Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Feuer! Damit ist dem Leser so ziemlich der eng umgrenzte, aber behagliche Rahmen Feuer! Erinnerung aus dem russischen jDolizsilebeu Alexander Andreas von(Fortsetzung) 13 es erreichte das Ende der Steinstraße und eilte nun am Ufer hin. In dem Maße, wie ich mich der Brücke näherte, schallte mir immer stärkerer Als ich bei der Brücke ankam, blieb ich verwirrt stehn. Die Straße und die Die Trottoire der Straße und der Brücke waren bedeckt von Fußgängern Feuer! Damit ist dem Leser so ziemlich der eng umgrenzte, aber behagliche Rahmen Feuer! Erinnerung aus dem russischen jDolizsilebeu Alexander Andreas von(Fortsetzung) 13 es erreichte das Ende der Steinstraße und eilte nun am Ufer hin. In dem Maße, wie ich mich der Brücke näherte, schallte mir immer stärkerer Als ich bei der Brücke ankam, blieb ich verwirrt stehn. Die Straße und die Die Trottoire der Straße und der Brücke waren bedeckt von Fußgängern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0678" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240234"/> <fw type="header" place="top"> Feuer!</fw><lb/> <p xml:id="ID_3604"> Damit ist dem Leser so ziemlich der eng umgrenzte, aber behagliche Rahmen<lb/> gegeben, in dem sich mein damals in Pommern verbrachter Sommerurlaub ab¬<lb/> spielte. Glanzpunkte in diesem Aufenthalt, aus dem gefälligen, aber flachern Muster<lb/> herausrageude Nagelköpfchen, sogenannte elcms, waren die Entenjagd im Achter¬<lb/> wasser und das Festspiel im Drübenschen Hause: beide möchte ich dem Leser in<lb/> einer der nächsten Grenzboteunummeru wahrheitsgetreu beschreiben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Feuer!<lb/> Erinnerung aus dem russischen jDolizsilebeu<lb/><note type="byline"> Alexander Andreas</note> von(Fortsetzung)<lb/> 13</head><lb/> <p xml:id="ID_3605"> es erreichte das Ende der Steinstraße und eilte nun am Ufer hin.<lb/> Vor mir sah ich Rauch aufsteigen. Das Feuer selbst konnte ich nicht<lb/> sehen, denn eine Menge hoher Gebäude verdeckte die Brandstätte.<lb/> Mir war nur der obere Teil der Rauchsäule sichtbar, aber der Ein¬<lb/> druck, den der Anblick machte, wurde dadurch nur um so beängstigender.<lb/> Ich hatte noch ein gutes Ende bis zum Feuerwehrdepot und zu der<lb/> Brücke zu gehn, und die Gebäude, die vor der Feuerstelle standen, waren noch<lb/> weiter entfernt. Trotzdem schien der Rauch, der sich oben ausbreitete und in<lb/> schwarzen, von gelbgrauen Zungen und Streifen durchbrochnen Schwaden vor<lb/> dem schwachen Winde mir entgegcnzog, so nah aufzusteigen, als ob die Feuers¬<lb/> brunst dicht vor mir läge.</p><lb/> <p xml:id="ID_3606"> In dem Maße, wie ich mich der Brücke näherte, schallte mir immer stärkerer<lb/> Lurn entgegen. Unzählige Menschenstimmen verschmolzen mit dem durch die Schnee¬<lb/> decke gedämpften Gerassel der Tonnenwagen, die vom Flusse her und zu ihm hinfuhren,<lb/> zu einem dumpfen Gebrause. Die überlauten Zurufe der bei dem Löschen Be¬<lb/> teiligten und das scharfe Knattern des mit Gewalt aus den Spritzenrohren<lb/> schießenden Wassers gaben dem Getöse den eigentümlichen Charakter, der den Lärm<lb/> der Feuersbrunst von jedem andern unterscheidet.</p><lb/> <p xml:id="ID_3607"> Als ich bei der Brücke ankam, blieb ich verwirrt stehn. Die Straße und die<lb/> Brücke waren gefüllt von einer teils zu Fuß teils zu Schlitten dahin haftenden<lb/> Menschenmasse. Woher kamen alle die Leute? Wohin wollten sie? Aus dem jen¬<lb/> seitigen Stadtteile natürlich. Und wohin? Nun, zum Feuer. Wieviel Zeit wird<lb/> uoch vergehn, und um wieviel höher wird der Mehrzahl des Volkes der Brotkorb<lb/> noch gehängt werden müssen, bis endlich die Gewohnheit schwinden wird, Arbeit<lb/> und Pflicht beiseite zu setzen und wie toll und blind dahin zu rennen, wo so<lb/> großes Unheil vor sich geht, wo die dazu Berufnen mit Überanstrengung aller<lb/> Kräfte, ja mit Lebensgefahr arbeiten, und wo jeder unnütze Mensch nicht allein<lb/> überflüssig, sondern hinderlich und störend ist, wäre es auch nur durch den Ärger,<lb/> den er dem Geschädigten wie dein Rettenden durch sein faules Dastehn oder sein<lb/> unberufnes, oft rohes und rücksichtsloses Geschwätz verursacht!</p><lb/> <p xml:id="ID_3608" next="#ID_3609"> Die Trottoire der Straße und der Brücke waren bedeckt von Fußgängern<lb/> aus allen Ständen. Dicht gedrängt bewegte sich die Menge vorwärts, schien zu<lb/> eilen und kam doch nur langsam vom Platze. Schuljungen, Handwerksburschen,<lb/> Arbeiter, auch Gruppen von jungen Frauenzimmern, denen es auf dem Trottoir<lb/> nicht schnell genug ging, liefen auf der Straße selbst, wo sie in beständiger Gefahr<lb/> Waren, von vorüberjagenden Fuhrwerken beschädigt oder niedergeworfen zu werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0678]
Feuer!
Damit ist dem Leser so ziemlich der eng umgrenzte, aber behagliche Rahmen
gegeben, in dem sich mein damals in Pommern verbrachter Sommerurlaub ab¬
spielte. Glanzpunkte in diesem Aufenthalt, aus dem gefälligen, aber flachern Muster
herausrageude Nagelköpfchen, sogenannte elcms, waren die Entenjagd im Achter¬
wasser und das Festspiel im Drübenschen Hause: beide möchte ich dem Leser in
einer der nächsten Grenzboteunummeru wahrheitsgetreu beschreiben.
Feuer!
Erinnerung aus dem russischen jDolizsilebeu
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
13
es erreichte das Ende der Steinstraße und eilte nun am Ufer hin.
Vor mir sah ich Rauch aufsteigen. Das Feuer selbst konnte ich nicht
sehen, denn eine Menge hoher Gebäude verdeckte die Brandstätte.
Mir war nur der obere Teil der Rauchsäule sichtbar, aber der Ein¬
druck, den der Anblick machte, wurde dadurch nur um so beängstigender.
Ich hatte noch ein gutes Ende bis zum Feuerwehrdepot und zu der
Brücke zu gehn, und die Gebäude, die vor der Feuerstelle standen, waren noch
weiter entfernt. Trotzdem schien der Rauch, der sich oben ausbreitete und in
schwarzen, von gelbgrauen Zungen und Streifen durchbrochnen Schwaden vor
dem schwachen Winde mir entgegcnzog, so nah aufzusteigen, als ob die Feuers¬
brunst dicht vor mir läge.
In dem Maße, wie ich mich der Brücke näherte, schallte mir immer stärkerer
Lurn entgegen. Unzählige Menschenstimmen verschmolzen mit dem durch die Schnee¬
decke gedämpften Gerassel der Tonnenwagen, die vom Flusse her und zu ihm hinfuhren,
zu einem dumpfen Gebrause. Die überlauten Zurufe der bei dem Löschen Be¬
teiligten und das scharfe Knattern des mit Gewalt aus den Spritzenrohren
schießenden Wassers gaben dem Getöse den eigentümlichen Charakter, der den Lärm
der Feuersbrunst von jedem andern unterscheidet.
Als ich bei der Brücke ankam, blieb ich verwirrt stehn. Die Straße und die
Brücke waren gefüllt von einer teils zu Fuß teils zu Schlitten dahin haftenden
Menschenmasse. Woher kamen alle die Leute? Wohin wollten sie? Aus dem jen¬
seitigen Stadtteile natürlich. Und wohin? Nun, zum Feuer. Wieviel Zeit wird
uoch vergehn, und um wieviel höher wird der Mehrzahl des Volkes der Brotkorb
noch gehängt werden müssen, bis endlich die Gewohnheit schwinden wird, Arbeit
und Pflicht beiseite zu setzen und wie toll und blind dahin zu rennen, wo so
großes Unheil vor sich geht, wo die dazu Berufnen mit Überanstrengung aller
Kräfte, ja mit Lebensgefahr arbeiten, und wo jeder unnütze Mensch nicht allein
überflüssig, sondern hinderlich und störend ist, wäre es auch nur durch den Ärger,
den er dem Geschädigten wie dein Rettenden durch sein faules Dastehn oder sein
unberufnes, oft rohes und rücksichtsloses Geschwätz verursacht!
Die Trottoire der Straße und der Brücke waren bedeckt von Fußgängern
aus allen Ständen. Dicht gedrängt bewegte sich die Menge vorwärts, schien zu
eilen und kam doch nur langsam vom Platze. Schuljungen, Handwerksburschen,
Arbeiter, auch Gruppen von jungen Frauenzimmern, denen es auf dem Trottoir
nicht schnell genug ging, liefen auf der Straße selbst, wo sie in beständiger Gefahr
Waren, von vorüberjagenden Fuhrwerken beschädigt oder niedergeworfen zu werden.
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