Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr. Sprachs, und nach den co'gen Sternen Wandte dankend sich sein Blick -- "Herr, wie soll ich Schwacher lernen Zu vergelten dem Geschick?" -- ' "Wars nicht für das Wohl der Brüder, Daß ich dies Geschenk dir gab? Jhm, dem viel verliehen worden, Fordr' ich viel dereinst auch ab." Litteratur Grundbedingungen der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Von Samuel Reval, Leipzig, Duncker und Humblot, 1902 Der Verfasser verwendet ein großes und gutes Stück Arbeit an eine Schrulle. Die Seelenfrage mit Rücksicht auf die neuern Wandlungen gewisser natur¬ wissenschaftlicher Begriffe. Von O. Flügel. Dritte, vermehrte Auflage. Kälber, O. Schulze, 1902. is8 S. Der Verfasser hat nicht die Absicht, die vielen vorhandnen Meinungen über Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Margunrt in Leipzig Sprachs, und nach den co'gen Sternen Wandte dankend sich sein Blick — „Herr, wie soll ich Schwacher lernen Zu vergelten dem Geschick?" — ' „Wars nicht für das Wohl der Brüder, Daß ich dies Geschenk dir gab? Jhm, dem viel verliehen worden, Fordr' ich viel dereinst auch ab." Litteratur Grundbedingungen der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Von Samuel Reval, Leipzig, Duncker und Humblot, 1902 Der Verfasser verwendet ein großes und gutes Stück Arbeit an eine Schrulle. Die Seelenfrage mit Rücksicht auf die neuern Wandlungen gewisser natur¬ wissenschaftlicher Begriffe. Von O. Flügel. Dritte, vermehrte Auflage. Kälber, O. Schulze, 1902. is8 S. Der Verfasser hat nicht die Absicht, die vielen vorhandnen Meinungen über Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Margunrt in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239078"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> Sprachs, und nach den co'gen Sternen<lb/> Wandte dankend sich sein Blick —<lb/> „Herr, wie soll ich Schwacher lernen<lb/> Zu vergelten dem Geschick?" —<lb/> '<lb/> „Wars nicht für das Wohl der Brüder,<lb/> Daß ich dies Geschenk dir gab?<lb/> Jhm, dem viel verliehen worden,<lb/> Fordr' ich viel dereinst auch ab."<lb/></l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Grundbedingungen der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Von Samuel Reval, Leipzig,<lb/> Duncker und Humblot, 1902</head><lb/> <p xml:id="ID_1437"> Der Verfasser verwendet ein großes und gutes Stück Arbeit an eine Schrulle.<lb/> Er kritisiert in seinem 092 Seiten starken, gediegen ausgestatteten Buche die be¬<lb/> stehende Produktionsordnung, und zwar ganz vortrefflich, und malt dann den kom¬<lb/> munistischen Zukunftsstaat. Und zwar behandelt er diesen nicht als unterhaltende<lb/> Utopie, konstruiert ihn auch nicht, wie Thüren seinen isolierten Staat, um an dem<lb/> selbstverständlich unrealisierbaren Muster volkswirtschaftliche Gesetze zu demonstrieren,<lb/> was wissenschaftlich zulässig und unter Umständen sogar notwendig ist, sondern er<lb/> glaubt, daß wir diesen seinen Staat in nicht zu ferner Zukunft wirklich haben<lb/> werden, und beschreibt die Stufen, über die wir aus dein Gegenwartsstaat in ihn<lb/> hineingelangen sollen. Eine solche Illusion konnte man dem phantasievollen Drechsler¬<lb/> meister Bebel vor neunzehn Jahren verzeihen; wenn ihr heute ein, wie es scheint,<lb/> akademisch gebildeter Manu unterliegt, so macht das einen peinlichen Eindruck.<lb/> Übrigens bekämpft Reval die Sozialdemokratie, weil sie das Privateigentum nicht<lb/> energisch und unbedingt genug verwirft, weil sie staatsfeindlich ist (er sieht im<lb/> Staate die Organisation der Gesellschaft, die allein dem Einzelnen Leben und Wohl¬<lb/> fahrt sichern könne, und wünscht nicht eine Weltrepublik, sondern will die historisch<lb/> gewordnen Staaten fortbestehn lassen), und weil sie dem Unterschiede der Begabungen<lb/> und Leistungen zu wenig Rechnung trägt. Solchen Leuten, die in unsrer heutigen<lb/> Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht die zur Zeit allein mögliche Form des<lb/> seiner Natur nach mit unheilbaren Übeln behafteten Menschendaseins sehen, sondern<lb/> sie für ideal halten, kann man das Buch immerhin empfehlen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Seelenfrage mit Rücksicht auf die neuern Wandlungen gewisser natur¬<lb/> wissenschaftlicher Begriffe. Von O. Flügel. Dritte, vermehrte Auflage. Kälber,<lb/> O. Schulze, 1902. is8 S.</head><lb/> <p xml:id="ID_1438"> Der Verfasser hat nicht die Absicht, die vielen vorhandnen Meinungen über<lb/> das Wesen der Seele durch seine eigne zu vermehren. Vielmehr geht er kritisch<lb/> vor und behandelt in überaus klarer Darlegung und mit Hilfe einer streng natur¬<lb/> wissenschaftlichen Methode die Frage, ob mau von denselben als richtig anzuerken¬<lb/> nenden Voraussetzungen ausgehend, auf denen der gegenwärtige Materialismus fußt,<lb/> zu der Leugnung der Seele kommen müsse. Hierbei werden wohl alle in Betracht<lb/> kommenden Ansichten über das Wesen der Seele besprochen. Der Verfasser findet,<lb/> daß die Naturwisscnschcift, die sich mit Vorliebe die exakte Wissenschaft nennt, in<lb/> ihrer Methode manchmal doch nicht exakt genng ist, der Gefahr zu entgehn, ihren<lb/> eignen Boden zu verlassen und auf Irrwege zu gerate», und wird durch die Über¬<lb/> zeugung von der Unmöglichkeit einer unmittelbaren Fernwirkung und durch die<lb/> Thatsache von der Einheit des Bewußtseins zu der Annahme gebracht, daß es eine<lb/> selbständige, Substanzielle, mit dem Gehirn in genauer Wechselwirkung stehende, in<lb/> sich einheitliche und darum unsterbliche Seele gebe. Das Buch sei alleu, die sich<lb/> über die vorgenannte Frage, die sicher zu den wichtigsten der derzeitigen Kultur<lb/> gehört, unterrichten wollen, bestens empfohlen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Margunrt in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
Sprachs, und nach den co'gen Sternen
Wandte dankend sich sein Blick —
„Herr, wie soll ich Schwacher lernen
Zu vergelten dem Geschick?" —
'
„Wars nicht für das Wohl der Brüder,
Daß ich dies Geschenk dir gab?
Jhm, dem viel verliehen worden,
Fordr' ich viel dereinst auch ab."
Litteratur
Grundbedingungen der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Von Samuel Reval, Leipzig,
Duncker und Humblot, 1902
Der Verfasser verwendet ein großes und gutes Stück Arbeit an eine Schrulle.
Er kritisiert in seinem 092 Seiten starken, gediegen ausgestatteten Buche die be¬
stehende Produktionsordnung, und zwar ganz vortrefflich, und malt dann den kom¬
munistischen Zukunftsstaat. Und zwar behandelt er diesen nicht als unterhaltende
Utopie, konstruiert ihn auch nicht, wie Thüren seinen isolierten Staat, um an dem
selbstverständlich unrealisierbaren Muster volkswirtschaftliche Gesetze zu demonstrieren,
was wissenschaftlich zulässig und unter Umständen sogar notwendig ist, sondern er
glaubt, daß wir diesen seinen Staat in nicht zu ferner Zukunft wirklich haben
werden, und beschreibt die Stufen, über die wir aus dein Gegenwartsstaat in ihn
hineingelangen sollen. Eine solche Illusion konnte man dem phantasievollen Drechsler¬
meister Bebel vor neunzehn Jahren verzeihen; wenn ihr heute ein, wie es scheint,
akademisch gebildeter Manu unterliegt, so macht das einen peinlichen Eindruck.
Übrigens bekämpft Reval die Sozialdemokratie, weil sie das Privateigentum nicht
energisch und unbedingt genug verwirft, weil sie staatsfeindlich ist (er sieht im
Staate die Organisation der Gesellschaft, die allein dem Einzelnen Leben und Wohl¬
fahrt sichern könne, und wünscht nicht eine Weltrepublik, sondern will die historisch
gewordnen Staaten fortbestehn lassen), und weil sie dem Unterschiede der Begabungen
und Leistungen zu wenig Rechnung trägt. Solchen Leuten, die in unsrer heutigen
Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht die zur Zeit allein mögliche Form des
seiner Natur nach mit unheilbaren Übeln behafteten Menschendaseins sehen, sondern
sie für ideal halten, kann man das Buch immerhin empfehlen.
Die Seelenfrage mit Rücksicht auf die neuern Wandlungen gewisser natur¬
wissenschaftlicher Begriffe. Von O. Flügel. Dritte, vermehrte Auflage. Kälber,
O. Schulze, 1902. is8 S.
Der Verfasser hat nicht die Absicht, die vielen vorhandnen Meinungen über
das Wesen der Seele durch seine eigne zu vermehren. Vielmehr geht er kritisch
vor und behandelt in überaus klarer Darlegung und mit Hilfe einer streng natur¬
wissenschaftlichen Methode die Frage, ob mau von denselben als richtig anzuerken¬
nenden Voraussetzungen ausgehend, auf denen der gegenwärtige Materialismus fußt,
zu der Leugnung der Seele kommen müsse. Hierbei werden wohl alle in Betracht
kommenden Ansichten über das Wesen der Seele besprochen. Der Verfasser findet,
daß die Naturwisscnschcift, die sich mit Vorliebe die exakte Wissenschaft nennt, in
ihrer Methode manchmal doch nicht exakt genng ist, der Gefahr zu entgehn, ihren
eignen Boden zu verlassen und auf Irrwege zu gerate», und wird durch die Über¬
zeugung von der Unmöglichkeit einer unmittelbaren Fernwirkung und durch die
Thatsache von der Einheit des Bewußtseins zu der Annahme gebracht, daß es eine
selbständige, Substanzielle, mit dem Gehirn in genauer Wechselwirkung stehende, in
sich einheitliche und darum unsterbliche Seele gebe. Das Buch sei alleu, die sich
über die vorgenannte Frage, die sicher zu den wichtigsten der derzeitigen Kultur
gehört, unterrichten wollen, bestens empfohlen.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Margunrt in Leipzig
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