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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Marokko

des gewünschten Erfolges dahingehn werden. Bis dahin wird die Negierung
Wohl das ihrer Auffassung nach kleinere Übel wählen und -- so lange es
geht -- auf Kosten der Volksernährung weiter Getreide ausführen; sie hat
sich mit ihrer ganzen Politik so festgelegt, daß ihr kaum etwas andres übrig
bleibt. Auf das neuste Hilfsmittel Wildes zur Erleichterung der Ausfuhr, die
angestrebte internationale Preisbildung, komme ich später.

(Schluß folgt)




Marokko

me augenscheinlich voreilige Nachricht aus S. Sebastian wollte,
gestützt auf das Zeugnis einer angeblich hohen Persönlichkeit,
wissen, das spanisch-französische Bündnis sei eine vollzogne That¬
sache. Die Grundlagen seien beiderseits gut geheißen, doch noch
nicht veröffentlicht worden, weil hinsichtlich Mahon und Ceuta
die französischen Forderungen zu weit gingen. Die halb offiziöse Corre-
Mwdeneia glaubte, die Veröffentlichung werde uicht lange ausstehn. So
weit ist es aber nnn noch nicht, und die Sache ist von Madrid aus offiziös
dementiert wordeu. Aber offenbar ist ein solcher Gang der Dinge im Bereich
Möglichkeit, und dabei verhält sich daS deutsche Publikum in einer Gleich¬
gültigkeit, die nur verrät, wie wenig ihm die Tragweite dieser Angelegenheit
klar geworden ist. Man läßt sich von dem Worte'des Fürsten Bismarck. daß
""r im Mittelmeer nicht interessiert seien, einlullen und bedenkt uicht, wie
wenig Bürgschaft man dafür hat, daß der große Lenker der deutschen Politik
'Li der Verkündigung dieser Ansicht einen längern Zeitraum als den Bereich
Berliner Kongresses im Auge gehabt hat, und ob das, was er öffentlich
""ssprnch, die letzte Weisheit seiner tiefen Seele erschöpfte. Jedenfalls sind
^zwischen Dinge eingetreten, die die Wichtigkeit der Mittelmeerpolitik und der
freien Mittelmeerschiffahrt auch in Deutschland in ein ungemein helleres Licht
stellen, als 1878 geahnt werden konnte.

Daß Deutschland keine Mittelmeerintcressen habe, weil es keinen Fu߬
breit Landes an seinen Ufern besitze, ist natürlich eine Simpclci. Hat denn
England Mittelmeerinteressen, weil° es Gibraltar und Malta besitzt, oder hat
es diese Punkte besetzt und befestigt zum Schutze seiner Mittclmeerinteresscn?
Do Frage aufwerfen heißt sie beantworten. Seit dreißig Jahren geht aufs
neue der Weltverkehr nach dem fernen Osten durch das Mittelmeer, und
Deutschland beteiligt sich an diesem mit erfreulich wachsender Lebhaftigkeit.
Lefzen nur uns davon abdrängen, so ließen wir uns aus der Reihe der erstem
Hmidelsnativnen heransmanövrieren. Unser Vaterland hat inzwischen die
^ohn der Kolonialpolitik beschritten, "voran man 1878 noch nicht dachte; die
H"isle unsrer Besitzungen liegt jenseits des Suezkanats. Noch wichtiger als
""6 ist das freie Mittelmeer unsern Bundesgenossen Italien und Öster-


Grenzboton IV 1902 9
Marokko

des gewünschten Erfolges dahingehn werden. Bis dahin wird die Negierung
Wohl das ihrer Auffassung nach kleinere Übel wählen und — so lange es
geht — auf Kosten der Volksernährung weiter Getreide ausführen; sie hat
sich mit ihrer ganzen Politik so festgelegt, daß ihr kaum etwas andres übrig
bleibt. Auf das neuste Hilfsmittel Wildes zur Erleichterung der Ausfuhr, die
angestrebte internationale Preisbildung, komme ich später.

(Schluß folgt)




Marokko

me augenscheinlich voreilige Nachricht aus S. Sebastian wollte,
gestützt auf das Zeugnis einer angeblich hohen Persönlichkeit,
wissen, das spanisch-französische Bündnis sei eine vollzogne That¬
sache. Die Grundlagen seien beiderseits gut geheißen, doch noch
nicht veröffentlicht worden, weil hinsichtlich Mahon und Ceuta
die französischen Forderungen zu weit gingen. Die halb offiziöse Corre-
Mwdeneia glaubte, die Veröffentlichung werde uicht lange ausstehn. So
weit ist es aber nnn noch nicht, und die Sache ist von Madrid aus offiziös
dementiert wordeu. Aber offenbar ist ein solcher Gang der Dinge im Bereich
Möglichkeit, und dabei verhält sich daS deutsche Publikum in einer Gleich¬
gültigkeit, die nur verrät, wie wenig ihm die Tragweite dieser Angelegenheit
klar geworden ist. Man läßt sich von dem Worte'des Fürsten Bismarck. daß
""r im Mittelmeer nicht interessiert seien, einlullen und bedenkt uicht, wie
wenig Bürgschaft man dafür hat, daß der große Lenker der deutschen Politik
'Li der Verkündigung dieser Ansicht einen längern Zeitraum als den Bereich
Berliner Kongresses im Auge gehabt hat, und ob das, was er öffentlich
""ssprnch, die letzte Weisheit seiner tiefen Seele erschöpfte. Jedenfalls sind
^zwischen Dinge eingetreten, die die Wichtigkeit der Mittelmeerpolitik und der
freien Mittelmeerschiffahrt auch in Deutschland in ein ungemein helleres Licht
stellen, als 1878 geahnt werden konnte.

Daß Deutschland keine Mittelmeerintcressen habe, weil es keinen Fu߬
breit Landes an seinen Ufern besitze, ist natürlich eine Simpclci. Hat denn
England Mittelmeerinteressen, weil° es Gibraltar und Malta besitzt, oder hat
es diese Punkte besetzt und befestigt zum Schutze seiner Mittclmeerinteresscn?
Do Frage aufwerfen heißt sie beantworten. Seit dreißig Jahren geht aufs
neue der Weltverkehr nach dem fernen Osten durch das Mittelmeer, und
Deutschland beteiligt sich an diesem mit erfreulich wachsender Lebhaftigkeit.
Lefzen nur uns davon abdrängen, so ließen wir uns aus der Reihe der erstem
Hmidelsnativnen heransmanövrieren. Unser Vaterland hat inzwischen die
^ohn der Kolonialpolitik beschritten, »voran man 1878 noch nicht dachte; die
H"isle unsrer Besitzungen liegt jenseits des Suezkanats. Noch wichtiger als
""6 ist das freie Mittelmeer unsern Bundesgenossen Italien und Öster-


Grenzboton IV 1902 9
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[0075] Marokko des gewünschten Erfolges dahingehn werden. Bis dahin wird die Negierung Wohl das ihrer Auffassung nach kleinere Übel wählen und — so lange es geht — auf Kosten der Volksernährung weiter Getreide ausführen; sie hat sich mit ihrer ganzen Politik so festgelegt, daß ihr kaum etwas andres übrig bleibt. Auf das neuste Hilfsmittel Wildes zur Erleichterung der Ausfuhr, die angestrebte internationale Preisbildung, komme ich später. (Schluß folgt) Marokko me augenscheinlich voreilige Nachricht aus S. Sebastian wollte, gestützt auf das Zeugnis einer angeblich hohen Persönlichkeit, wissen, das spanisch-französische Bündnis sei eine vollzogne That¬ sache. Die Grundlagen seien beiderseits gut geheißen, doch noch nicht veröffentlicht worden, weil hinsichtlich Mahon und Ceuta die französischen Forderungen zu weit gingen. Die halb offiziöse Corre- Mwdeneia glaubte, die Veröffentlichung werde uicht lange ausstehn. So weit ist es aber nnn noch nicht, und die Sache ist von Madrid aus offiziös dementiert wordeu. Aber offenbar ist ein solcher Gang der Dinge im Bereich Möglichkeit, und dabei verhält sich daS deutsche Publikum in einer Gleich¬ gültigkeit, die nur verrät, wie wenig ihm die Tragweite dieser Angelegenheit klar geworden ist. Man läßt sich von dem Worte'des Fürsten Bismarck. daß ""r im Mittelmeer nicht interessiert seien, einlullen und bedenkt uicht, wie wenig Bürgschaft man dafür hat, daß der große Lenker der deutschen Politik 'Li der Verkündigung dieser Ansicht einen längern Zeitraum als den Bereich Berliner Kongresses im Auge gehabt hat, und ob das, was er öffentlich ""ssprnch, die letzte Weisheit seiner tiefen Seele erschöpfte. Jedenfalls sind ^zwischen Dinge eingetreten, die die Wichtigkeit der Mittelmeerpolitik und der freien Mittelmeerschiffahrt auch in Deutschland in ein ungemein helleres Licht stellen, als 1878 geahnt werden konnte. Daß Deutschland keine Mittelmeerintcressen habe, weil es keinen Fu߬ breit Landes an seinen Ufern besitze, ist natürlich eine Simpclci. Hat denn England Mittelmeerinteressen, weil° es Gibraltar und Malta besitzt, oder hat es diese Punkte besetzt und befestigt zum Schutze seiner Mittclmeerinteresscn? Do Frage aufwerfen heißt sie beantworten. Seit dreißig Jahren geht aufs neue der Weltverkehr nach dem fernen Osten durch das Mittelmeer, und Deutschland beteiligt sich an diesem mit erfreulich wachsender Lebhaftigkeit. Lefzen nur uns davon abdrängen, so ließen wir uns aus der Reihe der erstem Hmidelsnativnen heransmanövrieren. Unser Vaterland hat inzwischen die ^ohn der Kolonialpolitik beschritten, »voran man 1878 noch nicht dachte; die H"isle unsrer Besitzungen liegt jenseits des Suezkanats. Noch wichtiger als ""6 ist das freie Mittelmeer unsern Bundesgenossen Italien und Öster- Grenzboton IV 1902 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/75>, abgerufen am 01.09.2024.