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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der preußischen Verwaltung
Lark A Ion an von(Schluß)

n den Zeiten der absoluten Monarchie konnte es gerechtfertigt
erscheinen, daß die Verleihung der Rechte einer juristischen
Person, die Änderung der Statuten von rechtsfähigen Ver¬
einen und Anstalten, die Genehmigung von Schenkungen an
solche vom König selbst ausgesprochen werden mußte. Seit
jener Zeit ist das Staatsgebiet so viel größer geworden, die Bevölkerung ist
so stark gewachsen, daß die Fiktion, der Monarch könne alle Verhältnisse über¬
sehen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Es ist sehr bedauerlich, daß
auch nach dein preußischen Nusführnngsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche
solche Geuehmigungen dem König vorbehalten sind. Diese Angelegenheiten sind
nicht so wichtig, daß sie nicht auch auf die Oberpräsidenten übertragen werden
könnten, und sie werden ja schließlich jetzt auch nur auf Grund der Berichte
der Provinzialbehörden entschieden. Wollte man noch einen Schritt weiter¬
gehn, so würde auch das nicht schaden. Der Deutsche hat das Bedürfnis, sich
mit möglichst vielen Nechtskautelen zu umgeben, und das hat zum Beispiel
auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung dazu geführt, daß jede Entscheidung
der Berufungskommission, ohne Rücksicht auf die Höhe des veranlagten Ein¬
kommens, durch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht angefochten werden
kann. Viele Tausende von Revisionssachcn kommen jährlich an die höchste
Instanz, der Steuersenat des Oberverwaltungsgerichts hat mehrfach vergrößert
werden müssen und ist doch mit Geschäften so überlastet, daß seine Entschei¬
dungen oft zwei Jahre und länger auf sich warten lassen. Für die ersten
Jahre nach der Einführung des Einkommensteuergesetzes war dieses Verfahren
vielleicht gut und nützlich. Jetzt hat sich das Gesetz eingelebt, sollte es da
uicht möglich sein, die Beschwerde nur bei Einkommen von mindestens drei¬
tausend Mark zuzulassen und dafür die Tätigkeit der Bernfungskommission
durch Kommissare des Finanzministers eingehend kontrollieren zu lassen?

Würde man nach solchen Regeln die Kompetenzen der Regierung er¬
weitern, das Schreibwerk durch Beseitigung überflüssiger Berichte der Regie¬
rungen an die Zentralinstanz und der Landräte an die Regierungen, sowie
dnrch Änderung unzweckmäßiger gesetzlicher Bestimmungen auf das notwendige
Maß beschränken, so wäre Raum geschafft für die eigentliche Verwaltungs-
tätigkeit, und es käme dann weiter darauf an, zu untersuchen, wieviel Beamte
mau in der Verwaltung überhaupt braucht; daß jetzt bei den Regierungen zu
viel höhere Beamte angestellt sind, daß es an Arbeit fehlt, alle zu beschäftigen,




Zur Reform der preußischen Verwaltung
Lark A Ion an von(Schluß)

n den Zeiten der absoluten Monarchie konnte es gerechtfertigt
erscheinen, daß die Verleihung der Rechte einer juristischen
Person, die Änderung der Statuten von rechtsfähigen Ver¬
einen und Anstalten, die Genehmigung von Schenkungen an
solche vom König selbst ausgesprochen werden mußte. Seit
jener Zeit ist das Staatsgebiet so viel größer geworden, die Bevölkerung ist
so stark gewachsen, daß die Fiktion, der Monarch könne alle Verhältnisse über¬
sehen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Es ist sehr bedauerlich, daß
auch nach dein preußischen Nusführnngsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche
solche Geuehmigungen dem König vorbehalten sind. Diese Angelegenheiten sind
nicht so wichtig, daß sie nicht auch auf die Oberpräsidenten übertragen werden
könnten, und sie werden ja schließlich jetzt auch nur auf Grund der Berichte
der Provinzialbehörden entschieden. Wollte man noch einen Schritt weiter¬
gehn, so würde auch das nicht schaden. Der Deutsche hat das Bedürfnis, sich
mit möglichst vielen Nechtskautelen zu umgeben, und das hat zum Beispiel
auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung dazu geführt, daß jede Entscheidung
der Berufungskommission, ohne Rücksicht auf die Höhe des veranlagten Ein¬
kommens, durch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht angefochten werden
kann. Viele Tausende von Revisionssachcn kommen jährlich an die höchste
Instanz, der Steuersenat des Oberverwaltungsgerichts hat mehrfach vergrößert
werden müssen und ist doch mit Geschäften so überlastet, daß seine Entschei¬
dungen oft zwei Jahre und länger auf sich warten lassen. Für die ersten
Jahre nach der Einführung des Einkommensteuergesetzes war dieses Verfahren
vielleicht gut und nützlich. Jetzt hat sich das Gesetz eingelebt, sollte es da
uicht möglich sein, die Beschwerde nur bei Einkommen von mindestens drei¬
tausend Mark zuzulassen und dafür die Tätigkeit der Bernfungskommission
durch Kommissare des Finanzministers eingehend kontrollieren zu lassen?

Würde man nach solchen Regeln die Kompetenzen der Regierung er¬
weitern, das Schreibwerk durch Beseitigung überflüssiger Berichte der Regie¬
rungen an die Zentralinstanz und der Landräte an die Regierungen, sowie
dnrch Änderung unzweckmäßiger gesetzlicher Bestimmungen auf das notwendige
Maß beschränken, so wäre Raum geschafft für die eigentliche Verwaltungs-
tätigkeit, und es käme dann weiter darauf an, zu untersuchen, wieviel Beamte
mau in der Verwaltung überhaupt braucht; daß jetzt bei den Regierungen zu
viel höhere Beamte angestellt sind, daß es an Arbeit fehlt, alle zu beschäftigen,


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[0520] [Abbildung] Zur Reform der preußischen Verwaltung Lark A Ion an von(Schluß) n den Zeiten der absoluten Monarchie konnte es gerechtfertigt erscheinen, daß die Verleihung der Rechte einer juristischen Person, die Änderung der Statuten von rechtsfähigen Ver¬ einen und Anstalten, die Genehmigung von Schenkungen an solche vom König selbst ausgesprochen werden mußte. Seit jener Zeit ist das Staatsgebiet so viel größer geworden, die Bevölkerung ist so stark gewachsen, daß die Fiktion, der Monarch könne alle Verhältnisse über¬ sehen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Es ist sehr bedauerlich, daß auch nach dein preußischen Nusführnngsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche solche Geuehmigungen dem König vorbehalten sind. Diese Angelegenheiten sind nicht so wichtig, daß sie nicht auch auf die Oberpräsidenten übertragen werden könnten, und sie werden ja schließlich jetzt auch nur auf Grund der Berichte der Provinzialbehörden entschieden. Wollte man noch einen Schritt weiter¬ gehn, so würde auch das nicht schaden. Der Deutsche hat das Bedürfnis, sich mit möglichst vielen Nechtskautelen zu umgeben, und das hat zum Beispiel auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung dazu geführt, daß jede Entscheidung der Berufungskommission, ohne Rücksicht auf die Höhe des veranlagten Ein¬ kommens, durch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht angefochten werden kann. Viele Tausende von Revisionssachcn kommen jährlich an die höchste Instanz, der Steuersenat des Oberverwaltungsgerichts hat mehrfach vergrößert werden müssen und ist doch mit Geschäften so überlastet, daß seine Entschei¬ dungen oft zwei Jahre und länger auf sich warten lassen. Für die ersten Jahre nach der Einführung des Einkommensteuergesetzes war dieses Verfahren vielleicht gut und nützlich. Jetzt hat sich das Gesetz eingelebt, sollte es da uicht möglich sein, die Beschwerde nur bei Einkommen von mindestens drei¬ tausend Mark zuzulassen und dafür die Tätigkeit der Bernfungskommission durch Kommissare des Finanzministers eingehend kontrollieren zu lassen? Würde man nach solchen Regeln die Kompetenzen der Regierung er¬ weitern, das Schreibwerk durch Beseitigung überflüssiger Berichte der Regie¬ rungen an die Zentralinstanz und der Landräte an die Regierungen, sowie dnrch Änderung unzweckmäßiger gesetzlicher Bestimmungen auf das notwendige Maß beschränken, so wäre Raum geschafft für die eigentliche Verwaltungs- tätigkeit, und es käme dann weiter darauf an, zu untersuchen, wieviel Beamte mau in der Verwaltung überhaupt braucht; daß jetzt bei den Regierungen zu viel höhere Beamte angestellt sind, daß es an Arbeit fehlt, alle zu beschäftigen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/520>, abgerufen am 23.11.2024.