Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei Seelen

nach dem Fenster hin. Die Uhr hat den Vater geweckt, wäre die Mutter daheim,
sie hätte still stehn müssen. Jetzt ist sie gegangen die lange Nacht und hat alle
Stunden gerufen, eine nach der andern, auch die Stunde, in der der Sohn sein
Vaterhaus verlaßt, immer ein wenig zu spät. Du kommst nicht mehr zurecht.
Vater, er ist schon draußen, an den du denkst, und steht im Dunkel der Linde,
unter der du so gern sitzest. Ich höre, wie er schwer atmet und dann leise ruft:
Heinrich! und nun stärker noch einmal: Heinrich! Es klingt Angst aus diesem
Ruf heraus, als wüßte er schon, was sich begeben hat. Nun schließt er das Fenster
wieder und verriegelt es sorgfältig. Er hat sich beruhigt nud glaubt von einem
Traum aufgeschreckt zu sein. Bald wird er wieder in den Schlummer zurücksinken
und sachte schlafen bis zum Morgen, wo er dann sehen wird, daß ihn kein Traum
genarrt hat, und daß der Sohn wirklich gegangen ist.

Ich stehe noch immer wie angewurzelt auf derselben Stelle, wo ich seine
Stimme gehört habe. Zum letztenmal. Als ich ihn später wiedersah, war er
stumm vor Schmerz. Wenn doch der Schlaf, der ihn wieder umfing, kein Ende
gefunden hätte, es wäre gut gewesen, aber Unschuldige müssen leiden, wenn die
Schuldigen sündigen.


15

Da bin ich, sagte ich, und als wäre mir eine Lektion aufgegeben, die ich Wort
für Wort herzusagen hätte, fuhr ich fort: Die Anker sind gelichtet, nun hilf mir
aufs offne Meer hinaus.

Heinemann lächelte und war scheinbar hoch erfreut. Er begrüßte mich mit
einem Übermaß von Herzlichkeit und rief ein über das nudremal: Es ist gut,
daß du dich aufgerafft hast. Ausgezeichnet. Ich sehe, du hast Courage. Zweifel
waren mir schon gekommen, ich gesteh dirs, und ich habe den Kopf geschüttelt, als
ich dich im Feuer der Laurette verglühen sah. Du warst wie geistesabwesend,
Freund. Das war nicht gut. Mau muß kühl bleiben, bis ans Herz hinan. Und
daß ich dir es gleich rate, als Freund und Mensch: Nimm dich in acht. Man
spielt nicht mit demi Feiler, man kocht damit.

Und dann drückte er mir wieder die Hände und sagte: Ich freue mich, daß
du da bist. Nun machen wir uns wieder einen guten Tag.

Es lag etwas Verlegnes in seinem Tür, seinein Hin- und Herrennen, seinem
Hnudedrücken und seinem grundlosen Lachen, und wie ich ihn genauer betrachtete,
war es mir, als ob der Glanz, worin ich ihn das vorigcmäl gesehen hatte, um
einen Schein matter geworden wäre.

Um ganz offen zu sein, begann er wieder: Es wäre mir ganz recht, wenn
wir wieder so fröhlich zusammensitzen könnten. Aber die Konstellation ist gegen¬
wärtig anders, total verändert, sage ich dir. Wir befinden uns in der Ebbe. Die
Zeit war zu schön, wir haben sie nach Herzenslust genossen und liegen nun wieder
einmal krumm. Tut nichts, es kann schon morgen anders sein.

Darauf ließ sich nichts sagen. Man trifft die Meuscheu das einemal in
einer Feiertagsstimmung, das andremal mitten in ihren Sorgen. Den Feiertag
hatte ich genossen, so war der Werkeltag an der Reihe.

Heinemcmu brachte mich bei einem Meister meiner Zunft unter, einem gedrückten
Schneiderlein namens Leopold, der für einen Trödler Flickarbeiten verrichtete und
ihm die alten Kleider, mit denen er handelte, wieder anständig zurechtmachte.
Er war ein Mann von winziger Gestalt, schmalbrüstig, verwachsen und mit einem
Gesicht, aus dem jede Farbe gewichen war, ein blasses Schnttenwesen, das aber
eine erstaunliche Arbeitskraft batie. Den ganzen Tag vom ersten Morgengrauen
bis in die späte Nacht saß er in einem engen Raum und gönnte sich kaum die
Zeit zum Essen und zum Trinken. Wie Heinemann an die sanfte und schüchterne
Kreatur, die ihrem ganzen Trachten nach in eine gute und ordentliche Welt hinein-
gehörte, geraten war, war mir solange ein Rätsel, als ich die Hausfrau noch nicht
gesehen hatte. Diese war das Widerspiel ihres Mannes, hoch gebant, von strotzender


Zwei Seelen

nach dem Fenster hin. Die Uhr hat den Vater geweckt, wäre die Mutter daheim,
sie hätte still stehn müssen. Jetzt ist sie gegangen die lange Nacht und hat alle
Stunden gerufen, eine nach der andern, auch die Stunde, in der der Sohn sein
Vaterhaus verlaßt, immer ein wenig zu spät. Du kommst nicht mehr zurecht.
Vater, er ist schon draußen, an den du denkst, und steht im Dunkel der Linde,
unter der du so gern sitzest. Ich höre, wie er schwer atmet und dann leise ruft:
Heinrich! und nun stärker noch einmal: Heinrich! Es klingt Angst aus diesem
Ruf heraus, als wüßte er schon, was sich begeben hat. Nun schließt er das Fenster
wieder und verriegelt es sorgfältig. Er hat sich beruhigt nud glaubt von einem
Traum aufgeschreckt zu sein. Bald wird er wieder in den Schlummer zurücksinken
und sachte schlafen bis zum Morgen, wo er dann sehen wird, daß ihn kein Traum
genarrt hat, und daß der Sohn wirklich gegangen ist.

Ich stehe noch immer wie angewurzelt auf derselben Stelle, wo ich seine
Stimme gehört habe. Zum letztenmal. Als ich ihn später wiedersah, war er
stumm vor Schmerz. Wenn doch der Schlaf, der ihn wieder umfing, kein Ende
gefunden hätte, es wäre gut gewesen, aber Unschuldige müssen leiden, wenn die
Schuldigen sündigen.


15

Da bin ich, sagte ich, und als wäre mir eine Lektion aufgegeben, die ich Wort
für Wort herzusagen hätte, fuhr ich fort: Die Anker sind gelichtet, nun hilf mir
aufs offne Meer hinaus.

Heinemann lächelte und war scheinbar hoch erfreut. Er begrüßte mich mit
einem Übermaß von Herzlichkeit und rief ein über das nudremal: Es ist gut,
daß du dich aufgerafft hast. Ausgezeichnet. Ich sehe, du hast Courage. Zweifel
waren mir schon gekommen, ich gesteh dirs, und ich habe den Kopf geschüttelt, als
ich dich im Feuer der Laurette verglühen sah. Du warst wie geistesabwesend,
Freund. Das war nicht gut. Mau muß kühl bleiben, bis ans Herz hinan. Und
daß ich dir es gleich rate, als Freund und Mensch: Nimm dich in acht. Man
spielt nicht mit demi Feiler, man kocht damit.

Und dann drückte er mir wieder die Hände und sagte: Ich freue mich, daß
du da bist. Nun machen wir uns wieder einen guten Tag.

Es lag etwas Verlegnes in seinem Tür, seinein Hin- und Herrennen, seinem
Hnudedrücken und seinem grundlosen Lachen, und wie ich ihn genauer betrachtete,
war es mir, als ob der Glanz, worin ich ihn das vorigcmäl gesehen hatte, um
einen Schein matter geworden wäre.

Um ganz offen zu sein, begann er wieder: Es wäre mir ganz recht, wenn
wir wieder so fröhlich zusammensitzen könnten. Aber die Konstellation ist gegen¬
wärtig anders, total verändert, sage ich dir. Wir befinden uns in der Ebbe. Die
Zeit war zu schön, wir haben sie nach Herzenslust genossen und liegen nun wieder
einmal krumm. Tut nichts, es kann schon morgen anders sein.

Darauf ließ sich nichts sagen. Man trifft die Meuscheu das einemal in
einer Feiertagsstimmung, das andremal mitten in ihren Sorgen. Den Feiertag
hatte ich genossen, so war der Werkeltag an der Reihe.

Heinemcmu brachte mich bei einem Meister meiner Zunft unter, einem gedrückten
Schneiderlein namens Leopold, der für einen Trödler Flickarbeiten verrichtete und
ihm die alten Kleider, mit denen er handelte, wieder anständig zurechtmachte.
Er war ein Mann von winziger Gestalt, schmalbrüstig, verwachsen und mit einem
Gesicht, aus dem jede Farbe gewichen war, ein blasses Schnttenwesen, das aber
eine erstaunliche Arbeitskraft batie. Den ganzen Tag vom ersten Morgengrauen
bis in die späte Nacht saß er in einem engen Raum und gönnte sich kaum die
Zeit zum Essen und zum Trinken. Wie Heinemann an die sanfte und schüchterne
Kreatur, die ihrem ganzen Trachten nach in eine gute und ordentliche Welt hinein-
gehörte, geraten war, war mir solange ein Rätsel, als ich die Hausfrau noch nicht
gesehen hatte. Diese war das Widerspiel ihres Mannes, hoch gebant, von strotzender


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242470"/>
            <fw type="header" place="top"> Zwei Seelen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> nach dem Fenster hin. Die Uhr hat den Vater geweckt, wäre die Mutter daheim,<lb/>
sie hätte still stehn müssen. Jetzt ist sie gegangen die lange Nacht und hat alle<lb/>
Stunden gerufen, eine nach der andern, auch die Stunde, in der der Sohn sein<lb/>
Vaterhaus verlaßt, immer ein wenig zu spät. Du kommst nicht mehr zurecht.<lb/>
Vater, er ist schon draußen, an den du denkst, und steht im Dunkel der Linde,<lb/>
unter der du so gern sitzest. Ich höre, wie er schwer atmet und dann leise ruft:<lb/>
Heinrich! und nun stärker noch einmal: Heinrich! Es klingt Angst aus diesem<lb/>
Ruf heraus, als wüßte er schon, was sich begeben hat. Nun schließt er das Fenster<lb/>
wieder und verriegelt es sorgfältig. Er hat sich beruhigt nud glaubt von einem<lb/>
Traum aufgeschreckt zu sein. Bald wird er wieder in den Schlummer zurücksinken<lb/>
und sachte schlafen bis zum Morgen, wo er dann sehen wird, daß ihn kein Traum<lb/>
genarrt hat, und daß der Sohn wirklich gegangen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1396"> Ich stehe noch immer wie angewurzelt auf derselben Stelle, wo ich seine<lb/>
Stimme gehört habe. Zum letztenmal. Als ich ihn später wiedersah, war er<lb/>
stumm vor Schmerz. Wenn doch der Schlaf, der ihn wieder umfing, kein Ende<lb/>
gefunden hätte, es wäre gut gewesen, aber Unschuldige müssen leiden, wenn die<lb/>
Schuldigen sündigen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 15</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1397"> Da bin ich, sagte ich, und als wäre mir eine Lektion aufgegeben, die ich Wort<lb/>
für Wort herzusagen hätte, fuhr ich fort: Die Anker sind gelichtet, nun hilf mir<lb/>
aufs offne Meer hinaus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1398"> Heinemann lächelte und war scheinbar hoch erfreut. Er begrüßte mich mit<lb/>
einem Übermaß von Herzlichkeit und rief ein über das nudremal: Es ist gut,<lb/>
daß du dich aufgerafft hast. Ausgezeichnet. Ich sehe, du hast Courage. Zweifel<lb/>
waren mir schon gekommen, ich gesteh dirs, und ich habe den Kopf geschüttelt, als<lb/>
ich dich im Feuer der Laurette verglühen sah. Du warst wie geistesabwesend,<lb/>
Freund. Das war nicht gut. Mau muß kühl bleiben, bis ans Herz hinan. Und<lb/>
daß ich dir es gleich rate, als Freund und Mensch: Nimm dich in acht. Man<lb/>
spielt nicht mit demi Feiler, man kocht damit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1399"> Und dann drückte er mir wieder die Hände und sagte: Ich freue mich, daß<lb/>
du da bist.  Nun machen wir uns wieder einen guten Tag.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1400"> Es lag etwas Verlegnes in seinem Tür, seinein Hin- und Herrennen, seinem<lb/>
Hnudedrücken und seinem grundlosen Lachen, und wie ich ihn genauer betrachtete,<lb/>
war es mir, als ob der Glanz, worin ich ihn das vorigcmäl gesehen hatte, um<lb/>
einen Schein matter geworden wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1401"> Um ganz offen zu sein, begann er wieder: Es wäre mir ganz recht, wenn<lb/>
wir wieder so fröhlich zusammensitzen könnten. Aber die Konstellation ist gegen¬<lb/>
wärtig anders, total verändert, sage ich dir. Wir befinden uns in der Ebbe. Die<lb/>
Zeit war zu schön, wir haben sie nach Herzenslust genossen und liegen nun wieder<lb/>
einmal krumm. Tut nichts, es kann schon morgen anders sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1402"> Darauf ließ sich nichts sagen. Man trifft die Meuscheu das einemal in<lb/>
einer Feiertagsstimmung, das andremal mitten in ihren Sorgen. Den Feiertag<lb/>
hatte ich genossen, so war der Werkeltag an der Reihe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1403" next="#ID_1404"> Heinemcmu brachte mich bei einem Meister meiner Zunft unter, einem gedrückten<lb/>
Schneiderlein namens Leopold, der für einen Trödler Flickarbeiten verrichtete und<lb/>
ihm die alten Kleider, mit denen er handelte, wieder anständig zurechtmachte.<lb/>
Er war ein Mann von winziger Gestalt, schmalbrüstig, verwachsen und mit einem<lb/>
Gesicht, aus dem jede Farbe gewichen war, ein blasses Schnttenwesen, das aber<lb/>
eine erstaunliche Arbeitskraft batie. Den ganzen Tag vom ersten Morgengrauen<lb/>
bis in die späte Nacht saß er in einem engen Raum und gönnte sich kaum die<lb/>
Zeit zum Essen und zum Trinken. Wie Heinemann an die sanfte und schüchterne<lb/>
Kreatur, die ihrem ganzen Trachten nach in eine gute und ordentliche Welt hinein-<lb/>
gehörte, geraten war, war mir solange ein Rätsel, als ich die Hausfrau noch nicht<lb/>
gesehen hatte. Diese war das Widerspiel ihres Mannes, hoch gebant, von strotzender</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0400] Zwei Seelen nach dem Fenster hin. Die Uhr hat den Vater geweckt, wäre die Mutter daheim, sie hätte still stehn müssen. Jetzt ist sie gegangen die lange Nacht und hat alle Stunden gerufen, eine nach der andern, auch die Stunde, in der der Sohn sein Vaterhaus verlaßt, immer ein wenig zu spät. Du kommst nicht mehr zurecht. Vater, er ist schon draußen, an den du denkst, und steht im Dunkel der Linde, unter der du so gern sitzest. Ich höre, wie er schwer atmet und dann leise ruft: Heinrich! und nun stärker noch einmal: Heinrich! Es klingt Angst aus diesem Ruf heraus, als wüßte er schon, was sich begeben hat. Nun schließt er das Fenster wieder und verriegelt es sorgfältig. Er hat sich beruhigt nud glaubt von einem Traum aufgeschreckt zu sein. Bald wird er wieder in den Schlummer zurücksinken und sachte schlafen bis zum Morgen, wo er dann sehen wird, daß ihn kein Traum genarrt hat, und daß der Sohn wirklich gegangen ist. Ich stehe noch immer wie angewurzelt auf derselben Stelle, wo ich seine Stimme gehört habe. Zum letztenmal. Als ich ihn später wiedersah, war er stumm vor Schmerz. Wenn doch der Schlaf, der ihn wieder umfing, kein Ende gefunden hätte, es wäre gut gewesen, aber Unschuldige müssen leiden, wenn die Schuldigen sündigen. 15 Da bin ich, sagte ich, und als wäre mir eine Lektion aufgegeben, die ich Wort für Wort herzusagen hätte, fuhr ich fort: Die Anker sind gelichtet, nun hilf mir aufs offne Meer hinaus. Heinemann lächelte und war scheinbar hoch erfreut. Er begrüßte mich mit einem Übermaß von Herzlichkeit und rief ein über das nudremal: Es ist gut, daß du dich aufgerafft hast. Ausgezeichnet. Ich sehe, du hast Courage. Zweifel waren mir schon gekommen, ich gesteh dirs, und ich habe den Kopf geschüttelt, als ich dich im Feuer der Laurette verglühen sah. Du warst wie geistesabwesend, Freund. Das war nicht gut. Mau muß kühl bleiben, bis ans Herz hinan. Und daß ich dir es gleich rate, als Freund und Mensch: Nimm dich in acht. Man spielt nicht mit demi Feiler, man kocht damit. Und dann drückte er mir wieder die Hände und sagte: Ich freue mich, daß du da bist. Nun machen wir uns wieder einen guten Tag. Es lag etwas Verlegnes in seinem Tür, seinein Hin- und Herrennen, seinem Hnudedrücken und seinem grundlosen Lachen, und wie ich ihn genauer betrachtete, war es mir, als ob der Glanz, worin ich ihn das vorigcmäl gesehen hatte, um einen Schein matter geworden wäre. Um ganz offen zu sein, begann er wieder: Es wäre mir ganz recht, wenn wir wieder so fröhlich zusammensitzen könnten. Aber die Konstellation ist gegen¬ wärtig anders, total verändert, sage ich dir. Wir befinden uns in der Ebbe. Die Zeit war zu schön, wir haben sie nach Herzenslust genossen und liegen nun wieder einmal krumm. Tut nichts, es kann schon morgen anders sein. Darauf ließ sich nichts sagen. Man trifft die Meuscheu das einemal in einer Feiertagsstimmung, das andremal mitten in ihren Sorgen. Den Feiertag hatte ich genossen, so war der Werkeltag an der Reihe. Heinemcmu brachte mich bei einem Meister meiner Zunft unter, einem gedrückten Schneiderlein namens Leopold, der für einen Trödler Flickarbeiten verrichtete und ihm die alten Kleider, mit denen er handelte, wieder anständig zurechtmachte. Er war ein Mann von winziger Gestalt, schmalbrüstig, verwachsen und mit einem Gesicht, aus dem jede Farbe gewichen war, ein blasses Schnttenwesen, das aber eine erstaunliche Arbeitskraft batie. Den ganzen Tag vom ersten Morgengrauen bis in die späte Nacht saß er in einem engen Raum und gönnte sich kaum die Zeit zum Essen und zum Trinken. Wie Heinemann an die sanfte und schüchterne Kreatur, die ihrem ganzen Trachten nach in eine gute und ordentliche Welt hinein- gehörte, geraten war, war mir solange ein Rätsel, als ich die Hausfrau noch nicht gesehen hatte. Diese war das Widerspiel ihres Mannes, hoch gebant, von strotzender

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/400
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/400>, abgerufen am 29.06.2024.