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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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ur Umgestaltung der Wasserwirtschaft
R. Hempel i vonn

n einer Zeit fast atemloser Fortschreitens ist häufig ein gewisses
Anhalten, ein vorsichtiges, fast stutzendes Umschauen bemerkbar.
Es ist eben natürlich, daß man von Zeit zu Zeit prüft, ob auch
überall in der hastigen Eile der richtige Weg innegehalten wird.
Es ringt sich dann wohl das unbehagliche Gefühl durch, daß
doch vielleicht die schnelle, bisher so erfolgreiche Fahrt schließlich auf steiler
Höhe hier und da in eine Sackgasse endigen könnte.

Die wissenschaftliche Forschung und die technische Erfindung, eine bedeut¬
same wirtschaftliche Betriebskunst und ein rastloses Verkehrswesen, dazu eine
weitausgreifende Organisation haben in der kurzen Spanne von etwa hundert
Jahren einen Aufschwung gebracht, wie ihn die Menschengeschichte sonst nur
in einem vollen Jahrtausend zu erleben pflegte. Seit dem gewaltigen und
grundstürzenden Umschwung am Anfang unsrer Zeitrechnung ist wohl niemals
in so schneller Folge eine so durchgreifende Veränderung aller Grundlagen
des geistigen und besonders des wirtschaftlichen Lebens der Völker vor sich
gegangen, wie in dem soeben abgeschlossenen Jahrhundert. Dennoch ist viel¬
leicht seine größte Bedeutung darin zu suchen, daß es zugleich die Wurzeln
einer nicht minder großen Wirtschaftserhebnng in sich entwickelt hat. Aller¬
dings werden manche zu weit gespannte Erwartungen eines schnellen Aus¬
gleichs der allgemeinen Verhältnisse zunächst entschieden eingeschränkt werden
müssen. Die Bestrebungen zur Anbahnung einer gebesserter Wirtschafts¬
weise mit neuen und vollkommnern Mitteln müssen zum Teil durch strengere
Erforschung der Naturgesetze näher begründet werden. Im besondern muß
sich auch eine Reihe von Grnndnotwendigkeitcn in der Erkenntnis weiterer
Kreise durchringen, und manche Anschauung, die fast zum Gesetz geworden ist,
muß sich einer größern Absteckung ihrer Geltungsgrenzen anpassen lernen.
So gewaltig und bewunderungswürdig z. B. die Dampfmaschine in ihrer
tausendfachen gewerblichen Verwendung vor uns steht, so ist doch nicht zu
verkennen, daß durch ihre einseitige Pflege eine zu große Vernachlässigung
der übrigen von der Natur gegebnen motorischen Kräfte, besonders der
Wasserkraft, veranlaßt worden ist. Zweifellos ist damit ferner eine gewisse
Verschleuderung der durch die Kraft der Sonne in Millionen von Jahren




ur Umgestaltung der Wasserwirtschaft
R. Hempel i vonn

n einer Zeit fast atemloser Fortschreitens ist häufig ein gewisses
Anhalten, ein vorsichtiges, fast stutzendes Umschauen bemerkbar.
Es ist eben natürlich, daß man von Zeit zu Zeit prüft, ob auch
überall in der hastigen Eile der richtige Weg innegehalten wird.
Es ringt sich dann wohl das unbehagliche Gefühl durch, daß
doch vielleicht die schnelle, bisher so erfolgreiche Fahrt schließlich auf steiler
Höhe hier und da in eine Sackgasse endigen könnte.

Die wissenschaftliche Forschung und die technische Erfindung, eine bedeut¬
same wirtschaftliche Betriebskunst und ein rastloses Verkehrswesen, dazu eine
weitausgreifende Organisation haben in der kurzen Spanne von etwa hundert
Jahren einen Aufschwung gebracht, wie ihn die Menschengeschichte sonst nur
in einem vollen Jahrtausend zu erleben pflegte. Seit dem gewaltigen und
grundstürzenden Umschwung am Anfang unsrer Zeitrechnung ist wohl niemals
in so schneller Folge eine so durchgreifende Veränderung aller Grundlagen
des geistigen und besonders des wirtschaftlichen Lebens der Völker vor sich
gegangen, wie in dem soeben abgeschlossenen Jahrhundert. Dennoch ist viel¬
leicht seine größte Bedeutung darin zu suchen, daß es zugleich die Wurzeln
einer nicht minder großen Wirtschaftserhebnng in sich entwickelt hat. Aller¬
dings werden manche zu weit gespannte Erwartungen eines schnellen Aus¬
gleichs der allgemeinen Verhältnisse zunächst entschieden eingeschränkt werden
müssen. Die Bestrebungen zur Anbahnung einer gebesserter Wirtschafts¬
weise mit neuen und vollkommnern Mitteln müssen zum Teil durch strengere
Erforschung der Naturgesetze näher begründet werden. Im besondern muß
sich auch eine Reihe von Grnndnotwendigkeitcn in der Erkenntnis weiterer
Kreise durchringen, und manche Anschauung, die fast zum Gesetz geworden ist,
muß sich einer größern Absteckung ihrer Geltungsgrenzen anpassen lernen.
So gewaltig und bewunderungswürdig z. B. die Dampfmaschine in ihrer
tausendfachen gewerblichen Verwendung vor uns steht, so ist doch nicht zu
verkennen, daß durch ihre einseitige Pflege eine zu große Vernachlässigung
der übrigen von der Natur gegebnen motorischen Kräfte, besonders der
Wasserkraft, veranlaßt worden ist. Zweifellos ist damit ferner eine gewisse
Verschleuderung der durch die Kraft der Sonne in Millionen von Jahren


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[0021] [Abbildung] ur Umgestaltung der Wasserwirtschaft R. Hempel i vonn n einer Zeit fast atemloser Fortschreitens ist häufig ein gewisses Anhalten, ein vorsichtiges, fast stutzendes Umschauen bemerkbar. Es ist eben natürlich, daß man von Zeit zu Zeit prüft, ob auch überall in der hastigen Eile der richtige Weg innegehalten wird. Es ringt sich dann wohl das unbehagliche Gefühl durch, daß doch vielleicht die schnelle, bisher so erfolgreiche Fahrt schließlich auf steiler Höhe hier und da in eine Sackgasse endigen könnte. Die wissenschaftliche Forschung und die technische Erfindung, eine bedeut¬ same wirtschaftliche Betriebskunst und ein rastloses Verkehrswesen, dazu eine weitausgreifende Organisation haben in der kurzen Spanne von etwa hundert Jahren einen Aufschwung gebracht, wie ihn die Menschengeschichte sonst nur in einem vollen Jahrtausend zu erleben pflegte. Seit dem gewaltigen und grundstürzenden Umschwung am Anfang unsrer Zeitrechnung ist wohl niemals in so schneller Folge eine so durchgreifende Veränderung aller Grundlagen des geistigen und besonders des wirtschaftlichen Lebens der Völker vor sich gegangen, wie in dem soeben abgeschlossenen Jahrhundert. Dennoch ist viel¬ leicht seine größte Bedeutung darin zu suchen, daß es zugleich die Wurzeln einer nicht minder großen Wirtschaftserhebnng in sich entwickelt hat. Aller¬ dings werden manche zu weit gespannte Erwartungen eines schnellen Aus¬ gleichs der allgemeinen Verhältnisse zunächst entschieden eingeschränkt werden müssen. Die Bestrebungen zur Anbahnung einer gebesserter Wirtschafts¬ weise mit neuen und vollkommnern Mitteln müssen zum Teil durch strengere Erforschung der Naturgesetze näher begründet werden. Im besondern muß sich auch eine Reihe von Grnndnotwendigkeitcn in der Erkenntnis weiterer Kreise durchringen, und manche Anschauung, die fast zum Gesetz geworden ist, muß sich einer größern Absteckung ihrer Geltungsgrenzen anpassen lernen. So gewaltig und bewunderungswürdig z. B. die Dampfmaschine in ihrer tausendfachen gewerblichen Verwendung vor uns steht, so ist doch nicht zu verkennen, daß durch ihre einseitige Pflege eine zu große Vernachlässigung der übrigen von der Natur gegebnen motorischen Kräfte, besonders der Wasserkraft, veranlaßt worden ist. Zweifellos ist damit ferner eine gewisse Verschleuderung der durch die Kraft der Sonne in Millionen von Jahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/21>, abgerufen am 13.11.2024.