Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Eine gewisse Gegnerschaft gegen die vollständige Befestigung Konstantinopels Katheder und Kanzel im preußischen Protestantismus von einem Berliner Nichttheologen n Ur. 51 der Grenzboten vom 18. Dezember 1902 erfreute mich Eine gewisse Gegnerschaft gegen die vollständige Befestigung Konstantinopels Katheder und Kanzel im preußischen Protestantismus von einem Berliner Nichttheologen n Ur. 51 der Grenzboten vom 18. Dezember 1902 erfreute mich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239885"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1640"> Eine gewisse Gegnerschaft gegen die vollständige Befestigung Konstantinopels<lb/> findet ihre Nahrung in der Überzeugung mehrerer Staatsmänner, daß die orien¬<lb/> talische Frage nur gelöst werden könne, wenn mau eine „Konföderation der<lb/> Balkanstaaten" schaffte und aus Konstantinopel eine freie Stadt und einen Frei¬<lb/> hafen machte. Doch diese Meinung ist vom militärischen Standpunkt aus nicht<lb/> aufrecht zu erhalten. Wäre Konstantinopel nicht befestigt, und hätte es kenne<lb/> starke Besatzung, so würde seine Eigenschaft als freie Stadt und als Frechafen<lb/> nicht genügen,' es gegen einen Handstreich Rußlands zu schützen. Die Balkan¬<lb/> konföderation mußte deshalb alle Arbeiten übernehmen und alle Maßregel»<lb/> ergreifen, die General Brinlmont dem Sultan vorgeschlagen hat. Sie müßte<lb/> ferner ihre Herrschaft auf Kleinasien ausdehnen, denn es ist geschichtlich und<lb/> nnlitärwissenschaftlich nachgewiesen, daß der Besitz Konstantinopels ein unsicherer<lb/> Besitz sein würde, wenn seine Inhaber nicht Herren der asiatischen Provinzen<lb/> wären, die an den Bosporus und an die Dardanellen stoßen. Die Lösung,<lb/> die Gladstone, Saint-Marc-Girardin und Emile Delavelev anpreisen, würde<lb/> also keine Bürgschaft für eine längere Dauer bieten. Die einzige Lösung, die<lb/> zu einem günstigen Ergebnis führen kann, besteht darin, daß die Türken in<lb/> ihrem gegenwärtigen Besitzstand erhalten werden, und zwar mit Hilfe Numänieus,<lb/> Serbiens und Bulgariens. Da Bulgarien die Übergänge über die Donau und<lb/> den Balkan in der Hand hat, da es ferner die Häfen der Westküste des Schwarzen<lb/> Meeres besitzt, so gehört ihm einer der Schlüssel Konstantinopels. Der andre<lb/> ist noch in den Händen Rußlands, und er wird so lange darin bleiben, als<lb/> die Verteidigung des Bosporus und der Dardanellen nicht besser vorgesehen<lb/> sein wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Katheder und Kanzel im preußischen Protestantismus<lb/><note type="byline"> von einem Berliner Nichttheologen</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1641" next="#ID_1642"> n Ur. 51 der Grenzboten vom 18. Dezember 1902 erfreute mich<lb/> der Aufsatz von Heinrich Lehmann über „die brandenburgische<lb/> Provinzialsynode und die Vorbildung der evangelischen Theo¬<lb/> logen" ebenso sehr, wie mich und viele gleichgesimite gebildete<lb/> --«Protestantische Müuner in Berlin der Beschluß der zehnten ordent-<lb/> ^hen brandenburgischen Provinzialsynode vom 3. November 1902 über das<lb/> ^ehraint in den evangelischen theologischen Fakultäten und die Erziehung der<lb/> angehenden Geistlichen betrübt lind beunruhigt hat. Die folgenden Zeilen<lb/> in ^ Gründe dafür darlegen, und sie hoffen dadurch wenigstens etwas zur<lb/> Bekämpfung des schlimmsten Feindes der protestantischen Sache, der Gleich¬<lb/> gültigkeit °er gebildeten Laien gegenüber der brennendsten religiösen und kirch-<lb/> uchen Frage im preußischen Protestantismus, beizutragen. Die Grenzboten<lb/> Zertreten nicht einseitig eine bestimmte theologische Richtung; sie sind auch<lb/> bereit, ebenso wie dem Protestantismus, dem Katholizismus gerecht zu werden,<lb/> und das ist gut und weise. Aber seit zwei Menschenaltern haben sie ihren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0329]
Eine gewisse Gegnerschaft gegen die vollständige Befestigung Konstantinopels
findet ihre Nahrung in der Überzeugung mehrerer Staatsmänner, daß die orien¬
talische Frage nur gelöst werden könne, wenn mau eine „Konföderation der
Balkanstaaten" schaffte und aus Konstantinopel eine freie Stadt und einen Frei¬
hafen machte. Doch diese Meinung ist vom militärischen Standpunkt aus nicht
aufrecht zu erhalten. Wäre Konstantinopel nicht befestigt, und hätte es kenne
starke Besatzung, so würde seine Eigenschaft als freie Stadt und als Frechafen
nicht genügen,' es gegen einen Handstreich Rußlands zu schützen. Die Balkan¬
konföderation mußte deshalb alle Arbeiten übernehmen und alle Maßregel»
ergreifen, die General Brinlmont dem Sultan vorgeschlagen hat. Sie müßte
ferner ihre Herrschaft auf Kleinasien ausdehnen, denn es ist geschichtlich und
nnlitärwissenschaftlich nachgewiesen, daß der Besitz Konstantinopels ein unsicherer
Besitz sein würde, wenn seine Inhaber nicht Herren der asiatischen Provinzen
wären, die an den Bosporus und an die Dardanellen stoßen. Die Lösung,
die Gladstone, Saint-Marc-Girardin und Emile Delavelev anpreisen, würde
also keine Bürgschaft für eine längere Dauer bieten. Die einzige Lösung, die
zu einem günstigen Ergebnis führen kann, besteht darin, daß die Türken in
ihrem gegenwärtigen Besitzstand erhalten werden, und zwar mit Hilfe Numänieus,
Serbiens und Bulgariens. Da Bulgarien die Übergänge über die Donau und
den Balkan in der Hand hat, da es ferner die Häfen der Westküste des Schwarzen
Meeres besitzt, so gehört ihm einer der Schlüssel Konstantinopels. Der andre
ist noch in den Händen Rußlands, und er wird so lange darin bleiben, als
die Verteidigung des Bosporus und der Dardanellen nicht besser vorgesehen
sein wird.
Katheder und Kanzel im preußischen Protestantismus
von einem Berliner Nichttheologen
n Ur. 51 der Grenzboten vom 18. Dezember 1902 erfreute mich
der Aufsatz von Heinrich Lehmann über „die brandenburgische
Provinzialsynode und die Vorbildung der evangelischen Theo¬
logen" ebenso sehr, wie mich und viele gleichgesimite gebildete
--«Protestantische Müuner in Berlin der Beschluß der zehnten ordent-
^hen brandenburgischen Provinzialsynode vom 3. November 1902 über das
^ehraint in den evangelischen theologischen Fakultäten und die Erziehung der
angehenden Geistlichen betrübt lind beunruhigt hat. Die folgenden Zeilen
in ^ Gründe dafür darlegen, und sie hoffen dadurch wenigstens etwas zur
Bekämpfung des schlimmsten Feindes der protestantischen Sache, der Gleich¬
gültigkeit °er gebildeten Laien gegenüber der brennendsten religiösen und kirch-
uchen Frage im preußischen Protestantismus, beizutragen. Die Grenzboten
Zertreten nicht einseitig eine bestimmte theologische Richtung; sie sind auch
bereit, ebenso wie dem Protestantismus, dem Katholizismus gerecht zu werden,
und das ist gut und weise. Aber seit zwei Menschenaltern haben sie ihren
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