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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Blau und Weiß

Götzendienst mit dein Namen Bismarck treiben. Als ob nicht gerade Bismarck,
zu Zeiten bewußt, zu Zeiten instinktiv, in der Herausbildung des Reichs aus
dem Zollverein, in der Tripelallianz und in der Kolonialpolitik dem gesunden
Trieb: Heraus aus der Enge! so mächtig gedient hätte. Auf die Gefahr hin.
daß man mir die Eigenschaft eines Realpolitikers abspricht, muß ich erklären,
daß ich den zehnten Teil der Worte und der Tinte, die in der sentimentalen
Burenbegeistcrung verschwendet worden sind, auf den mitteleuropäischen Zollverein
verwandt als eine ungemein glückliche nationale Anlage betrachten würde. Für
mich giebt es überhaupt in der europäischen Politik westlich von der Weichsel
keine größere Frage als eben diese des Zusammenschlusses der Völker und der
Staaten, die zum' Teil seit Jahrtausenden nur Gcgeusütze unter sich anerkannt
haben, zu einem Bunde, der zunächst ihre wirtschaftlichen Interessen gegen die
Riesen im Osten und Westen kräftig vertritt. Welcher Macht Europas ist aber
diese Frage näher gelegt, als dem im Herzen des Erdteils liegenden Deutsch--
land? Ich wage zu behaupten, daß seine eigne Zukunft noch mehr als die von
Mittel- und Westeuropa von der Stellung abhängt, die es dazu einnimmt.




Vlau und Weiß

iesesmal bedeutet "Blau und Weiß" nicht die bayrischen Landes-
färben, sondern die Uniform eines stolzen sächsischen Kavallerie-
regiments, der Dresdner Gardereiter, von denen zwei Schwadronen
bis in die sechziger Jahre hinein in Pirna lagen; dort und in
Dresden, wohin dann diese zwei Schwadronen verlegt wurden,
spielt eine soeben bei Fr. Wilh. Grunvw erschienene zweibändige Erzählung
von Georg Stellanus, dem Verfasser des früher in demselben Verlage
herausgekommnen prächtigen Buches "Weihnachten auf Wildegg." Damals
haben wir in den Grenzboten auf die vollendete Kunst dieser ganz einzigen
Erzählung aufmerksam gemacht, die historisch wirkende Stilhöhe in der Führung
der Haupthandlung, die verschwenderische Fülle der aus den verschiedensten
Lebensgebieten gegriffnen Einzelschilderungen, die Sicherheit einer glänzenden,
mit neuen Wendungen überraschenden Diktion, die gleichsam spielend das Äußerste
wagt und dabei immer völlig korrekt bleibt. Eine solche Vereinigung so vieler
Vorzüge in einem Buche, das unter Dutzenden von (äußerlich!) seinesgleichen
den Weg in die Öffentlichkeit macht, setzt nicht nur die Bildung langer Jahre
voraus, sondern vor allem auch eine Kenntnis der Welt, eine Übersicht bis
zu ihre" Höhen und ragenden Gipfeln, von denen die meisten mir nach Hören¬
sagen erzählen, weil man nur von einer bevorzugten Lebensstellung aus nahe
an sie hinantreten kann, und was sich nun aus alledem Besondres für ein
solches Buch ergiebt, auch dieses wirkliche (nicht bloß sogenannte) Vornehme,


Blau und Weiß

Götzendienst mit dein Namen Bismarck treiben. Als ob nicht gerade Bismarck,
zu Zeiten bewußt, zu Zeiten instinktiv, in der Herausbildung des Reichs aus
dem Zollverein, in der Tripelallianz und in der Kolonialpolitik dem gesunden
Trieb: Heraus aus der Enge! so mächtig gedient hätte. Auf die Gefahr hin.
daß man mir die Eigenschaft eines Realpolitikers abspricht, muß ich erklären,
daß ich den zehnten Teil der Worte und der Tinte, die in der sentimentalen
Burenbegeistcrung verschwendet worden sind, auf den mitteleuropäischen Zollverein
verwandt als eine ungemein glückliche nationale Anlage betrachten würde. Für
mich giebt es überhaupt in der europäischen Politik westlich von der Weichsel
keine größere Frage als eben diese des Zusammenschlusses der Völker und der
Staaten, die zum' Teil seit Jahrtausenden nur Gcgeusütze unter sich anerkannt
haben, zu einem Bunde, der zunächst ihre wirtschaftlichen Interessen gegen die
Riesen im Osten und Westen kräftig vertritt. Welcher Macht Europas ist aber
diese Frage näher gelegt, als dem im Herzen des Erdteils liegenden Deutsch--
land? Ich wage zu behaupten, daß seine eigne Zukunft noch mehr als die von
Mittel- und Westeuropa von der Stellung abhängt, die es dazu einnimmt.




Vlau und Weiß

iesesmal bedeutet „Blau und Weiß" nicht die bayrischen Landes-
färben, sondern die Uniform eines stolzen sächsischen Kavallerie-
regiments, der Dresdner Gardereiter, von denen zwei Schwadronen
bis in die sechziger Jahre hinein in Pirna lagen; dort und in
Dresden, wohin dann diese zwei Schwadronen verlegt wurden,
spielt eine soeben bei Fr. Wilh. Grunvw erschienene zweibändige Erzählung
von Georg Stellanus, dem Verfasser des früher in demselben Verlage
herausgekommnen prächtigen Buches „Weihnachten auf Wildegg." Damals
haben wir in den Grenzboten auf die vollendete Kunst dieser ganz einzigen
Erzählung aufmerksam gemacht, die historisch wirkende Stilhöhe in der Führung
der Haupthandlung, die verschwenderische Fülle der aus den verschiedensten
Lebensgebieten gegriffnen Einzelschilderungen, die Sicherheit einer glänzenden,
mit neuen Wendungen überraschenden Diktion, die gleichsam spielend das Äußerste
wagt und dabei immer völlig korrekt bleibt. Eine solche Vereinigung so vieler
Vorzüge in einem Buche, das unter Dutzenden von (äußerlich!) seinesgleichen
den Weg in die Öffentlichkeit macht, setzt nicht nur die Bildung langer Jahre
voraus, sondern vor allem auch eine Kenntnis der Welt, eine Übersicht bis
zu ihre» Höhen und ragenden Gipfeln, von denen die meisten mir nach Hören¬
sagen erzählen, weil man nur von einer bevorzugten Lebensstellung aus nahe
an sie hinantreten kann, und was sich nun aus alledem Besondres für ein
solches Buch ergiebt, auch dieses wirkliche (nicht bloß sogenannte) Vornehme,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/603>, abgerufen am 13.11.2024.