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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

große Tempel nicht, wie man bis dahin annahm, der Athene sondern dem
Poseidon gehört hat, wie ja anch bei seiner Lage nnr natürlich ist. Dagegen
wurde ans einer Nebcnkuppe ein kleinerer Athenatempel entdeckt. Der ganze
Bezirk wurde im peloponnesischen Kriege befestigt, ebenso wie der kleine Hafen
am Fuß des Vorgebirges, der den aus dem Poutos kommenden athenischen
Getreideschiffen als Zufluchtsstätte diente.

Öde und tot war auch der Eindruck, den das attische Binnenland machte mit
seinen braunen kahlen Hügeln. Ehemals prangte das alles wohl im Schmucke von
Gurten und Feldern. Aber auch in ihrer jetzigen Verödung übte die traurige
Landschaft je länger desto mehr ans das Gemüt einen eigentümlichen Reiz
ans, besonders als die Sonne die Wolkendecke verscheuchte und das Braun
der Heide übergoldete, und Meer und Himmel nun wieder ihr griechisches
Blau zeigten, das ich entschieden dem Berliner Blau vorziehe. Unsre beiden
Malerinnen waren denn auch mir schwer wegzubringen. Sie ließen sehr bald
den Vortrag Vortrag sein und saßen mit ihren Skizzenbiichern noch emsig
zeichnend zwischen den Säulen, als wir schou wieder unten am Strande standen.
Hier tat ein recht gelehrter Herr eine recht gescheite Frage:

Sagen Sie einmal, Herr Dörpfeld, was ist das dort für ein komisches
Türmchen, wohl ein antiker Befestigungsturm?

Ein Kalkofen! schallte es ihm von zehn Seiten zugleich entgegen.




Heuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von

^

euer!

Schrecklicher Ruf! Wem es nicht bestimmt gewesen ist, Tag und
> Nacht dieses Rufes gewärtig sein zu müssen, der wird sich kaum
eine treffende Vorstellung machen können von seiner nervenerschütternden
und nervenabstnmpfenden, z" fieberhafter Tätigkeit anregenden und
I doch jede vernünftige Tätigkeit lähmenden Wirkung.

Die Woche mit ihrer Arbeitlast ist glücklich vorüber. Der Handwerker, der
Kaufmann, der Beamte, alles, was sein Brot ehrlich durch der Hände oder des
.Kopfes Arbeit verdient, hat eifrig geschafft und dabei immer gehorcht, ob nicht
irgendwo in der Nachbarschaft Feuerlnrm zu hören sei. Der Sonnabend ist ge¬
kommen. Die Beschäftigungen sind zu Ende. Behaglich dehut sich jeder in seinem
Heim. Sogar in dem müßiggehenden Pflastertreter und Gesellschaftsbummler regt
sich unwillkürlich das Bewußtsein, daß der nächste Tag der Erholung, der Ruhe
gewidmet sein soll. Wenn es diese Nacht nicht brennt, wollen wir uns gründlich
ausschlafen, ist der allgemeine Gedanke. Eine Tür nach der andern wird geschlossen.
Immer vereinzelter schimmert Licht aus deu Scheibe" der Fenster und durch die
Ritzen der sie schlitzenden Laden. Zuletzt liegt alles in tiefem, jede Sorge und Gefahr
vergessenden Schlummer.

Feuer!

Schrill gellen die Pfeifen der Schutzleute. Dumpf hallen die Glocken. Tosend
rasseln die schweren Gefährte der Feuerwehr auf dem Pflaster. Wildes und klagendes


Feuer!

große Tempel nicht, wie man bis dahin annahm, der Athene sondern dem
Poseidon gehört hat, wie ja anch bei seiner Lage nnr natürlich ist. Dagegen
wurde ans einer Nebcnkuppe ein kleinerer Athenatempel entdeckt. Der ganze
Bezirk wurde im peloponnesischen Kriege befestigt, ebenso wie der kleine Hafen
am Fuß des Vorgebirges, der den aus dem Poutos kommenden athenischen
Getreideschiffen als Zufluchtsstätte diente.

Öde und tot war auch der Eindruck, den das attische Binnenland machte mit
seinen braunen kahlen Hügeln. Ehemals prangte das alles wohl im Schmucke von
Gurten und Feldern. Aber auch in ihrer jetzigen Verödung übte die traurige
Landschaft je länger desto mehr ans das Gemüt einen eigentümlichen Reiz
ans, besonders als die Sonne die Wolkendecke verscheuchte und das Braun
der Heide übergoldete, und Meer und Himmel nun wieder ihr griechisches
Blau zeigten, das ich entschieden dem Berliner Blau vorziehe. Unsre beiden
Malerinnen waren denn auch mir schwer wegzubringen. Sie ließen sehr bald
den Vortrag Vortrag sein und saßen mit ihren Skizzenbiichern noch emsig
zeichnend zwischen den Säulen, als wir schou wieder unten am Strande standen.
Hier tat ein recht gelehrter Herr eine recht gescheite Frage:

Sagen Sie einmal, Herr Dörpfeld, was ist das dort für ein komisches
Türmchen, wohl ein antiker Befestigungsturm?

Ein Kalkofen! schallte es ihm von zehn Seiten zugleich entgegen.




Heuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von

^

euer!

Schrecklicher Ruf! Wem es nicht bestimmt gewesen ist, Tag und
> Nacht dieses Rufes gewärtig sein zu müssen, der wird sich kaum
eine treffende Vorstellung machen können von seiner nervenerschütternden
und nervenabstnmpfenden, z» fieberhafter Tätigkeit anregenden und
I doch jede vernünftige Tätigkeit lähmenden Wirkung.

Die Woche mit ihrer Arbeitlast ist glücklich vorüber. Der Handwerker, der
Kaufmann, der Beamte, alles, was sein Brot ehrlich durch der Hände oder des
.Kopfes Arbeit verdient, hat eifrig geschafft und dabei immer gehorcht, ob nicht
irgendwo in der Nachbarschaft Feuerlnrm zu hören sei. Der Sonnabend ist ge¬
kommen. Die Beschäftigungen sind zu Ende. Behaglich dehut sich jeder in seinem
Heim. Sogar in dem müßiggehenden Pflastertreter und Gesellschaftsbummler regt
sich unwillkürlich das Bewußtsein, daß der nächste Tag der Erholung, der Ruhe
gewidmet sein soll. Wenn es diese Nacht nicht brennt, wollen wir uns gründlich
ausschlafen, ist der allgemeine Gedanke. Eine Tür nach der andern wird geschlossen.
Immer vereinzelter schimmert Licht aus deu Scheibe» der Fenster und durch die
Ritzen der sie schlitzenden Laden. Zuletzt liegt alles in tiefem, jede Sorge und Gefahr
vergessenden Schlummer.

Feuer!

Schrill gellen die Pfeifen der Schutzleute. Dumpf hallen die Glocken. Tosend
rasseln die schweren Gefährte der Feuerwehr auf dem Pflaster. Wildes und klagendes


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[0054] Feuer! große Tempel nicht, wie man bis dahin annahm, der Athene sondern dem Poseidon gehört hat, wie ja anch bei seiner Lage nnr natürlich ist. Dagegen wurde ans einer Nebcnkuppe ein kleinerer Athenatempel entdeckt. Der ganze Bezirk wurde im peloponnesischen Kriege befestigt, ebenso wie der kleine Hafen am Fuß des Vorgebirges, der den aus dem Poutos kommenden athenischen Getreideschiffen als Zufluchtsstätte diente. Öde und tot war auch der Eindruck, den das attische Binnenland machte mit seinen braunen kahlen Hügeln. Ehemals prangte das alles wohl im Schmucke von Gurten und Feldern. Aber auch in ihrer jetzigen Verödung übte die traurige Landschaft je länger desto mehr ans das Gemüt einen eigentümlichen Reiz ans, besonders als die Sonne die Wolkendecke verscheuchte und das Braun der Heide übergoldete, und Meer und Himmel nun wieder ihr griechisches Blau zeigten, das ich entschieden dem Berliner Blau vorziehe. Unsre beiden Malerinnen waren denn auch mir schwer wegzubringen. Sie ließen sehr bald den Vortrag Vortrag sein und saßen mit ihren Skizzenbiichern noch emsig zeichnend zwischen den Säulen, als wir schou wieder unten am Strande standen. Hier tat ein recht gelehrter Herr eine recht gescheite Frage: Sagen Sie einmal, Herr Dörpfeld, was ist das dort für ein komisches Türmchen, wohl ein antiker Befestigungsturm? Ein Kalkofen! schallte es ihm von zehn Seiten zugleich entgegen. Heuer! Erinnerung aus dem russischen polizeileben Alexander Andreas von ^ euer! Schrecklicher Ruf! Wem es nicht bestimmt gewesen ist, Tag und > Nacht dieses Rufes gewärtig sein zu müssen, der wird sich kaum eine treffende Vorstellung machen können von seiner nervenerschütternden und nervenabstnmpfenden, z» fieberhafter Tätigkeit anregenden und I doch jede vernünftige Tätigkeit lähmenden Wirkung. Die Woche mit ihrer Arbeitlast ist glücklich vorüber. Der Handwerker, der Kaufmann, der Beamte, alles, was sein Brot ehrlich durch der Hände oder des .Kopfes Arbeit verdient, hat eifrig geschafft und dabei immer gehorcht, ob nicht irgendwo in der Nachbarschaft Feuerlnrm zu hören sei. Der Sonnabend ist ge¬ kommen. Die Beschäftigungen sind zu Ende. Behaglich dehut sich jeder in seinem Heim. Sogar in dem müßiggehenden Pflastertreter und Gesellschaftsbummler regt sich unwillkürlich das Bewußtsein, daß der nächste Tag der Erholung, der Ruhe gewidmet sein soll. Wenn es diese Nacht nicht brennt, wollen wir uns gründlich ausschlafen, ist der allgemeine Gedanke. Eine Tür nach der andern wird geschlossen. Immer vereinzelter schimmert Licht aus deu Scheibe» der Fenster und durch die Ritzen der sie schlitzenden Laden. Zuletzt liegt alles in tiefem, jede Sorge und Gefahr vergessenden Schlummer. Feuer! Schrill gellen die Pfeifen der Schutzleute. Dumpf hallen die Glocken. Tosend rasseln die schweren Gefährte der Feuerwehr auf dem Pflaster. Wildes und klagendes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/54>, abgerufen am 23.11.2024.