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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Komödie auf Kronborg
Sophns Bauditz Erzählung von
Autorisierte Übersetzung von Mathilde Mann
(Fortsetzung)

hristenee machte sich jetzt gern dies oder das in dem Zimmer bei
Will zu schaffen, namentlich wenn der Brnoer in der Schule oder in
der Stadt war, und fing Will nicht sogleich eine Unterhaltung mit
ihr an, so war sie nicht ängstlich, das erste Wort zu sagen.

Eines Tages, als sie vor dem Bort zwischen den Fenstern stand
und ganz bedächtig Staub wischte, streckte sie plötzlich die Hand aus
und holte den Johannisstrauß herunter -- er war verwelkt.

Er hat keine Sonne gehabt, sagte sie. Nun lebe ich auch nicht mehr bis zum
nächsten Johannistage -- mir fehlt es vielleicht auch an Sonne!

Ihr glaubt doch nicht ein so etwas! rief Will. -- Jungfrauen sollen auch
gar nicht soviel in die Sonne gehn.

Warum nicht?

Weil -- ja das versteht Ihr nicht, aber der Schein der Sonne kann auch
zu stark sein, zu fruchtbar -- Ihr seid am sichersten hier im Kloster!

Mag sein -- aber auch hier könnte es wohl gefährlich für eine Jung¬
frau sein!

Hier?

Ja -- Tür an Tür und einem fremden Mann! sagte sie lächelnd.

Das hat keine Gefahr, entgegnete Will. Der Fuchs richtet nie Schaden in
dem Hof an, der seiner Höhle zunächst liegt!

Seid Ihr ein Fuchs, und bin ich eine Gans?

Ihr seid eine schöne Jungfrau! sagte Will, schlang den Arm um Christences
Leib und küßte sie ungehindert wieder und wieder.

Und dann hatte Christence vergessen, daß ihr der Johannisstrauß ver¬
welkt war.




Kemp, Pope und Bryau kamen alle drei zum Besuch ins Kloster; Bull war
nicht mitgekommen. Er ist mondsüchtig, sagte Kemp.

Sie erzählten, der König habe ihnen erlaubt, am kommenden Sonntag Nach¬
mittag eine Vorstellung im Nathanshof für eigue Rechnung zu geben, und jetzt,
wo sich Will doch einigermaßen frei bewegen könnte, wollten sie unbedingt, daß
er mitspiele. Will aber weigerte sich sehr bestimmt: er könne es nicht aushalte",
lange hintereinander zu stehn, und wenn er nicht ans dem Schlosse vor dem König
agieren könne, so wolle er auch nicht im Ratshof auftreten. -- Nein, hier in
Helsingör bin ich eine Privatperson, sagte er, hier muß ich die andern agieren
lassen, hier spiele ich keine Rolle -- aber die Zeit wird schon kommen, wo anch
ich auftreten werde!

Jver Krumme, der von der Schiffsbrücke nach Hanse gekommen war, zog
Will jetzt auf die Seite und bat ihn, das Eisen zu schmieden, so lange es warm
sei, nämlich seine Kameraden zu fragen, ob sie nicht "Agnthvn und Kakophron"
einstudieren wollten.




Die Komödie auf Kronborg
Sophns Bauditz Erzählung von
Autorisierte Übersetzung von Mathilde Mann
(Fortsetzung)

hristenee machte sich jetzt gern dies oder das in dem Zimmer bei
Will zu schaffen, namentlich wenn der Brnoer in der Schule oder in
der Stadt war, und fing Will nicht sogleich eine Unterhaltung mit
ihr an, so war sie nicht ängstlich, das erste Wort zu sagen.

Eines Tages, als sie vor dem Bort zwischen den Fenstern stand
und ganz bedächtig Staub wischte, streckte sie plötzlich die Hand aus
und holte den Johannisstrauß herunter — er war verwelkt.

Er hat keine Sonne gehabt, sagte sie. Nun lebe ich auch nicht mehr bis zum
nächsten Johannistage — mir fehlt es vielleicht auch an Sonne!

Ihr glaubt doch nicht ein so etwas! rief Will. — Jungfrauen sollen auch
gar nicht soviel in die Sonne gehn.

Warum nicht?

Weil — ja das versteht Ihr nicht, aber der Schein der Sonne kann auch
zu stark sein, zu fruchtbar — Ihr seid am sichersten hier im Kloster!

Mag sein — aber auch hier könnte es wohl gefährlich für eine Jung¬
frau sein!

Hier?

Ja — Tür an Tür und einem fremden Mann! sagte sie lächelnd.

Das hat keine Gefahr, entgegnete Will. Der Fuchs richtet nie Schaden in
dem Hof an, der seiner Höhle zunächst liegt!

Seid Ihr ein Fuchs, und bin ich eine Gans?

Ihr seid eine schöne Jungfrau! sagte Will, schlang den Arm um Christences
Leib und küßte sie ungehindert wieder und wieder.

Und dann hatte Christence vergessen, daß ihr der Johannisstrauß ver¬
welkt war.




Kemp, Pope und Bryau kamen alle drei zum Besuch ins Kloster; Bull war
nicht mitgekommen. Er ist mondsüchtig, sagte Kemp.

Sie erzählten, der König habe ihnen erlaubt, am kommenden Sonntag Nach¬
mittag eine Vorstellung im Nathanshof für eigue Rechnung zu geben, und jetzt,
wo sich Will doch einigermaßen frei bewegen könnte, wollten sie unbedingt, daß
er mitspiele. Will aber weigerte sich sehr bestimmt: er könne es nicht aushalte»,
lange hintereinander zu stehn, und wenn er nicht ans dem Schlosse vor dem König
agieren könne, so wolle er auch nicht im Ratshof auftreten. — Nein, hier in
Helsingör bin ich eine Privatperson, sagte er, hier muß ich die andern agieren
lassen, hier spiele ich keine Rolle — aber die Zeit wird schon kommen, wo anch
ich auftreten werde!

Jver Krumme, der von der Schiffsbrücke nach Hanse gekommen war, zog
Will jetzt auf die Seite und bat ihn, das Eisen zu schmieden, so lange es warm
sei, nämlich seine Kameraden zu fragen, ob sie nicht „Agnthvn und Kakophron"
einstudieren wollten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/755>, abgerufen am 31.08.2024.