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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bogen sind natürlich sorgfältig aufgehoben worden. -- Die andre Bemerkung, ich
Hütte "den ganzen Gelehrtenstand und speziell die Professoren mit Schmähungen
überhäuft," gehört zu dem Übrigen des Herrn Professors, das mich veranlaßt hatte,
zur Feder zu greifen -- nicht mit "Zorn," sondern mit einem ganz andern Gefühl.
Mein Artikel liegt jn gedruckt vor aller Augen da, und wer es noch nicht weiß,
kann sich leicht davon überzeugen, wie Herr Professor Bücher mit den Tatsachen
I. Grnnow umspringt. Blinder Eifer schadet nur!


Vom deutschen Christuslied.

Friedrich Nippold hat eine Geschichte der
deutschen religiösen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert Das deutsche Christus¬
lied des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig, Ernst Wunderlich, 1903) betitelt.
Der Titel könnte auch lauten: Deutsche Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts,
illustriert durch Proben aus den deutsche" Dichtern. Schon die zahlreichen Kapitel¬
überschriften würden diesen Titel rechtfertigen; zum Beweise führen wir einige an:
Einigung des katholischen und des protestantischen Ideals im Christusliede; Die
Feindseligkeit der päpstlichen Politik gegen das gemeinsame deutsche Christuslied; Die
Selbstzerfleischung der protestantischen Parteien auch auf diesem Gebiete; Novalis
und die Dichter der Brüdergemeinde; Unter der Nachwirkung der Befreiungskriege;
Das Erbe Goethes; Die schwäbische Dichterschule im geistlichen Liede; Der Schleier-
inachersche Kreis; Die Gesaugbuchreform und die Zurückdrängung der mildern
Richtung; Die neue konfessionelle "Gläubigkeit"; Die ans der Kirche herausgedrängte
Frömmigkeit; Die nationale religiöse Dichtung; Die dichterischen Pioniere der innern
Mission; Die zwei Seelen im deutschen Katholizismus; Die offizielle "katholische
Dichtung" als "modernes Warenhaus"; Das altkatholische Martyrium und das
Christnslied; Das Christnslied in der außerkirchlichen Literatur. Für die auf-
genommnen Proben, die das Buch zu einer Liedersammlung machen, werden dem
Verfasser alle religiösen Gemüter dankbar sein; das Urteil über Auffassung und
Darstellung überlassen wir den Kirchenhistorikern. Nur zu zwei Stellen möchten
wir uns einige Bemerkungen erlauben. Seite 241 schreibt er: "Seit der neuen
Niederlage des deutschen Volkstums im Kampf mit dem Papsttum ist die Inspiration
des religiösen Volksgeistes so gut wie versiegt." Gegen diesen Satz ist zweierlei
einzuwenden. Wen" nun einmal durchaus von Sieg und Niederlage im Kulturkämpfe
gesprochen werden soll, so ist der Sieger nicht der Papst gewesen, der so gut wie
nichts getan hat, sondern der katholische Teil des deutscheu Volks. Und auf die
religiöse Begeisterung des protestantischen Teils hätte der Ausgang doch eher zündend
"is löschend wirken müssen, wenn sie vorhanden wäre. Aber der Verfasser klagt
l" selbst, daß heute "die Person Jesu aus der Geschichte ausgestrichen wird," und
führt ein Lied Fr. Th. Wischers an, das mit den Worten beginnt: "Wir haben
reinen lieben Vater im Himmel." Daß jedem, der an eine Offenbarung glaubt, rund-
weg der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit abgestritten wird, Muß ein Jenenser Professor
°°es schon reichlich erfahren haben. Wenn also die Religion geschwunden ist, wo soll
denn da die religiöse Inspiration herkommen? Dann: von Diepenbrock sagt er, nnter
leuie" eignen Liedern stünde" allerdings die Marienlieder obenan, aber den Marien-
ueder" stehe doch noch eine Anzahl wirklicher Christuslieder zur Seite. "Wir folgen
ihrer Charakteristik am einfachsten wieder der Aufzählung Wetzsteins" ("Die religiöse
^Yrik der Deutschen im neunzehnten Jahrhundert"), und er lobt um ein Pfingst-
Ued und ein Passionslied, erwähnt auch die freie und deutsche Gesinnung des Breslauer
^isthofs, wie sie sich tu seinem Briefwechsel mit dem evangelischen Freunde Passnvant
"usfpricht. Nippold hat offenbar Diepenbrocks "Geistlichen Blumenstrauß" nicht in
^er Hand gehabt, und Wetzstein hat darüber nicht genau berichtet. Das soll kein
^cock gegen Nippold sein, denn bei der ungeheuern Menge von Dichtern, mit
°er er es zu tun hatte, mußte er Sammlungen benutzen, wenn er nicht die Ab-
t"Mng des vorliegenden Buches zu seiner ausschließlichen Lebensaufgabe machen
wollte. Aber hätte er den Blumenstrauß gekannt, so würde er wissen, daß Diepenbrock


Grenzboten lV 1903 48
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bogen sind natürlich sorgfältig aufgehoben worden. — Die andre Bemerkung, ich
Hütte „den ganzen Gelehrtenstand und speziell die Professoren mit Schmähungen
überhäuft," gehört zu dem Übrigen des Herrn Professors, das mich veranlaßt hatte,
zur Feder zu greifen — nicht mit „Zorn," sondern mit einem ganz andern Gefühl.
Mein Artikel liegt jn gedruckt vor aller Augen da, und wer es noch nicht weiß,
kann sich leicht davon überzeugen, wie Herr Professor Bücher mit den Tatsachen
I. Grnnow umspringt. Blinder Eifer schadet nur!


Vom deutschen Christuslied.

Friedrich Nippold hat eine Geschichte der
deutschen religiösen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert Das deutsche Christus¬
lied des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig, Ernst Wunderlich, 1903) betitelt.
Der Titel könnte auch lauten: Deutsche Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts,
illustriert durch Proben aus den deutsche» Dichtern. Schon die zahlreichen Kapitel¬
überschriften würden diesen Titel rechtfertigen; zum Beweise führen wir einige an:
Einigung des katholischen und des protestantischen Ideals im Christusliede; Die
Feindseligkeit der päpstlichen Politik gegen das gemeinsame deutsche Christuslied; Die
Selbstzerfleischung der protestantischen Parteien auch auf diesem Gebiete; Novalis
und die Dichter der Brüdergemeinde; Unter der Nachwirkung der Befreiungskriege;
Das Erbe Goethes; Die schwäbische Dichterschule im geistlichen Liede; Der Schleier-
inachersche Kreis; Die Gesaugbuchreform und die Zurückdrängung der mildern
Richtung; Die neue konfessionelle „Gläubigkeit"; Die ans der Kirche herausgedrängte
Frömmigkeit; Die nationale religiöse Dichtung; Die dichterischen Pioniere der innern
Mission; Die zwei Seelen im deutschen Katholizismus; Die offizielle „katholische
Dichtung" als „modernes Warenhaus"; Das altkatholische Martyrium und das
Christnslied; Das Christnslied in der außerkirchlichen Literatur. Für die auf-
genommnen Proben, die das Buch zu einer Liedersammlung machen, werden dem
Verfasser alle religiösen Gemüter dankbar sein; das Urteil über Auffassung und
Darstellung überlassen wir den Kirchenhistorikern. Nur zu zwei Stellen möchten
wir uns einige Bemerkungen erlauben. Seite 241 schreibt er: „Seit der neuen
Niederlage des deutschen Volkstums im Kampf mit dem Papsttum ist die Inspiration
des religiösen Volksgeistes so gut wie versiegt." Gegen diesen Satz ist zweierlei
einzuwenden. Wen» nun einmal durchaus von Sieg und Niederlage im Kulturkämpfe
gesprochen werden soll, so ist der Sieger nicht der Papst gewesen, der so gut wie
nichts getan hat, sondern der katholische Teil des deutscheu Volks. Und auf die
religiöse Begeisterung des protestantischen Teils hätte der Ausgang doch eher zündend
"is löschend wirken müssen, wenn sie vorhanden wäre. Aber der Verfasser klagt
l« selbst, daß heute „die Person Jesu aus der Geschichte ausgestrichen wird," und
führt ein Lied Fr. Th. Wischers an, das mit den Worten beginnt: „Wir haben
reinen lieben Vater im Himmel." Daß jedem, der an eine Offenbarung glaubt, rund-
weg der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit abgestritten wird, Muß ein Jenenser Professor
°°es schon reichlich erfahren haben. Wenn also die Religion geschwunden ist, wo soll
denn da die religiöse Inspiration herkommen? Dann: von Diepenbrock sagt er, nnter
leuie» eignen Liedern stünde» allerdings die Marienlieder obenan, aber den Marien-
ueder» stehe doch noch eine Anzahl wirklicher Christuslieder zur Seite. „Wir folgen
ihrer Charakteristik am einfachsten wieder der Aufzählung Wetzsteins" („Die religiöse
^Yrik der Deutschen im neunzehnten Jahrhundert"), und er lobt um ein Pfingst-
Ued und ein Passionslied, erwähnt auch die freie und deutsche Gesinnung des Breslauer
^isthofs, wie sie sich tu seinem Briefwechsel mit dem evangelischen Freunde Passnvant
"usfpricht. Nippold hat offenbar Diepenbrocks „Geistlichen Blumenstrauß" nicht in
^er Hand gehabt, und Wetzstein hat darüber nicht genau berichtet. Das soll kein
^cock gegen Nippold sein, denn bei der ungeheuern Menge von Dichtern, mit
°er er es zu tun hatte, mußte er Sammlungen benutzen, wenn er nicht die Ab-
t"Mng des vorliegenden Buches zu seiner ausschließlichen Lebensaufgabe machen
wollte. Aber hätte er den Blumenstrauß gekannt, so würde er wissen, daß Diepenbrock


Grenzboten lV 1903 48
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[0345] Maßgebliches und Unmaßgebliches Bogen sind natürlich sorgfältig aufgehoben worden. — Die andre Bemerkung, ich Hütte „den ganzen Gelehrtenstand und speziell die Professoren mit Schmähungen überhäuft," gehört zu dem Übrigen des Herrn Professors, das mich veranlaßt hatte, zur Feder zu greifen — nicht mit „Zorn," sondern mit einem ganz andern Gefühl. Mein Artikel liegt jn gedruckt vor aller Augen da, und wer es noch nicht weiß, kann sich leicht davon überzeugen, wie Herr Professor Bücher mit den Tatsachen I. Grnnow umspringt. Blinder Eifer schadet nur! Vom deutschen Christuslied. Friedrich Nippold hat eine Geschichte der deutschen religiösen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert Das deutsche Christus¬ lied des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig, Ernst Wunderlich, 1903) betitelt. Der Titel könnte auch lauten: Deutsche Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, illustriert durch Proben aus den deutsche» Dichtern. Schon die zahlreichen Kapitel¬ überschriften würden diesen Titel rechtfertigen; zum Beweise führen wir einige an: Einigung des katholischen und des protestantischen Ideals im Christusliede; Die Feindseligkeit der päpstlichen Politik gegen das gemeinsame deutsche Christuslied; Die Selbstzerfleischung der protestantischen Parteien auch auf diesem Gebiete; Novalis und die Dichter der Brüdergemeinde; Unter der Nachwirkung der Befreiungskriege; Das Erbe Goethes; Die schwäbische Dichterschule im geistlichen Liede; Der Schleier- inachersche Kreis; Die Gesaugbuchreform und die Zurückdrängung der mildern Richtung; Die neue konfessionelle „Gläubigkeit"; Die ans der Kirche herausgedrängte Frömmigkeit; Die nationale religiöse Dichtung; Die dichterischen Pioniere der innern Mission; Die zwei Seelen im deutschen Katholizismus; Die offizielle „katholische Dichtung" als „modernes Warenhaus"; Das altkatholische Martyrium und das Christnslied; Das Christnslied in der außerkirchlichen Literatur. Für die auf- genommnen Proben, die das Buch zu einer Liedersammlung machen, werden dem Verfasser alle religiösen Gemüter dankbar sein; das Urteil über Auffassung und Darstellung überlassen wir den Kirchenhistorikern. Nur zu zwei Stellen möchten wir uns einige Bemerkungen erlauben. Seite 241 schreibt er: „Seit der neuen Niederlage des deutschen Volkstums im Kampf mit dem Papsttum ist die Inspiration des religiösen Volksgeistes so gut wie versiegt." Gegen diesen Satz ist zweierlei einzuwenden. Wen» nun einmal durchaus von Sieg und Niederlage im Kulturkämpfe gesprochen werden soll, so ist der Sieger nicht der Papst gewesen, der so gut wie nichts getan hat, sondern der katholische Teil des deutscheu Volks. Und auf die religiöse Begeisterung des protestantischen Teils hätte der Ausgang doch eher zündend "is löschend wirken müssen, wenn sie vorhanden wäre. Aber der Verfasser klagt l« selbst, daß heute „die Person Jesu aus der Geschichte ausgestrichen wird," und führt ein Lied Fr. Th. Wischers an, das mit den Worten beginnt: „Wir haben reinen lieben Vater im Himmel." Daß jedem, der an eine Offenbarung glaubt, rund- weg der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit abgestritten wird, Muß ein Jenenser Professor °°es schon reichlich erfahren haben. Wenn also die Religion geschwunden ist, wo soll denn da die religiöse Inspiration herkommen? Dann: von Diepenbrock sagt er, nnter leuie» eignen Liedern stünde» allerdings die Marienlieder obenan, aber den Marien- ueder» stehe doch noch eine Anzahl wirklicher Christuslieder zur Seite. „Wir folgen ihrer Charakteristik am einfachsten wieder der Aufzählung Wetzsteins" („Die religiöse ^Yrik der Deutschen im neunzehnten Jahrhundert"), und er lobt um ein Pfingst- Ued und ein Passionslied, erwähnt auch die freie und deutsche Gesinnung des Breslauer ^isthofs, wie sie sich tu seinem Briefwechsel mit dem evangelischen Freunde Passnvant "usfpricht. Nippold hat offenbar Diepenbrocks „Geistlichen Blumenstrauß" nicht in ^er Hand gehabt, und Wetzstein hat darüber nicht genau berichtet. Das soll kein ^cock gegen Nippold sein, denn bei der ungeheuern Menge von Dichtern, mit °er er es zu tun hatte, mußte er Sammlungen benutzen, wenn er nicht die Ab- t"Mng des vorliegenden Buches zu seiner ausschließlichen Lebensaufgabe machen wollte. Aber hätte er den Blumenstrauß gekannt, so würde er wissen, daß Diepenbrock Grenzboten lV 1903 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/345>, abgerufen am 03.07.2024.