Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.sogenannte Jesuitenmvral ist recht eigentlich ein Erzeugnis des spitzfindigen lSchluh folgt) König Johann von wachsen Zu seinem hundertsten Geburtstage >le gegenwärtig lebende Generation hat vom König Johann kam" sogenannte Jesuitenmvral ist recht eigentlich ein Erzeugnis des spitzfindigen lSchluh folgt) König Johann von wachsen Zu seinem hundertsten Geburtstage >le gegenwärtig lebende Generation hat vom König Johann kam» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236376"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2095" prev="#ID_2094"> sogenannte Jesuitenmvral ist recht eigentlich ein Erzeugnis des spitzfindigen<lb/> Griechengeistes, und in der Römerzeit waren die Griechen durch das Gegenteil<lb/> von Wahrhaftigkeit und Treue bekannt. Andrerseits aber war ihre sittliche<lb/> Empfindung so fein und so stark, daß sie den sophistischen Eidbruch schon<lb/> verurteilten, wenn er ihnen auch nur scheinbar gegenständlich wurde. Und als<lb/> das Volk im Bellerophon eine Verherrlichung des Goldes zu hören bekam,<lb/> stürmte es die Bühne und wollte den Dichter samt den Schauspielern hinaus¬<lb/> werfen. Euripides bat, man möge doch erst abwarten, was der Mann für<lb/> ein Ende nehme, der das Gold zu seinem Abgott gemacht habe, „aber eben<lb/> auf das Endschicksal des Bekenners verwerflicher Grundsätze kam es dem Volke<lb/> gar nicht an, man wollte so etwas auf der Bühne überhaupt nicht ausgesprochen<lb/> wissen," (Nägelsbach.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2096"> lSchluh folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> König Johann von wachsen<lb/> Zu seinem hundertsten Geburtstage </head><lb/> <p xml:id="ID_2097" next="#ID_2098"> >le gegenwärtig lebende Generation hat vom König Johann kam»<lb/> noch ein klares Bild, Seit seinem Tode sind fast dreißig Jahre<lb/> vergangen, seine Lebenszeit reicht bis an den Anfang des vorigen<lb/> Jahrhunderts zurück, und populär, volkstümlich ist er niemals<lb/> ! gewesen. Und doch ist seine Regierung eine der ereignisvollsten<lb/> und wichtigsten in der ganzen sächsischen Geschichte, Als er geboren wurde,<lb/> am 12, Dezember 1801, war das alte heilige römische Reich deutscher Nation<lb/> im Zusammenbrechen und das Kurfürstentum Sachsen ohne jeden festen Anhalt;<lb/> als er starb, am 29, Oktober 1873, da war das neue Deutsche Reich ruhmvoll<lb/> erstanden, lind das Königreich Sachsen, obwohl kleiner als das alte Kur¬<lb/> fürstentum, eines der kräftigsten und wirksamsten Glieder am Körper des<lb/> nationalen Gesamtstaats. Diese ungeheure Umwandlung, innerlich und äußerlich<lb/> die stärkste, die jemals unserm Volke beschieden gewesen ist, hat Johann nicht<lb/> nur selbst mit Bewußtsein erlebt, sondern auch zu einem nicht geringen Teile<lb/> mit herbeiführen helfen. Als Hintergrund aller seiner Jugenderinnerungen<lb/> erschien ihm selbst späterhin das Bild unaufhörlicher Truppendurchmärsche; er<lb/> hat als elfjähriger Knabe dem Franzosenkaiser gegenübergestanden, als kaun?<lb/> zwölfjähriger die Schreckenstage der Dresdner Schlacht und die Gefangen¬<lb/> nahme des greisen Königs Friedrich August nach der Leipziger Völkerschlacht<lb/> mit erlebt, später die Teilung Sachsens und die wehmütige Heimkehr des<lb/> Oheims. Aber mehr als durch das alles ist seine Entwicklung durch das<lb/> innige, schlichte Familienleben im Hause seines Vaters, des edeln Prinzen<lb/> Maximilian, im Kreise zahlreicher Geschwister und Verwandter bestimmt worden,<lb/> das von der steifen spanischen Etikette um die Person des königlichen Oheims</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0554]
sogenannte Jesuitenmvral ist recht eigentlich ein Erzeugnis des spitzfindigen
Griechengeistes, und in der Römerzeit waren die Griechen durch das Gegenteil
von Wahrhaftigkeit und Treue bekannt. Andrerseits aber war ihre sittliche
Empfindung so fein und so stark, daß sie den sophistischen Eidbruch schon
verurteilten, wenn er ihnen auch nur scheinbar gegenständlich wurde. Und als
das Volk im Bellerophon eine Verherrlichung des Goldes zu hören bekam,
stürmte es die Bühne und wollte den Dichter samt den Schauspielern hinaus¬
werfen. Euripides bat, man möge doch erst abwarten, was der Mann für
ein Ende nehme, der das Gold zu seinem Abgott gemacht habe, „aber eben
auf das Endschicksal des Bekenners verwerflicher Grundsätze kam es dem Volke
gar nicht an, man wollte so etwas auf der Bühne überhaupt nicht ausgesprochen
wissen," (Nägelsbach.)
lSchluh folgt)
König Johann von wachsen
Zu seinem hundertsten Geburtstage
>le gegenwärtig lebende Generation hat vom König Johann kam»
noch ein klares Bild, Seit seinem Tode sind fast dreißig Jahre
vergangen, seine Lebenszeit reicht bis an den Anfang des vorigen
Jahrhunderts zurück, und populär, volkstümlich ist er niemals
! gewesen. Und doch ist seine Regierung eine der ereignisvollsten
und wichtigsten in der ganzen sächsischen Geschichte, Als er geboren wurde,
am 12, Dezember 1801, war das alte heilige römische Reich deutscher Nation
im Zusammenbrechen und das Kurfürstentum Sachsen ohne jeden festen Anhalt;
als er starb, am 29, Oktober 1873, da war das neue Deutsche Reich ruhmvoll
erstanden, lind das Königreich Sachsen, obwohl kleiner als das alte Kur¬
fürstentum, eines der kräftigsten und wirksamsten Glieder am Körper des
nationalen Gesamtstaats. Diese ungeheure Umwandlung, innerlich und äußerlich
die stärkste, die jemals unserm Volke beschieden gewesen ist, hat Johann nicht
nur selbst mit Bewußtsein erlebt, sondern auch zu einem nicht geringen Teile
mit herbeiführen helfen. Als Hintergrund aller seiner Jugenderinnerungen
erschien ihm selbst späterhin das Bild unaufhörlicher Truppendurchmärsche; er
hat als elfjähriger Knabe dem Franzosenkaiser gegenübergestanden, als kaun?
zwölfjähriger die Schreckenstage der Dresdner Schlacht und die Gefangen¬
nahme des greisen Königs Friedrich August nach der Leipziger Völkerschlacht
mit erlebt, später die Teilung Sachsens und die wehmütige Heimkehr des
Oheims. Aber mehr als durch das alles ist seine Entwicklung durch das
innige, schlichte Familienleben im Hause seines Vaters, des edeln Prinzen
Maximilian, im Kreise zahlreicher Geschwister und Verwandter bestimmt worden,
das von der steifen spanischen Etikette um die Person des königlichen Oheims
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