Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Am Fusj>.> des ylXldsiliin^

erhielt die Antwort, die griechischen Gottheiten Demeter, Dionysos und Kore
seien zu versöhnen, Demeter und Dionysos wurden im getreide- und wein¬
reichen Kompanien eifrig verehrt, und der Rat besagte deswegen eigentlich,
mau solle den Handelsverkehr mit Kampanien regeln. Das geschah denn auch,
"ut die Einführung des Kultus der genannten drei Gottheiten, denen man
"och den Handelsgott Hermes beigesellte, war nur das religiöse Symbol der
Regelung, Man behielt aber nicht, wie bei Apollo und einigen andern Griechen-
gottern, die griechischen Namen bei, sondern verehrte die neuen Gottheiten
unter den alten lateinischen Namen Ceres, Liber, Libera und Merkur, bezog
jedoch die Priesterinnen für die Geheimfeier der Ceres gewöhnlich aus Neapel
und Velia, Nun ist die reichliche Versorgung mit Getreide eine Angelegenheit,
von der vorzugsweise das Wohl und Wehe des ärmer,, Volkes abhängt.
Deshalb war der Cerestempel, dessen Einweihung in die Zeit der beginnenden
Emanzipation der Plebs fiel, ein plebejisches Heiligtum, und die plebejischen
Beamten, denen die Marktanfsicht und die eurg. Muoruuz übertragen wurde,
die Ädilen, bekamen von der aoäes Vororts, wo sie auch das Archiv der Plebs
verwahrten, ihren Namens Auf solche Weise entsteh,, neue religiöse Gebilde;
weder aus Studierstuben noch ans den Bemtungszimmern der Behörden
Pflegen sie hervorzugehn. Die Gelehrten und die Philosophen können Neu
bildungen vorbereiten, die Regierungen können ihre Entwicklung leiten, ent¬
steh" können sie nur aus den Anschauung",, "ut die Bedürfnissen des Volkes
oder aus der Schöpferthat eines religiöse" Genies, das solche Bedürfnisse zu
befriedigen versteht.




Am Kiße des Hradscbins
(^eorg Ltellanns ,.X>n (Schluß)

le Montmervsche Haushaltung war in ganz Prag bei weitem die
^stattlichste. Das große Privatvermögen des Fürsten in Verbindung
mit den jährlich wachsenden Revenüen ans seinen gewerblichen An
lagen hatte ihn, erlaubt, einen Hausstand, wie er vor einem Jahr
^ hundert Sitte war, beizubehalten, während die meisten seiner Standes-
! genossen durch die Verhältnisse gezwungen worden waren, ihr Haus
einfacher einzurichten und sich mit einem Bruchteil der Bedienung zu begnügen, die
man noch zu Kmmitzens Zeiten für unentbehrlich hielt. Das Palais, ein gewaltiges
dreistöckiges Gebäude, dessen nach hinten nusspringende Seitenflügel einen geräumigen
Hof einschlossen, lag nicht im Herzen der Stadt, sondern etwas abseits. Die zu
no> führenden, meist menschenleeren Straßen waren zum großen Teil mit alter-
mmlichen Häusern, Palästen oder Stiftsgebäuden besetzt, und der Garten dehnte
Reh über welliges Land bis hinaus in die Vorstadt,

Man konnte mit der Dienerschaft, die man vom Lande mitbrachte und auch
wüst in der Stadt unterhielt, nie das ganze Palais bewohnen, nur Teile davon,
"ut das gab ihm etwas von melancholisch stimmender Größe, ein Gefühl, das sich
u"es in den Korridoren, Sälen und Zimmern nie recht verlor, weil alle Dimen-


ÄronzbcNen IV >!>-"> 711
Am Fusj>.> des ylXldsiliin^

erhielt die Antwort, die griechischen Gottheiten Demeter, Dionysos und Kore
seien zu versöhnen, Demeter und Dionysos wurden im getreide- und wein¬
reichen Kompanien eifrig verehrt, und der Rat besagte deswegen eigentlich,
mau solle den Handelsverkehr mit Kampanien regeln. Das geschah denn auch,
»ut die Einführung des Kultus der genannten drei Gottheiten, denen man
»och den Handelsgott Hermes beigesellte, war nur das religiöse Symbol der
Regelung, Man behielt aber nicht, wie bei Apollo und einigen andern Griechen-
gottern, die griechischen Namen bei, sondern verehrte die neuen Gottheiten
unter den alten lateinischen Namen Ceres, Liber, Libera und Merkur, bezog
jedoch die Priesterinnen für die Geheimfeier der Ceres gewöhnlich aus Neapel
und Velia, Nun ist die reichliche Versorgung mit Getreide eine Angelegenheit,
von der vorzugsweise das Wohl und Wehe des ärmer,, Volkes abhängt.
Deshalb war der Cerestempel, dessen Einweihung in die Zeit der beginnenden
Emanzipation der Plebs fiel, ein plebejisches Heiligtum, und die plebejischen
Beamten, denen die Marktanfsicht und die eurg. Muoruuz übertragen wurde,
die Ädilen, bekamen von der aoäes Vororts, wo sie auch das Archiv der Plebs
verwahrten, ihren Namens Auf solche Weise entsteh,, neue religiöse Gebilde;
weder aus Studierstuben noch ans den Bemtungszimmern der Behörden
Pflegen sie hervorzugehn. Die Gelehrten und die Philosophen können Neu
bildungen vorbereiten, die Regierungen können ihre Entwicklung leiten, ent¬
steh« können sie nur aus den Anschauung«,, „ut die Bedürfnissen des Volkes
oder aus der Schöpferthat eines religiöse» Genies, das solche Bedürfnisse zu
befriedigen versteht.




Am Kiße des Hradscbins
(^eorg Ltellanns ,.X>n (Schluß)

le Montmervsche Haushaltung war in ganz Prag bei weitem die
^stattlichste. Das große Privatvermögen des Fürsten in Verbindung
mit den jährlich wachsenden Revenüen ans seinen gewerblichen An
lagen hatte ihn, erlaubt, einen Hausstand, wie er vor einem Jahr
^ hundert Sitte war, beizubehalten, während die meisten seiner Standes-
! genossen durch die Verhältnisse gezwungen worden waren, ihr Haus
einfacher einzurichten und sich mit einem Bruchteil der Bedienung zu begnügen, die
man noch zu Kmmitzens Zeiten für unentbehrlich hielt. Das Palais, ein gewaltiges
dreistöckiges Gebäude, dessen nach hinten nusspringende Seitenflügel einen geräumigen
Hof einschlossen, lag nicht im Herzen der Stadt, sondern etwas abseits. Die zu
no> führenden, meist menschenleeren Straßen waren zum großen Teil mit alter-
mmlichen Häusern, Palästen oder Stiftsgebäuden besetzt, und der Garten dehnte
Reh über welliges Land bis hinaus in die Vorstadt,

Man konnte mit der Dienerschaft, die man vom Lande mitbrachte und auch
wüst in der Stadt unterhielt, nie das ganze Palais bewohnen, nur Teile davon,
"ut das gab ihm etwas von melancholisch stimmender Größe, ein Gefühl, das sich
u»es in den Korridoren, Sälen und Zimmern nie recht verlor, weil alle Dimen-


ÄronzbcNen IV >!>-»> 711
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239407"/>
          <fw type="header" place="top"> Am Fusj&gt;.&gt; des ylXldsiliin^</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2844" prev="#ID_2843"> erhielt die Antwort, die griechischen Gottheiten Demeter, Dionysos und Kore<lb/>
seien zu versöhnen, Demeter und Dionysos wurden im getreide- und wein¬<lb/>
reichen Kompanien eifrig verehrt, und der Rat besagte deswegen eigentlich,<lb/>
mau solle den Handelsverkehr mit Kampanien regeln. Das geschah denn auch,<lb/>
»ut die Einführung des Kultus der genannten drei Gottheiten, denen man<lb/>
»och den Handelsgott Hermes beigesellte, war nur das religiöse Symbol der<lb/>
Regelung, Man behielt aber nicht, wie bei Apollo und einigen andern Griechen-<lb/>
gottern, die griechischen Namen bei, sondern verehrte die neuen Gottheiten<lb/>
unter den alten lateinischen Namen Ceres, Liber, Libera und Merkur, bezog<lb/>
jedoch die Priesterinnen für die Geheimfeier der Ceres gewöhnlich aus Neapel<lb/>
und Velia, Nun ist die reichliche Versorgung mit Getreide eine Angelegenheit,<lb/>
von der vorzugsweise das Wohl und Wehe des ärmer,, Volkes abhängt.<lb/>
Deshalb war der Cerestempel, dessen Einweihung in die Zeit der beginnenden<lb/>
Emanzipation der Plebs fiel, ein plebejisches Heiligtum, und die plebejischen<lb/>
Beamten, denen die Marktanfsicht und die eurg. Muoruuz übertragen wurde,<lb/>
die Ädilen, bekamen von der aoäes Vororts, wo sie auch das Archiv der Plebs<lb/>
verwahrten, ihren Namens Auf solche Weise entsteh,, neue religiöse Gebilde;<lb/>
weder aus Studierstuben noch ans den Bemtungszimmern der Behörden<lb/>
Pflegen sie hervorzugehn. Die Gelehrten und die Philosophen können Neu<lb/>
bildungen vorbereiten, die Regierungen können ihre Entwicklung leiten, ent¬<lb/>
steh« können sie nur aus den Anschauung«,, &#x201E;ut die Bedürfnissen des Volkes<lb/>
oder aus der Schöpferthat eines religiöse» Genies, das solche Bedürfnisse zu<lb/>
befriedigen versteht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Am Kiße des Hradscbins<lb/><note type="byline"> (^eorg Ltellanns</note> ,.X&gt;n (Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2845"> le Montmervsche Haushaltung war in ganz Prag bei weitem die<lb/>
^stattlichste. Das große Privatvermögen des Fürsten in Verbindung<lb/>
mit den jährlich wachsenden Revenüen ans seinen gewerblichen An<lb/>
lagen hatte ihn, erlaubt, einen Hausstand, wie er vor einem Jahr<lb/>
^ hundert Sitte war, beizubehalten, während die meisten seiner Standes-<lb/>
! genossen durch die Verhältnisse gezwungen worden waren, ihr Haus<lb/>
einfacher einzurichten und sich mit einem Bruchteil der Bedienung zu begnügen, die<lb/>
man noch zu Kmmitzens Zeiten für unentbehrlich hielt. Das Palais, ein gewaltiges<lb/>
dreistöckiges Gebäude, dessen nach hinten nusspringende Seitenflügel einen geräumigen<lb/>
Hof einschlossen, lag nicht im Herzen der Stadt, sondern etwas abseits. Die zu<lb/>
no&gt; führenden, meist menschenleeren Straßen waren zum großen Teil mit alter-<lb/>
mmlichen Häusern, Palästen oder Stiftsgebäuden besetzt, und der Garten dehnte<lb/>
Reh über welliges Land bis hinaus in die Vorstadt,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2846" next="#ID_2847"> Man konnte mit der Dienerschaft, die man vom Lande mitbrachte und auch<lb/>
wüst in der Stadt unterhielt, nie das ganze Palais bewohnen, nur Teile davon,<lb/>
"ut das gab ihm etwas von melancholisch stimmender Größe, ein Gefühl, das sich<lb/>
u»es in den Korridoren, Sälen und Zimmern nie recht verlor, weil alle Dimen-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> ÄronzbcNen IV &gt;!&gt;&gt; 711</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0619] Am Fusj>.> des ylXldsiliin^ erhielt die Antwort, die griechischen Gottheiten Demeter, Dionysos und Kore seien zu versöhnen, Demeter und Dionysos wurden im getreide- und wein¬ reichen Kompanien eifrig verehrt, und der Rat besagte deswegen eigentlich, mau solle den Handelsverkehr mit Kampanien regeln. Das geschah denn auch, »ut die Einführung des Kultus der genannten drei Gottheiten, denen man »och den Handelsgott Hermes beigesellte, war nur das religiöse Symbol der Regelung, Man behielt aber nicht, wie bei Apollo und einigen andern Griechen- gottern, die griechischen Namen bei, sondern verehrte die neuen Gottheiten unter den alten lateinischen Namen Ceres, Liber, Libera und Merkur, bezog jedoch die Priesterinnen für die Geheimfeier der Ceres gewöhnlich aus Neapel und Velia, Nun ist die reichliche Versorgung mit Getreide eine Angelegenheit, von der vorzugsweise das Wohl und Wehe des ärmer,, Volkes abhängt. Deshalb war der Cerestempel, dessen Einweihung in die Zeit der beginnenden Emanzipation der Plebs fiel, ein plebejisches Heiligtum, und die plebejischen Beamten, denen die Marktanfsicht und die eurg. Muoruuz übertragen wurde, die Ädilen, bekamen von der aoäes Vororts, wo sie auch das Archiv der Plebs verwahrten, ihren Namens Auf solche Weise entsteh,, neue religiöse Gebilde; weder aus Studierstuben noch ans den Bemtungszimmern der Behörden Pflegen sie hervorzugehn. Die Gelehrten und die Philosophen können Neu bildungen vorbereiten, die Regierungen können ihre Entwicklung leiten, ent¬ steh« können sie nur aus den Anschauung«,, „ut die Bedürfnissen des Volkes oder aus der Schöpferthat eines religiöse» Genies, das solche Bedürfnisse zu befriedigen versteht. Am Kiße des Hradscbins (^eorg Ltellanns ,.X>n (Schluß) le Montmervsche Haushaltung war in ganz Prag bei weitem die ^stattlichste. Das große Privatvermögen des Fürsten in Verbindung mit den jährlich wachsenden Revenüen ans seinen gewerblichen An lagen hatte ihn, erlaubt, einen Hausstand, wie er vor einem Jahr ^ hundert Sitte war, beizubehalten, während die meisten seiner Standes- ! genossen durch die Verhältnisse gezwungen worden waren, ihr Haus einfacher einzurichten und sich mit einem Bruchteil der Bedienung zu begnügen, die man noch zu Kmmitzens Zeiten für unentbehrlich hielt. Das Palais, ein gewaltiges dreistöckiges Gebäude, dessen nach hinten nusspringende Seitenflügel einen geräumigen Hof einschlossen, lag nicht im Herzen der Stadt, sondern etwas abseits. Die zu no> führenden, meist menschenleeren Straßen waren zum großen Teil mit alter- mmlichen Häusern, Palästen oder Stiftsgebäuden besetzt, und der Garten dehnte Reh über welliges Land bis hinaus in die Vorstadt, Man konnte mit der Dienerschaft, die man vom Lande mitbrachte und auch wüst in der Stadt unterhielt, nie das ganze Palais bewohnen, nur Teile davon, "ut das gab ihm etwas von melancholisch stimmender Größe, ein Gefühl, das sich u»es in den Korridoren, Sälen und Zimmern nie recht verlor, weil alle Dimen- ÄronzbcNen IV >!>-»> 711

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/619
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/619>, abgerufen am 01.09.2024.