.2024.