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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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treten. Und ebenso natürlich ist es, daß sich die Partei trotz ihrer charakte¬
ristischen Verlogenheit eifrig bemüht, die Wahrheit mit ausgesuchter Rücksichts¬
losigkeit zu sagen und an den Tag zu bringen, wo es ihren Zwecken dient
und der Gesellschaft schadet. Und sie machen das alles fast immer mit einer
so ausgesprochnen Schadenfreude, lassen fast immer die Absicht so herausfordernd
merken, daß es aussieht, als ob sie ihre besondre Freude daran hätten, zu er¬
proben, wie weit die Dummheit oder Angst ihrer bürgerlichen Liebhaber eigentlich
geht. Es ist uns immer unbegreiflich gewesen, daß die liberalen und auch die
kathedersozialistischen Mauserungsgläubigen aus diesem selbstverständlichen, durch
die primitivste taktische Klugheit gebotnen äußerlichen Gntestun der Sozial¬
demokratie auf ein Gntsein ihres Wesens, ihrer Ziele, ihrer Wirkungen und
ihrer Mittel schließen konnten. Nicht die Sozialdemokraten verdienen deshalb
Lob, sondern wir verdienen dafür Tadel und Schande, daß wir ihnen die
Initiative in der sozialen Pflichterfüllung so oft überlassen, und daß wir,
Gott seis geklagt, so vielfach der Wahrheit nicht zu ihrem Recht verhelfen,
wo es zum Wohl des Ganzen und namentlich im Interesse der tiefer stehenden,
schwächern Mitbürger geboten ist. Es ist hier uicht möglich, auf das Ein¬
zelne im sozialdemokratischen Parteitreiben näher einzugehn oder das, was zu
seiner Bekämpfung im einzelnen zu geschehn hat, darzulegen. Nur das sei
uoch hervorgehoben, daß in diesem Kampfe gegen die Herrschaft der Sozial¬
demokratie über die ans der Hand in den Mund lebenden vielen Millionen
deutscher Männer und Frauen die politische Flunkerei und Scharfmacherei der
größte Fehler, die unverantwortlichste Sünde sein würde. Niemand, weder
nach oben hin noch uach unten, ein X für ein U zu machen, gewissenhaft das
Recht zu wahren gegen jedermann, das müssen wir uns geloben, denn sonst
würden wir den Feind stärken, den wir schlagen wollen. Es wird wohl uuter
denen, die das lesen, manche geben, die andrer Meinung sind, die im poli¬
tischen Kampf, auch im innern, die Gewalt über das Recht stellen und die
Waffe" danach wühlen, wie der Gegner kämpft. Der Kampf gegen die Sozial¬
demokratie hat aber seine eigne Art; er besteht zum guten Teil in der Ver¬
söhnung irregeleiteter Massen, denen der Glaube um unsre Unehrlichkeit und
Ungerechtigkeit tagtäglich gepredigt wird. Man soll sich hüten, sie in diesen:
Glauben zu bestärken.




Das Goldne Vließ

cum man von den drei halbgeistlichen Ritterorden absieht, die
gegenwärtig der Krankenpflege und andern frommen Zwecken ge¬
widmet sind, so gehören zum vollen Festschmuck eines europäischen
Souveräns bekanntlich acht Ordensdekoratiouen, deren Embleme
> für fünf der Heiligen Schrift und der Hngiographie, für drei dem
Tierreiche entlehnt sind. Mit den Heiligen haben es der Se. Andreasorden (russ.),
der Auuunziatenorden (nat.), der unter dein Patronate des heiligen Georgs


Grenzboten I 1908 3

treten. Und ebenso natürlich ist es, daß sich die Partei trotz ihrer charakte¬
ristischen Verlogenheit eifrig bemüht, die Wahrheit mit ausgesuchter Rücksichts¬
losigkeit zu sagen und an den Tag zu bringen, wo es ihren Zwecken dient
und der Gesellschaft schadet. Und sie machen das alles fast immer mit einer
so ausgesprochnen Schadenfreude, lassen fast immer die Absicht so herausfordernd
merken, daß es aussieht, als ob sie ihre besondre Freude daran hätten, zu er¬
proben, wie weit die Dummheit oder Angst ihrer bürgerlichen Liebhaber eigentlich
geht. Es ist uns immer unbegreiflich gewesen, daß die liberalen und auch die
kathedersozialistischen Mauserungsgläubigen aus diesem selbstverständlichen, durch
die primitivste taktische Klugheit gebotnen äußerlichen Gntestun der Sozial¬
demokratie auf ein Gntsein ihres Wesens, ihrer Ziele, ihrer Wirkungen und
ihrer Mittel schließen konnten. Nicht die Sozialdemokraten verdienen deshalb
Lob, sondern wir verdienen dafür Tadel und Schande, daß wir ihnen die
Initiative in der sozialen Pflichterfüllung so oft überlassen, und daß wir,
Gott seis geklagt, so vielfach der Wahrheit nicht zu ihrem Recht verhelfen,
wo es zum Wohl des Ganzen und namentlich im Interesse der tiefer stehenden,
schwächern Mitbürger geboten ist. Es ist hier uicht möglich, auf das Ein¬
zelne im sozialdemokratischen Parteitreiben näher einzugehn oder das, was zu
seiner Bekämpfung im einzelnen zu geschehn hat, darzulegen. Nur das sei
uoch hervorgehoben, daß in diesem Kampfe gegen die Herrschaft der Sozial¬
demokratie über die ans der Hand in den Mund lebenden vielen Millionen
deutscher Männer und Frauen die politische Flunkerei und Scharfmacherei der
größte Fehler, die unverantwortlichste Sünde sein würde. Niemand, weder
nach oben hin noch uach unten, ein X für ein U zu machen, gewissenhaft das
Recht zu wahren gegen jedermann, das müssen wir uns geloben, denn sonst
würden wir den Feind stärken, den wir schlagen wollen. Es wird wohl uuter
denen, die das lesen, manche geben, die andrer Meinung sind, die im poli¬
tischen Kampf, auch im innern, die Gewalt über das Recht stellen und die
Waffe» danach wühlen, wie der Gegner kämpft. Der Kampf gegen die Sozial¬
demokratie hat aber seine eigne Art; er besteht zum guten Teil in der Ver¬
söhnung irregeleiteter Massen, denen der Glaube um unsre Unehrlichkeit und
Ungerechtigkeit tagtäglich gepredigt wird. Man soll sich hüten, sie in diesen:
Glauben zu bestärken.




Das Goldne Vließ

cum man von den drei halbgeistlichen Ritterorden absieht, die
gegenwärtig der Krankenpflege und andern frommen Zwecken ge¬
widmet sind, so gehören zum vollen Festschmuck eines europäischen
Souveräns bekanntlich acht Ordensdekoratiouen, deren Embleme
> für fünf der Heiligen Schrift und der Hngiographie, für drei dem
Tierreiche entlehnt sind. Mit den Heiligen haben es der Se. Andreasorden (russ.),
der Auuunziatenorden (nat.), der unter dein Patronate des heiligen Georgs


Grenzboten I 1908 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/25>, abgerufen am 23.11.2024.