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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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5>le mittelitalienische Liga M9/M0
Veto Raeinmel von (Schluß)

aribaldi war niemals der Mann strenger militärischer Unter¬
ordnung und blieb auch im Waffenrock immer vor allem poli¬
tischer Agitator. Auch jetzt wollte er die Revolution weiter tragen
in die Marken und nach Umbrien hinein, wo er mancherlei Ver¬
bindungen hatte, und so der drohenden Reaktion die Wurzeln
abschneiden. Da sich unter den Truppen der Liga viele ähnlich gesinnte Elemente,
namentlich Leute aus den päpstlichen Marken und frühere Freiwillige Garibaldis
fanden, Mazzini unter ihnen agitierte, und Komitees die Emigranten namentlich
aus den Marken vorwärts trieben, so konnte es ihm leicht gelingen, sie auch
gegen den Willen der Regierungen mit sich fortzureißen. Stand doch auch
seine Division seit dem letzten Drittel des Septembers um Bologna und Fvrli,
also nicht weit von der päpstlichen Grenze. Der Obergeneral Fcmti war freilich
etwas andrer Ansicht. Das Heer müsse für den König da sein und nicht
für die Revolution, schrieb er am 3. September an Farini, und er war nicht
der Mann, Insubordinationen zu dulden. Nun unterhielt aber Garibaldi immer
unmittelbare Beziehungen zum König, der sehr geneigt war, zuweilen seine
ganz persönliche Politik über die Köpfe seiner wechselnden Minister hinweg zu
machen. Zu Anfang Oktober, als er den Vertrauten Garibaldis, Marchese
G. Trecchi, am 9. und 10. in Monza empfing, war er gerade in einer über¬
aus schwierigen Lage. Er persönlich, sagte er zu Treechi, sei einer Ernennung
des Prinzen von Carigncm zum Regenten von Mittelitalien sehr geneigt, aber
er habe doch erst nach Paris und London um Zustimmung telegraphiert. Da
erhielt er nun am 10. Oktober zwei Depeschen, die einander schnurstracks wider¬
spräche". Napoleon der Dritte erklärte die Ernennung des Prinzen für un¬
möglich und stellte nur die Erwerbung Parmas sür Piemont in Aussicht,
während Modena an die Herzogin Luise vou Parma fallen, und der Gro߬
herzog Leopold nach Toscana zurückkehren sollte. Dagegen empfahl die eng¬
lische Depesche die schnellste Ernennung des Prinzen und versprach zugleich,
daß England jede fremde Intervention in Italien verhindern und die Wünsche
des italienischen Volks auf dem Kongreß vertreten werde. Einen Entschluß gab
der König dem Marchese nicht zu erkennen, bemerkte aber auch nichts, als dieser
rund heraus erklärte, jede Restauration sei unmöglich.

Als Garibaldi diesen Bericht seines Vertrauten (vom 11. Oktober) erhielt,
glaubte er annehmen zu dürfe"?, daß dem König ein Einbruch und eine Erhebung
in den Marken ganz recht sei, da einer Reaktion dadurch neue Hindernisse bereitet
würden. So entschloß er sich und schickte am 12. Oktober an den Obersten




5>le mittelitalienische Liga M9/M0
Veto Raeinmel von (Schluß)

aribaldi war niemals der Mann strenger militärischer Unter¬
ordnung und blieb auch im Waffenrock immer vor allem poli¬
tischer Agitator. Auch jetzt wollte er die Revolution weiter tragen
in die Marken und nach Umbrien hinein, wo er mancherlei Ver¬
bindungen hatte, und so der drohenden Reaktion die Wurzeln
abschneiden. Da sich unter den Truppen der Liga viele ähnlich gesinnte Elemente,
namentlich Leute aus den päpstlichen Marken und frühere Freiwillige Garibaldis
fanden, Mazzini unter ihnen agitierte, und Komitees die Emigranten namentlich
aus den Marken vorwärts trieben, so konnte es ihm leicht gelingen, sie auch
gegen den Willen der Regierungen mit sich fortzureißen. Stand doch auch
seine Division seit dem letzten Drittel des Septembers um Bologna und Fvrli,
also nicht weit von der päpstlichen Grenze. Der Obergeneral Fcmti war freilich
etwas andrer Ansicht. Das Heer müsse für den König da sein und nicht
für die Revolution, schrieb er am 3. September an Farini, und er war nicht
der Mann, Insubordinationen zu dulden. Nun unterhielt aber Garibaldi immer
unmittelbare Beziehungen zum König, der sehr geneigt war, zuweilen seine
ganz persönliche Politik über die Köpfe seiner wechselnden Minister hinweg zu
machen. Zu Anfang Oktober, als er den Vertrauten Garibaldis, Marchese
G. Trecchi, am 9. und 10. in Monza empfing, war er gerade in einer über¬
aus schwierigen Lage. Er persönlich, sagte er zu Treechi, sei einer Ernennung
des Prinzen von Carigncm zum Regenten von Mittelitalien sehr geneigt, aber
er habe doch erst nach Paris und London um Zustimmung telegraphiert. Da
erhielt er nun am 10. Oktober zwei Depeschen, die einander schnurstracks wider¬
spräche». Napoleon der Dritte erklärte die Ernennung des Prinzen für un¬
möglich und stellte nur die Erwerbung Parmas sür Piemont in Aussicht,
während Modena an die Herzogin Luise vou Parma fallen, und der Gro߬
herzog Leopold nach Toscana zurückkehren sollte. Dagegen empfahl die eng¬
lische Depesche die schnellste Ernennung des Prinzen und versprach zugleich,
daß England jede fremde Intervention in Italien verhindern und die Wünsche
des italienischen Volks auf dem Kongreß vertreten werde. Einen Entschluß gab
der König dem Marchese nicht zu erkennen, bemerkte aber auch nichts, als dieser
rund heraus erklärte, jede Restauration sei unmöglich.

Als Garibaldi diesen Bericht seines Vertrauten (vom 11. Oktober) erhielt,
glaubte er annehmen zu dürfe«?, daß dem König ein Einbruch und eine Erhebung
in den Marken ganz recht sei, da einer Reaktion dadurch neue Hindernisse bereitet
würden. So entschloß er sich und schickte am 12. Oktober an den Obersten


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[0622] [Abbildung] 5>le mittelitalienische Liga M9/M0 Veto Raeinmel von (Schluß) aribaldi war niemals der Mann strenger militärischer Unter¬ ordnung und blieb auch im Waffenrock immer vor allem poli¬ tischer Agitator. Auch jetzt wollte er die Revolution weiter tragen in die Marken und nach Umbrien hinein, wo er mancherlei Ver¬ bindungen hatte, und so der drohenden Reaktion die Wurzeln abschneiden. Da sich unter den Truppen der Liga viele ähnlich gesinnte Elemente, namentlich Leute aus den päpstlichen Marken und frühere Freiwillige Garibaldis fanden, Mazzini unter ihnen agitierte, und Komitees die Emigranten namentlich aus den Marken vorwärts trieben, so konnte es ihm leicht gelingen, sie auch gegen den Willen der Regierungen mit sich fortzureißen. Stand doch auch seine Division seit dem letzten Drittel des Septembers um Bologna und Fvrli, also nicht weit von der päpstlichen Grenze. Der Obergeneral Fcmti war freilich etwas andrer Ansicht. Das Heer müsse für den König da sein und nicht für die Revolution, schrieb er am 3. September an Farini, und er war nicht der Mann, Insubordinationen zu dulden. Nun unterhielt aber Garibaldi immer unmittelbare Beziehungen zum König, der sehr geneigt war, zuweilen seine ganz persönliche Politik über die Köpfe seiner wechselnden Minister hinweg zu machen. Zu Anfang Oktober, als er den Vertrauten Garibaldis, Marchese G. Trecchi, am 9. und 10. in Monza empfing, war er gerade in einer über¬ aus schwierigen Lage. Er persönlich, sagte er zu Treechi, sei einer Ernennung des Prinzen von Carigncm zum Regenten von Mittelitalien sehr geneigt, aber er habe doch erst nach Paris und London um Zustimmung telegraphiert. Da erhielt er nun am 10. Oktober zwei Depeschen, die einander schnurstracks wider¬ spräche». Napoleon der Dritte erklärte die Ernennung des Prinzen für un¬ möglich und stellte nur die Erwerbung Parmas sür Piemont in Aussicht, während Modena an die Herzogin Luise vou Parma fallen, und der Gro߬ herzog Leopold nach Toscana zurückkehren sollte. Dagegen empfahl die eng¬ lische Depesche die schnellste Ernennung des Prinzen und versprach zugleich, daß England jede fremde Intervention in Italien verhindern und die Wünsche des italienischen Volks auf dem Kongreß vertreten werde. Einen Entschluß gab der König dem Marchese nicht zu erkennen, bemerkte aber auch nichts, als dieser rund heraus erklärte, jede Restauration sei unmöglich. Als Garibaldi diesen Bericht seines Vertrauten (vom 11. Oktober) erhielt, glaubte er annehmen zu dürfe«?, daß dem König ein Einbruch und eine Erhebung in den Marken ganz recht sei, da einer Reaktion dadurch neue Hindernisse bereitet würden. So entschloß er sich und schickte am 12. Oktober an den Obersten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/622>, abgerufen am 29.06.2024.