Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Vom Gelderwerb, von dessen Wesen und dessen
Unwesen

lief, was die Menschheit zum Lebensunterhalt braucht, kann nur
W durch Arbeit in Verbindung mit den im Erdboden und in der
"I Atmosphäre wirkenden Naturkräften hervorgebracht werden. So
"ernähren sich die unzivilisierten Naturvölker, und in andrer Weise
"kann sich auch die Bevölkerung eines modernen Staats ihren
Unterhalt nicht verschaffen. Alle produktive Tätigkeit kann nichts Neues hervor¬
bringen, kann nichts herstellen, was nicht in irgend einer Form schon vorher da
war; es finden immer nur Umgestaltungen oder chemische Veränderungen der vor-
handnen Stoffe statt. Was produziert wird, hat auch keinen dauernden Bestand
und erfüllt seinen Zweck nur, wenn es zur Lebensfristung und Lebensannehm¬
lichkeit verwandt und verbraucht wird. Dabei vermindert sich der Nutzwert,
den die Erde für ihre Bewohner hat, je länger und je intensiver die Aus¬
nutzung der zur Existenz der Menschen dienenden Bestandteile der Erdrinde
bor sich geht, da sich ein Teil dieser Bestandteile nur langsam oder gar nicht
ueuzubilden vermag. Aber durch rationelle Bewirtschaftung, verbesserte Pro¬
duktionsmethoden und namentlich durch die Entdeckung und Benutzung der
Dampfkraft und der Elektrizität, sowie durch die Fortschritte der Chemie wird
^ den Menschen dennoch immer leichter, sich ihren Bedarf zu verschaffen und
ZU einer gesteigerten, bessern Lebenshaltung zu gelangen.

Die damit zusammenhängende umfangreiche, komplizierte Produktion, deren
Aufgabe es ist, immer größere Gütermengen für eine immer größere Menschen-
Zahl herzustellen und zur Verteilung zu bringen, stellt auch an die Organi¬
sation und die Leitung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens immer schwierigere
Anforderungen. Es ist ebenso nötig, alles, was die Menschheit braucht, in
genügender Menge zu beschaffen, als auch dafür zu sorgen, daß die produ¬
zierten Quantitäten sämtlich zweckmäßige Verwendung finden. Die jeweilige
Produktionsfähigkeit der Menschen zieht die Grenze für den zulässigen und ist
ebenso das Maß für den nötigen Konsum. Die Menschheit darf sich nicht
eher an einen größern Verbrauch von Bedarfsgütern gewöhnen, als sie dieses
Quantum dauernd und ohne Überanstrengung zu erzeugen vermag; es muß
aber auch alles Produzierte konsumiert werden, da die Produkte sonst keinen
Wert, und die zu ihrer Herstellung aufgewandten Arbeitsleistungen keinen
Zweck Hütten.

So kann eine wirtschaftliche Gemeinschaft in dichtbevölkerten Ländern, wo
sich die Bedürfnisse mit der vorgeschrittnen Kultur vervielfältigt haben, und
wo die Beschaffung der verschiednen Bedarfsgüter Zeit verlangt, nicht von der




Vom Gelderwerb, von dessen Wesen und dessen
Unwesen

lief, was die Menschheit zum Lebensunterhalt braucht, kann nur
W durch Arbeit in Verbindung mit den im Erdboden und in der
«I Atmosphäre wirkenden Naturkräften hervorgebracht werden. So
»ernähren sich die unzivilisierten Naturvölker, und in andrer Weise
«kann sich auch die Bevölkerung eines modernen Staats ihren
Unterhalt nicht verschaffen. Alle produktive Tätigkeit kann nichts Neues hervor¬
bringen, kann nichts herstellen, was nicht in irgend einer Form schon vorher da
war; es finden immer nur Umgestaltungen oder chemische Veränderungen der vor-
handnen Stoffe statt. Was produziert wird, hat auch keinen dauernden Bestand
und erfüllt seinen Zweck nur, wenn es zur Lebensfristung und Lebensannehm¬
lichkeit verwandt und verbraucht wird. Dabei vermindert sich der Nutzwert,
den die Erde für ihre Bewohner hat, je länger und je intensiver die Aus¬
nutzung der zur Existenz der Menschen dienenden Bestandteile der Erdrinde
bor sich geht, da sich ein Teil dieser Bestandteile nur langsam oder gar nicht
ueuzubilden vermag. Aber durch rationelle Bewirtschaftung, verbesserte Pro¬
duktionsmethoden und namentlich durch die Entdeckung und Benutzung der
Dampfkraft und der Elektrizität, sowie durch die Fortschritte der Chemie wird
^ den Menschen dennoch immer leichter, sich ihren Bedarf zu verschaffen und
ZU einer gesteigerten, bessern Lebenshaltung zu gelangen.

Die damit zusammenhängende umfangreiche, komplizierte Produktion, deren
Aufgabe es ist, immer größere Gütermengen für eine immer größere Menschen-
Zahl herzustellen und zur Verteilung zu bringen, stellt auch an die Organi¬
sation und die Leitung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens immer schwierigere
Anforderungen. Es ist ebenso nötig, alles, was die Menschheit braucht, in
genügender Menge zu beschaffen, als auch dafür zu sorgen, daß die produ¬
zierten Quantitäten sämtlich zweckmäßige Verwendung finden. Die jeweilige
Produktionsfähigkeit der Menschen zieht die Grenze für den zulässigen und ist
ebenso das Maß für den nötigen Konsum. Die Menschheit darf sich nicht
eher an einen größern Verbrauch von Bedarfsgütern gewöhnen, als sie dieses
Quantum dauernd und ohne Überanstrengung zu erzeugen vermag; es muß
aber auch alles Produzierte konsumiert werden, da die Produkte sonst keinen
Wert, und die zu ihrer Herstellung aufgewandten Arbeitsleistungen keinen
Zweck Hütten.

So kann eine wirtschaftliche Gemeinschaft in dichtbevölkerten Ländern, wo
sich die Bedürfnisse mit der vorgeschrittnen Kultur vervielfältigt haben, und
wo die Beschaffung der verschiednen Bedarfsgüter Zeit verlangt, nicht von der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241621"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341877_241213/figures/grenzboten_341877_241213_241621_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vom Gelderwerb, von dessen Wesen und dessen<lb/>
Unwesen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1634"> lief, was die Menschheit zum Lebensunterhalt braucht, kann nur<lb/>
W durch Arbeit in Verbindung mit den im Erdboden und in der<lb/>
«I Atmosphäre wirkenden Naturkräften hervorgebracht werden. So<lb/>
»ernähren sich die unzivilisierten Naturvölker, und in andrer Weise<lb/>
«kann sich auch die Bevölkerung eines modernen Staats ihren<lb/>
Unterhalt nicht verschaffen. Alle produktive Tätigkeit kann nichts Neues hervor¬<lb/>
bringen, kann nichts herstellen, was nicht in irgend einer Form schon vorher da<lb/>
war; es finden immer nur Umgestaltungen oder chemische Veränderungen der vor-<lb/>
handnen Stoffe statt. Was produziert wird, hat auch keinen dauernden Bestand<lb/>
und erfüllt seinen Zweck nur, wenn es zur Lebensfristung und Lebensannehm¬<lb/>
lichkeit verwandt und verbraucht wird. Dabei vermindert sich der Nutzwert,<lb/>
den die Erde für ihre Bewohner hat, je länger und je intensiver die Aus¬<lb/>
nutzung der zur Existenz der Menschen dienenden Bestandteile der Erdrinde<lb/>
bor sich geht, da sich ein Teil dieser Bestandteile nur langsam oder gar nicht<lb/>
ueuzubilden vermag. Aber durch rationelle Bewirtschaftung, verbesserte Pro¬<lb/>
duktionsmethoden und namentlich durch die Entdeckung und Benutzung der<lb/>
Dampfkraft und der Elektrizität, sowie durch die Fortschritte der Chemie wird<lb/>
^ den Menschen dennoch immer leichter, sich ihren Bedarf zu verschaffen und<lb/>
ZU einer gesteigerten, bessern Lebenshaltung zu gelangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1635"> Die damit zusammenhängende umfangreiche, komplizierte Produktion, deren<lb/>
Aufgabe es ist, immer größere Gütermengen für eine immer größere Menschen-<lb/>
Zahl herzustellen und zur Verteilung zu bringen, stellt auch an die Organi¬<lb/>
sation und die Leitung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens immer schwierigere<lb/>
Anforderungen. Es ist ebenso nötig, alles, was die Menschheit braucht, in<lb/>
genügender Menge zu beschaffen, als auch dafür zu sorgen, daß die produ¬<lb/>
zierten Quantitäten sämtlich zweckmäßige Verwendung finden. Die jeweilige<lb/>
Produktionsfähigkeit der Menschen zieht die Grenze für den zulässigen und ist<lb/>
ebenso das Maß für den nötigen Konsum. Die Menschheit darf sich nicht<lb/>
eher an einen größern Verbrauch von Bedarfsgütern gewöhnen, als sie dieses<lb/>
Quantum dauernd und ohne Überanstrengung zu erzeugen vermag; es muß<lb/>
aber auch alles Produzierte konsumiert werden, da die Produkte sonst keinen<lb/>
Wert, und die zu ihrer Herstellung aufgewandten Arbeitsleistungen keinen<lb/>
Zweck Hütten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1636" next="#ID_1637"> So kann eine wirtschaftliche Gemeinschaft in dichtbevölkerten Ländern, wo<lb/>
sich die Bedürfnisse mit der vorgeschrittnen Kultur vervielfältigt haben, und<lb/>
wo die Beschaffung der verschiednen Bedarfsgüter Zeit verlangt, nicht von der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] [Abbildung] Vom Gelderwerb, von dessen Wesen und dessen Unwesen lief, was die Menschheit zum Lebensunterhalt braucht, kann nur W durch Arbeit in Verbindung mit den im Erdboden und in der «I Atmosphäre wirkenden Naturkräften hervorgebracht werden. So »ernähren sich die unzivilisierten Naturvölker, und in andrer Weise «kann sich auch die Bevölkerung eines modernen Staats ihren Unterhalt nicht verschaffen. Alle produktive Tätigkeit kann nichts Neues hervor¬ bringen, kann nichts herstellen, was nicht in irgend einer Form schon vorher da war; es finden immer nur Umgestaltungen oder chemische Veränderungen der vor- handnen Stoffe statt. Was produziert wird, hat auch keinen dauernden Bestand und erfüllt seinen Zweck nur, wenn es zur Lebensfristung und Lebensannehm¬ lichkeit verwandt und verbraucht wird. Dabei vermindert sich der Nutzwert, den die Erde für ihre Bewohner hat, je länger und je intensiver die Aus¬ nutzung der zur Existenz der Menschen dienenden Bestandteile der Erdrinde bor sich geht, da sich ein Teil dieser Bestandteile nur langsam oder gar nicht ueuzubilden vermag. Aber durch rationelle Bewirtschaftung, verbesserte Pro¬ duktionsmethoden und namentlich durch die Entdeckung und Benutzung der Dampfkraft und der Elektrizität, sowie durch die Fortschritte der Chemie wird ^ den Menschen dennoch immer leichter, sich ihren Bedarf zu verschaffen und ZU einer gesteigerten, bessern Lebenshaltung zu gelangen. Die damit zusammenhängende umfangreiche, komplizierte Produktion, deren Aufgabe es ist, immer größere Gütermengen für eine immer größere Menschen- Zahl herzustellen und zur Verteilung zu bringen, stellt auch an die Organi¬ sation und die Leitung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens immer schwierigere Anforderungen. Es ist ebenso nötig, alles, was die Menschheit braucht, in genügender Menge zu beschaffen, als auch dafür zu sorgen, daß die produ¬ zierten Quantitäten sämtlich zweckmäßige Verwendung finden. Die jeweilige Produktionsfähigkeit der Menschen zieht die Grenze für den zulässigen und ist ebenso das Maß für den nötigen Konsum. Die Menschheit darf sich nicht eher an einen größern Verbrauch von Bedarfsgütern gewöhnen, als sie dieses Quantum dauernd und ohne Überanstrengung zu erzeugen vermag; es muß aber auch alles Produzierte konsumiert werden, da die Produkte sonst keinen Wert, und die zu ihrer Herstellung aufgewandten Arbeitsleistungen keinen Zweck Hütten. So kann eine wirtschaftliche Gemeinschaft in dichtbevölkerten Ländern, wo sich die Bedürfnisse mit der vorgeschrittnen Kultur vervielfältigt haben, und wo die Beschaffung der verschiednen Bedarfsgüter Zeit verlangt, nicht von der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/407>, abgerufen am 27.07.2024.