Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund Die gnädige Frau winkte mit der Lorgnette. Wandrer trat mit leisem, schnellem So, nun nochmal. Johann rückte der Jungfer Rosa ernstlich auf den Leib, buchstabierte die So nicht, Johann. Hören Sie mal zu. Wenn Sie einschenken, so nehmen Klapphorn machte ein sachverständiges Gesicht. Wissen Sie, was Accidenz ist? fragte Wandrer. Jawohl, Herr Wandrer, Accidenz ist ein Steuerbeamter. Ach so? erwiderte Wandrer lachend, von wegen der Accise. Sie vermuten O nein, Herr Sandmann, erwiderte die gnädige Fran -- Wandrer wollte Felix Wandrer, gnädige Frau. Nein, in Hotels lernt man diese Nüancen, die Sie ganz richtig beschrieben Zum Beispiel in der ersten Kajüte der Schnelldampfer oder im guten englischen Wenn es Felix Wandrer darauf angelegt gehabt hätte, das Herz der gnädigen Am andern Morgen brachte ein Bote den Brautführerstrauß für Fräulein Aus Alices Tagebuch Ich muß wohl anders sein als andre Mädchen. Sie tanzen lachend in die Doktor Duttmüller und sein Freund Die gnädige Frau winkte mit der Lorgnette. Wandrer trat mit leisem, schnellem So, nun nochmal. Johann rückte der Jungfer Rosa ernstlich auf den Leib, buchstabierte die So nicht, Johann. Hören Sie mal zu. Wenn Sie einschenken, so nehmen Klapphorn machte ein sachverständiges Gesicht. Wissen Sie, was Accidenz ist? fragte Wandrer. Jawohl, Herr Wandrer, Accidenz ist ein Steuerbeamter. Ach so? erwiderte Wandrer lachend, von wegen der Accise. Sie vermuten O nein, Herr Sandmann, erwiderte die gnädige Fran — Wandrer wollte Felix Wandrer, gnädige Frau. Nein, in Hotels lernt man diese Nüancen, die Sie ganz richtig beschrieben Zum Beispiel in der ersten Kajüte der Schnelldampfer oder im guten englischen Wenn es Felix Wandrer darauf angelegt gehabt hätte, das Herz der gnädigen Am andern Morgen brachte ein Bote den Brautführerstrauß für Fräulein Aus Alices Tagebuch Ich muß wohl anders sein als andre Mädchen. Sie tanzen lachend in die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0684" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237208"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_2845"> Die gnädige Frau winkte mit der Lorgnette. Wandrer trat mit leisem, schnellem<lb/> Schritt hinter den Stuhl von Rosa, nannte flüsternd den Namen des Weins, schenkte<lb/> ein und zog sich ebenso zurück. In Miene und Haltung völlig echt. Kein herr¬<lb/> schaftlicher Diener hätte es besser machen können. Nur ein klein wenig ins Drollige<lb/> übertrieben. Marie lachte laut auf, und auch die gnädige Frau schmunzelte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2846"> So, nun nochmal.</p><lb/> <p xml:id="ID_2847"> Johann rückte der Jungfer Rosa ernstlich auf den Leib, buchstabierte die<lb/> Etikette seiner Flasche und rief: Winkler! Hasensprung! wie wenn er dem Füsilier<lb/> Winkler den Kompagniebefehl überbrachte, einen Hasensprung zu macheu.</p><lb/> <p xml:id="ID_2848"> So nicht, Johann. Hören Sie mal zu. Wenn Sie einschenken, so nehmen<lb/> Sie die Flasche so in die Hand. Etwa so, wie der Herr Leutnant sein Glas hält,<lb/> wenn er dem Herrn Kommandeur zutrinkt. Dann treten Sie hochachtungsvoll und<lb/> diskret heran. Bei einem Feste, wie einer Hochzeit, darf vom Braten an eine<lb/> Nüance Vertraulichkeit hinzukommen, aber nur eine Idee. Dann warten Sie eine<lb/> Pause in der Unterhaltung ab und sagen „W'k'l'r Has'nspr'ng." Es ist nur eine<lb/> schüchterne Erinnerung, bei der man aus dem Tone die Entschuldigung heraushören<lb/> muß. Denn die Herrschaften wissen ganz genau, was Winkler Hasensprung ist.<lb/> Und dann schenken Sie ein. Nicht voll, wie beim Herrn Direktor, wenn Herren¬<lb/> gesellschaft ist, sondern zwei Strohhalm breit über die Hälfte des Glases. Denn<lb/> hier ist die Feuchtigkeit nur Accidenz.</p><lb/> <p xml:id="ID_2849"> Klapphorn machte ein sachverständiges Gesicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2850"> Wissen Sie, was Accidenz ist? fragte Wandrer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2851"> Jawohl, Herr Wandrer, Accidenz ist ein Steuerbeamter.</p><lb/> <p xml:id="ID_2852"> Ach so? erwiderte Wandrer lachend, von wegen der Accise. Sie vermuten<lb/> vielleicht, gnädige Frau, daß ich früher Oberkellner gewesen bin.</p><lb/> <p xml:id="ID_2853"> O nein, Herr Sandmann, erwiderte die gnädige Fran — Wandrer wollte<lb/> ich sagen, mein Gott, ich kann Ihren Namen nicht behalten, Viktor Wandrer —</p><lb/> <p xml:id="ID_2854"> Felix Wandrer, gnädige Frau.</p><lb/> <p xml:id="ID_2855"> Nein, in Hotels lernt man diese Nüancen, die Sie ganz richtig beschrieben<lb/> haben, nicht, sondern nur in der gute» Gesellschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_2856"> Zum Beispiel in der ersten Kajüte der Schnelldampfer oder im guten englischen<lb/> Klubhause. 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Während dessen nahm<lb/> die unterbrochne Generalprobe ihren Fortgang.</p><lb/> <p xml:id="ID_2858"> Am andern Morgen brachte ein Bote den Brautführerstrauß für Fräulein<lb/> Ellen, der einfach entzückend war, wie die Schneiderinnen sagten, und zum Kleide<lb/> paßte wie dazu bestellt. Ellen bemühte sich, nichts besondres daran zu finden,<lb/> besonders weil jetzt auch Mama anfing, Herrn Wandrers Loblied zu singen. Und<lb/> sie hätte doch so gern einmal einen Hampelmann mit rotem Kragen gehabt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> Aus Alices Tagebuch</head><lb/> <p xml:id="ID_2859" next="#ID_2860"> Ich muß wohl anders sein als andre Mädchen. Sie tanzen lachend in die<lb/> Ehe hinein, und ich überschreite die Schwelle mit Beben und Herzklopfen. Mir ist<lb/> es eine Aufgabe, ein schwerer und doch begehrenswerter Beruf. Ich möchte zuvor</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0684]
Doktor Duttmüller und sein Freund
Die gnädige Frau winkte mit der Lorgnette. Wandrer trat mit leisem, schnellem
Schritt hinter den Stuhl von Rosa, nannte flüsternd den Namen des Weins, schenkte
ein und zog sich ebenso zurück. In Miene und Haltung völlig echt. Kein herr¬
schaftlicher Diener hätte es besser machen können. Nur ein klein wenig ins Drollige
übertrieben. Marie lachte laut auf, und auch die gnädige Frau schmunzelte.
So, nun nochmal.
Johann rückte der Jungfer Rosa ernstlich auf den Leib, buchstabierte die
Etikette seiner Flasche und rief: Winkler! Hasensprung! wie wenn er dem Füsilier
Winkler den Kompagniebefehl überbrachte, einen Hasensprung zu macheu.
So nicht, Johann. Hören Sie mal zu. Wenn Sie einschenken, so nehmen
Sie die Flasche so in die Hand. Etwa so, wie der Herr Leutnant sein Glas hält,
wenn er dem Herrn Kommandeur zutrinkt. Dann treten Sie hochachtungsvoll und
diskret heran. Bei einem Feste, wie einer Hochzeit, darf vom Braten an eine
Nüance Vertraulichkeit hinzukommen, aber nur eine Idee. Dann warten Sie eine
Pause in der Unterhaltung ab und sagen „W'k'l'r Has'nspr'ng." Es ist nur eine
schüchterne Erinnerung, bei der man aus dem Tone die Entschuldigung heraushören
muß. Denn die Herrschaften wissen ganz genau, was Winkler Hasensprung ist.
Und dann schenken Sie ein. Nicht voll, wie beim Herrn Direktor, wenn Herren¬
gesellschaft ist, sondern zwei Strohhalm breit über die Hälfte des Glases. Denn
hier ist die Feuchtigkeit nur Accidenz.
Klapphorn machte ein sachverständiges Gesicht.
Wissen Sie, was Accidenz ist? fragte Wandrer.
Jawohl, Herr Wandrer, Accidenz ist ein Steuerbeamter.
Ach so? erwiderte Wandrer lachend, von wegen der Accise. Sie vermuten
vielleicht, gnädige Frau, daß ich früher Oberkellner gewesen bin.
O nein, Herr Sandmann, erwiderte die gnädige Fran — Wandrer wollte
ich sagen, mein Gott, ich kann Ihren Namen nicht behalten, Viktor Wandrer —
Felix Wandrer, gnädige Frau.
Nein, in Hotels lernt man diese Nüancen, die Sie ganz richtig beschrieben
haben, nicht, sondern nur in der gute» Gesellschaft.
Zum Beispiel in der ersten Kajüte der Schnelldampfer oder im guten englischen
Klubhause. Ich weiß nicht, gnädige Fran, „wie Sie über Rußland denken," ich
meinerseits kann zwar das englische Volk, das sich bei uns ans dem Kontinente
herumtreibt und uns anpöbelt, nicht leiden, aber von der guten Form des fein¬
gebildeten Engländers könnten wir etwas formlosen Deutschen noch mancherlei lernen.
Wenn es Felix Wandrer darauf angelegt gehabt hätte, das Herz der gnädigen
Frau im Sturme zu erobern, er hätte es nicht besser anfangen können. Bei der
gnädigen Frau ging die Sonne auf. Sie erhob sich, führte Herrn Wandrer in
das Empfangszimmer, bedauerte, daß ihre Töchter nicht zu Hause seien, und ließ
„den Herrn" aus dem Keller Heraufrufen. Dieser nahm Herrn Wandrer in sein
Studierzimmer, wo er sich von dessen Reisen erzählen ließ. Während dessen nahm
die unterbrochne Generalprobe ihren Fortgang.
Am andern Morgen brachte ein Bote den Brautführerstrauß für Fräulein
Ellen, der einfach entzückend war, wie die Schneiderinnen sagten, und zum Kleide
paßte wie dazu bestellt. Ellen bemühte sich, nichts besondres daran zu finden,
besonders weil jetzt auch Mama anfing, Herrn Wandrers Loblied zu singen. Und
sie hätte doch so gern einmal einen Hampelmann mit rotem Kragen gehabt.
Aus Alices Tagebuch
Ich muß wohl anders sein als andre Mädchen. Sie tanzen lachend in die
Ehe hinein, und ich überschreite die Schwelle mit Beben und Herzklopfen. Mir ist
es eine Aufgabe, ein schwerer und doch begehrenswerter Beruf. Ich möchte zuvor
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