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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Von einer Weltreise

nicht bloß in die äußerlich feinern Verhältnisse, sondern auch in die höhern
Sphären, darinnen, wie der Dichter sagt, das Ohr viel feiner hören und das
Auge weiter tragen kann.

In der äußern Darstellung gehn Erzählung und Ortsschilderung bei
Vröndstcd weniger in die Breite, der Nachdruck liegt auf dem bei manchmal
äußerster Knappheit -- die Menschen des Nordens sind einsilbig -- vielsagenden
Dialog; geradezu erstaunlich ist es. wie die Unterdrückungen, die nicht zu Ende
gesprochnen Sätze, typographisch ausgedrückt die Gedankenstriche, wirken. Das
Personifizieren lebloser Gegenstände, die mit Eindrücken zu den Menschen sprechen,
findet sich auch bei Bröndsted, wenn er z. B. Ricks sich mit seiner Studier¬
lampe unterhalten läßt, ebenso das Meditieren, das zum Selbstgespräch wird.
Die psychologische Kunst ist mindestens ebenso groß wie bei Frenssen, z. B.
in der Haushälterin des Ministers und in dem für die Exposition wichtigen
Vertrauensverhältnis, das sich zwischen ihr und ihrem Schützling Ricks leise
anspinnt. Die Figur des Verrückten hat für manchen Geschmack vielleicht etwas
'"ehr Licht bekommen, als für ihre Aufgabe, durch die Ermordung des Ministers
die Katastrophe herbeizuführen und die Hauptperson über die flache Rolle
unes Hans im Glück zu erheben, erforderlich war. Übrigens herrscht volles
Ebenmaß in der Abwägung der Rollenfächer und der Folge der Szenen,
sodaß man nichts hinwegnehmen könnte. Da das Mitten Bröndsteds welt-
förmiger ist, so ist das Pathos weniger stark, aber der Gesamteindruck daran
doch nur scheinbar flacher als bei Frenssen, wo nach unserm Gefühl wenigstens
der mehr an die Nerven gehende Prcdigertvn manchmal der künstlerischen
Wirkung im Wege steht.

Wir meinen also, und das sollte mit dieser kurzen Parallele gesagt sem.
daß Bröndsted der größere Künstler ist, wogegen sich ja vielleicht in Frenssen
noch das stärkere Talent wird offenbaren können.




Von einer Weltreise
^. Die Blutsaristokratie der Europäer in den Tropen

is ich als Schiffsarzt um Afrika fuhr, lief unser Schiff auch
einige kleinere Häfen des portugiesischen Ostafrikas an. Es ist
Sitte, daß die Herren vom Land den Ankömmlingen an Bord
den ersten Besuch machen. Darum hatten wir bald die ganze
^. deutsche Kolonie an Bord versammelt. Denn es locken nicht
oß Bier und Rheinwein, die ja mich an Land zu haben sind, sondern als
^ kostbarsten aller Delikatessen Schwarzbrot, Butter und Käse, die nur, wenn
^ Schiff von der Heimat kommt, zu haben sind. Die Unterhaltung kam
ni Gang. Denn jeder fragt, worauf er eben neugierig ist, und an he-
res^' t ------- -- > ----......> .....-......^--" "
"Mgter Neugierde ist ja auf beiden Seiten kein Mangel. So fragte ich:


Von einer Weltreise

nicht bloß in die äußerlich feinern Verhältnisse, sondern auch in die höhern
Sphären, darinnen, wie der Dichter sagt, das Ohr viel feiner hören und das
Auge weiter tragen kann.

In der äußern Darstellung gehn Erzählung und Ortsschilderung bei
Vröndstcd weniger in die Breite, der Nachdruck liegt auf dem bei manchmal
äußerster Knappheit — die Menschen des Nordens sind einsilbig — vielsagenden
Dialog; geradezu erstaunlich ist es. wie die Unterdrückungen, die nicht zu Ende
gesprochnen Sätze, typographisch ausgedrückt die Gedankenstriche, wirken. Das
Personifizieren lebloser Gegenstände, die mit Eindrücken zu den Menschen sprechen,
findet sich auch bei Bröndsted, wenn er z. B. Ricks sich mit seiner Studier¬
lampe unterhalten läßt, ebenso das Meditieren, das zum Selbstgespräch wird.
Die psychologische Kunst ist mindestens ebenso groß wie bei Frenssen, z. B.
in der Haushälterin des Ministers und in dem für die Exposition wichtigen
Vertrauensverhältnis, das sich zwischen ihr und ihrem Schützling Ricks leise
anspinnt. Die Figur des Verrückten hat für manchen Geschmack vielleicht etwas
'"ehr Licht bekommen, als für ihre Aufgabe, durch die Ermordung des Ministers
die Katastrophe herbeizuführen und die Hauptperson über die flache Rolle
unes Hans im Glück zu erheben, erforderlich war. Übrigens herrscht volles
Ebenmaß in der Abwägung der Rollenfächer und der Folge der Szenen,
sodaß man nichts hinwegnehmen könnte. Da das Mitten Bröndsteds welt-
förmiger ist, so ist das Pathos weniger stark, aber der Gesamteindruck daran
doch nur scheinbar flacher als bei Frenssen, wo nach unserm Gefühl wenigstens
der mehr an die Nerven gehende Prcdigertvn manchmal der künstlerischen
Wirkung im Wege steht.

Wir meinen also, und das sollte mit dieser kurzen Parallele gesagt sem.
daß Bröndsted der größere Künstler ist, wogegen sich ja vielleicht in Frenssen
noch das stärkere Talent wird offenbaren können.




Von einer Weltreise
^. Die Blutsaristokratie der Europäer in den Tropen

is ich als Schiffsarzt um Afrika fuhr, lief unser Schiff auch
einige kleinere Häfen des portugiesischen Ostafrikas an. Es ist
Sitte, daß die Herren vom Land den Ankömmlingen an Bord
den ersten Besuch machen. Darum hatten wir bald die ganze
^. deutsche Kolonie an Bord versammelt. Denn es locken nicht
oß Bier und Rheinwein, die ja mich an Land zu haben sind, sondern als
^ kostbarsten aller Delikatessen Schwarzbrot, Butter und Käse, die nur, wenn
^ Schiff von der Heimat kommt, zu haben sind. Die Unterhaltung kam
ni Gang. Denn jeder fragt, worauf er eben neugierig ist, und an he-
res^' t ------- — > ——......> .....-......^—» "
"Mgter Neugierde ist ja auf beiden Seiten kein Mangel. So fragte ich:


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[0047] Von einer Weltreise nicht bloß in die äußerlich feinern Verhältnisse, sondern auch in die höhern Sphären, darinnen, wie der Dichter sagt, das Ohr viel feiner hören und das Auge weiter tragen kann. In der äußern Darstellung gehn Erzählung und Ortsschilderung bei Vröndstcd weniger in die Breite, der Nachdruck liegt auf dem bei manchmal äußerster Knappheit — die Menschen des Nordens sind einsilbig — vielsagenden Dialog; geradezu erstaunlich ist es. wie die Unterdrückungen, die nicht zu Ende gesprochnen Sätze, typographisch ausgedrückt die Gedankenstriche, wirken. Das Personifizieren lebloser Gegenstände, die mit Eindrücken zu den Menschen sprechen, findet sich auch bei Bröndsted, wenn er z. B. Ricks sich mit seiner Studier¬ lampe unterhalten läßt, ebenso das Meditieren, das zum Selbstgespräch wird. Die psychologische Kunst ist mindestens ebenso groß wie bei Frenssen, z. B. in der Haushälterin des Ministers und in dem für die Exposition wichtigen Vertrauensverhältnis, das sich zwischen ihr und ihrem Schützling Ricks leise anspinnt. Die Figur des Verrückten hat für manchen Geschmack vielleicht etwas '"ehr Licht bekommen, als für ihre Aufgabe, durch die Ermordung des Ministers die Katastrophe herbeizuführen und die Hauptperson über die flache Rolle unes Hans im Glück zu erheben, erforderlich war. Übrigens herrscht volles Ebenmaß in der Abwägung der Rollenfächer und der Folge der Szenen, sodaß man nichts hinwegnehmen könnte. Da das Mitten Bröndsteds welt- förmiger ist, so ist das Pathos weniger stark, aber der Gesamteindruck daran doch nur scheinbar flacher als bei Frenssen, wo nach unserm Gefühl wenigstens der mehr an die Nerven gehende Prcdigertvn manchmal der künstlerischen Wirkung im Wege steht. Wir meinen also, und das sollte mit dieser kurzen Parallele gesagt sem. daß Bröndsted der größere Künstler ist, wogegen sich ja vielleicht in Frenssen noch das stärkere Talent wird offenbaren können. Von einer Weltreise ^. Die Blutsaristokratie der Europäer in den Tropen is ich als Schiffsarzt um Afrika fuhr, lief unser Schiff auch einige kleinere Häfen des portugiesischen Ostafrikas an. Es ist Sitte, daß die Herren vom Land den Ankömmlingen an Bord den ersten Besuch machen. Darum hatten wir bald die ganze ^. deutsche Kolonie an Bord versammelt. Denn es locken nicht oß Bier und Rheinwein, die ja mich an Land zu haben sind, sondern als ^ kostbarsten aller Delikatessen Schwarzbrot, Butter und Käse, die nur, wenn ^ Schiff von der Heimat kommt, zu haben sind. Die Unterhaltung kam ni Gang. Denn jeder fragt, worauf er eben neugierig ist, und an he- res^' t ------- — > ——......> .....-......^—» " "Mgter Neugierde ist ja auf beiden Seiten kein Mangel. So fragte ich:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/47>, abgerufen am 01.09.2024.