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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Freimütige Urteile gegen protzenhaften Luxus und gegen andre Ausartungen
der Plutokratie wird man in Offizicrkreisen viel seltener hören als in
Beamtcnkreisen.

Auch ist wohl nicht zu leugnen, daß die nahe Beziehung, die der Offizier-
stand zu der Plutokratie hat, nicht ohne Wirkung auf das Beamtentum bleiben
kann, daß manche Beamten, die durch Erbschaft oder Heirat größeres Ver¬
mögen erlangt haben, diesen Vorzug hervorkehren, ihre Beziehungen zu der
Plutokratie pflegen und die Beziehungen zu ihren weniger gut gestellten Kollegen
mehr oder weniger vernachlässigen.

Geht die Entwicklung so ungehindert weiter, so kann es dazu kommen,
daß sich zum mindesten in großen Städten die vermögenden Beamten und
die Beamten, die auf ihren Gehalt angewiesen sind, gesellschaftlich scheiden.
Ob es dann bei gesellschaftlicher Scheidung bleibt, oder ob nicht die Beamten,
die auf ihren Gehalt angewiesen sind, es nach und nach aufgeben, die Inter¬
essen von Industrie und Großkaufmannschaft politisch zu unterstützen -- was
bisher vou ihnen als etwas Selbstverständliches erwartet wurde --, darüber
kann man nur Vermutungen anstellen. Sicher ist, daß mit dem Wegfallen
dieses Verbindungsglieds die sozialen Gegensätze zwischen reich und arm noch
schärfer hervortreten werden, und daß dann in der traditionellen Einheitlichkeit
des preußischen Beamtentums eine Änderung eintritt, deren Folgen für die
Tüchtigkeit unsers Beamtentums noch nicht zu übersehen sind.

Es war wohl der Zweck, die Offiziere immer auf der höchsten gesellschaft¬
lichen Stufe zu halten, der dazu führte, bei der Eheschließung von Offizieren
hohe Kautionen zu fordern. Das ließ sich auch vor dem Jahre 1870 er¬
reichen. Seitdem sind die Unterschiede zwischen reich, vermögend und arm
immer größer geworden. Und diese Entwicklung hört noch lange nicht auf.
Der Versuch, ihr von Jahrzehnt zu Jahrzehnt durch Erhöhung der zu fordernden
Kautionen zu folgen, hat aber seine natürliche Grenze.

Es ist Sache der Militärbehörden, zu prüfen, ob sie Anlaß haben, diesen
Zustand zu ändern, oder ob auch durch die offenbaren Mißstände, die er
mit sich führt, das, was die Militärbehörde damit bezweckt, nicht zu derer
erkauft wird.




Von alten Büchern
B. Wülcker von

or fünfundzwanzig Jahren hatten die alten Bücher gute Zeiten.
Die deutsche Renaissance beherrschte das aufblühende Kunst¬
gewerbe und die Einrichtung der Wohnungen. Wer sich nicht
bis zur Pracht der mächtigen alten Schränke und kunstvollen
Kredenzen, der Samt- oder Ledersessel, der kostbaren Pokale und
bunt emaillierten Krüge aufschwingen konnte oder wollte, der richtete sich doch
gern ein "altdeutsches" Zimmerchen ein mit Bauernstühlen und bemalten Truhen
und rheinischem Steinzeug. Da nahm sich denn auf dem schweren Eichentisch


von alten Büchern

Freimütige Urteile gegen protzenhaften Luxus und gegen andre Ausartungen
der Plutokratie wird man in Offizicrkreisen viel seltener hören als in
Beamtcnkreisen.

Auch ist wohl nicht zu leugnen, daß die nahe Beziehung, die der Offizier-
stand zu der Plutokratie hat, nicht ohne Wirkung auf das Beamtentum bleiben
kann, daß manche Beamten, die durch Erbschaft oder Heirat größeres Ver¬
mögen erlangt haben, diesen Vorzug hervorkehren, ihre Beziehungen zu der
Plutokratie pflegen und die Beziehungen zu ihren weniger gut gestellten Kollegen
mehr oder weniger vernachlässigen.

Geht die Entwicklung so ungehindert weiter, so kann es dazu kommen,
daß sich zum mindesten in großen Städten die vermögenden Beamten und
die Beamten, die auf ihren Gehalt angewiesen sind, gesellschaftlich scheiden.
Ob es dann bei gesellschaftlicher Scheidung bleibt, oder ob nicht die Beamten,
die auf ihren Gehalt angewiesen sind, es nach und nach aufgeben, die Inter¬
essen von Industrie und Großkaufmannschaft politisch zu unterstützen — was
bisher vou ihnen als etwas Selbstverständliches erwartet wurde —, darüber
kann man nur Vermutungen anstellen. Sicher ist, daß mit dem Wegfallen
dieses Verbindungsglieds die sozialen Gegensätze zwischen reich und arm noch
schärfer hervortreten werden, und daß dann in der traditionellen Einheitlichkeit
des preußischen Beamtentums eine Änderung eintritt, deren Folgen für die
Tüchtigkeit unsers Beamtentums noch nicht zu übersehen sind.

Es war wohl der Zweck, die Offiziere immer auf der höchsten gesellschaft¬
lichen Stufe zu halten, der dazu führte, bei der Eheschließung von Offizieren
hohe Kautionen zu fordern. Das ließ sich auch vor dem Jahre 1870 er¬
reichen. Seitdem sind die Unterschiede zwischen reich, vermögend und arm
immer größer geworden. Und diese Entwicklung hört noch lange nicht auf.
Der Versuch, ihr von Jahrzehnt zu Jahrzehnt durch Erhöhung der zu fordernden
Kautionen zu folgen, hat aber seine natürliche Grenze.

Es ist Sache der Militärbehörden, zu prüfen, ob sie Anlaß haben, diesen
Zustand zu ändern, oder ob auch durch die offenbaren Mißstände, die er
mit sich führt, das, was die Militärbehörde damit bezweckt, nicht zu derer
erkauft wird.




Von alten Büchern
B. Wülcker von

or fünfundzwanzig Jahren hatten die alten Bücher gute Zeiten.
Die deutsche Renaissance beherrschte das aufblühende Kunst¬
gewerbe und die Einrichtung der Wohnungen. Wer sich nicht
bis zur Pracht der mächtigen alten Schränke und kunstvollen
Kredenzen, der Samt- oder Ledersessel, der kostbaren Pokale und
bunt emaillierten Krüge aufschwingen konnte oder wollte, der richtete sich doch
gern ein „altdeutsches" Zimmerchen ein mit Bauernstühlen und bemalten Truhen
und rheinischem Steinzeug. Da nahm sich denn auf dem schweren Eichentisch


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[0243] von alten Büchern Freimütige Urteile gegen protzenhaften Luxus und gegen andre Ausartungen der Plutokratie wird man in Offizicrkreisen viel seltener hören als in Beamtcnkreisen. Auch ist wohl nicht zu leugnen, daß die nahe Beziehung, die der Offizier- stand zu der Plutokratie hat, nicht ohne Wirkung auf das Beamtentum bleiben kann, daß manche Beamten, die durch Erbschaft oder Heirat größeres Ver¬ mögen erlangt haben, diesen Vorzug hervorkehren, ihre Beziehungen zu der Plutokratie pflegen und die Beziehungen zu ihren weniger gut gestellten Kollegen mehr oder weniger vernachlässigen. Geht die Entwicklung so ungehindert weiter, so kann es dazu kommen, daß sich zum mindesten in großen Städten die vermögenden Beamten und die Beamten, die auf ihren Gehalt angewiesen sind, gesellschaftlich scheiden. Ob es dann bei gesellschaftlicher Scheidung bleibt, oder ob nicht die Beamten, die auf ihren Gehalt angewiesen sind, es nach und nach aufgeben, die Inter¬ essen von Industrie und Großkaufmannschaft politisch zu unterstützen — was bisher vou ihnen als etwas Selbstverständliches erwartet wurde —, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Sicher ist, daß mit dem Wegfallen dieses Verbindungsglieds die sozialen Gegensätze zwischen reich und arm noch schärfer hervortreten werden, und daß dann in der traditionellen Einheitlichkeit des preußischen Beamtentums eine Änderung eintritt, deren Folgen für die Tüchtigkeit unsers Beamtentums noch nicht zu übersehen sind. Es war wohl der Zweck, die Offiziere immer auf der höchsten gesellschaft¬ lichen Stufe zu halten, der dazu führte, bei der Eheschließung von Offizieren hohe Kautionen zu fordern. Das ließ sich auch vor dem Jahre 1870 er¬ reichen. Seitdem sind die Unterschiede zwischen reich, vermögend und arm immer größer geworden. Und diese Entwicklung hört noch lange nicht auf. Der Versuch, ihr von Jahrzehnt zu Jahrzehnt durch Erhöhung der zu fordernden Kautionen zu folgen, hat aber seine natürliche Grenze. Es ist Sache der Militärbehörden, zu prüfen, ob sie Anlaß haben, diesen Zustand zu ändern, oder ob auch durch die offenbaren Mißstände, die er mit sich führt, das, was die Militärbehörde damit bezweckt, nicht zu derer erkauft wird. Von alten Büchern B. Wülcker von or fünfundzwanzig Jahren hatten die alten Bücher gute Zeiten. Die deutsche Renaissance beherrschte das aufblühende Kunst¬ gewerbe und die Einrichtung der Wohnungen. Wer sich nicht bis zur Pracht der mächtigen alten Schränke und kunstvollen Kredenzen, der Samt- oder Ledersessel, der kostbaren Pokale und bunt emaillierten Krüge aufschwingen konnte oder wollte, der richtete sich doch gern ein „altdeutsches" Zimmerchen ein mit Bauernstühlen und bemalten Truhen und rheinischem Steinzeug. Da nahm sich denn auf dem schweren Eichentisch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/243>, abgerufen am 28.06.2024.