Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Thomas Bal'ington Macaulay

er mit ihr begann, ohne ein Lexikon zu gebrauchen, Nachahmungen der
Bibelsprüche finden sich sogar in seinem Tagebuche, Er tauft im Februar 1839
das Buch des jungen Gladstone, 0n Oliurod ana Lolo. Gladstone war damals
noch sein politischer Gegner, und Macaulay freut sich, Veranlassung zu haben,
gegen ihn vorzugehu. In welcher Form drückt er diese Freude aus? Wir
finden unter den? 13. Februar dieses Jahres- "Ich las im Gehn ein ziem¬
liches Stück aus Gladstones Buch, Der Herr hat ihn in unsre Hand ge¬
liefert." In den Werken, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren, hat er
sehr häufig die Sprache der Bibel nachgeahmt oder dnrch Anspielung auf sie
seine Meinung zu verdeutlichen gesucht. Wie er das Italien Machiavellis be¬
schreibt, das von fremden Eroberern schon durchzogen wird, aber noch nicht
geistig geknechtet ist, da sagt er mit Nachahmung der Psalmensprache: "Die
Zeit war noch nicht da . . . wo die Harfe des Dichters an die Weiden des
Arno gehängt werden und die Rechte des Malers ihre Kunst vergessen mußte,"
Und um anzudeuten, wie die Bewohner Indiens zu einer gewissen Zeit unter
dem Aussauguugsshstem der Ostindischen Gesellschaft mehr zu leiden hatten als
nnter ihren eingebornen Fürsten, ahmt er das Bild nach, das Rehabecnn im
ersten Buche der Könige (1. Kön. 12, 10) nach dem Rate der Jungen seinem
Volke gegenüber gebrauchen soll. Es heißt in dein Aufsatz über Lord Clive:
"Sie fanden den kleinen Finger der Gesellschaft dicker als die Lenden Surajah
Dowlahs," -- Ein andres Beispiel zeigt, mit wie gewichtige" Gründen ihn seine
Bibelfestigkcit anch im Parlament versehen konnte. Die Reformbill war zum
erstenmal vom Oberhaus abgelehnt worden; man fürchtete, daß Unruhen im
Lande ausbrechen würden. In der Sitzung, die zwei Tage nach der Ab¬
weisung der Bill vou den Lords im Unterhause abgehalten wurde, unter-
stützt Macaulay den Antrag eines politischen Freundes, den Ministern ein
Vertrauensvotum auszusprechen. Das Unterhaus, meint er, müsse die Führung
in der Beruhigung der Gemüter übernehmen und klar machen, daß die Wünsche
des Volks nur aufgeschoben, nicht aufgehoben seien. Sonst werde die Hefe
der menschlichen Gesellschaft an das Tageslicht kommen und Schrecken überall
verbreiten: "Die ganze Geschichte derer, die einen schändlichen Handel mit
dem Aufruhr treiben, ist enthalten in der schönen alten hebräischen Fabel,
die wir alle in dem Buch der Richter gelesen haben. Die Bäume versammeln
sich, daß sie einen König wühlen. Der Weinstock und der Feigenbaum und
der Ölbaum nehmen das Amt nicht an. Da fällt die Herrschaft über den
Wald auf deu Dornbusch: und da geht von einem niedern und schädlichen
Strauch das Feuer aus, das die Cedern Libanons verzehrt. Laßt uns davon
lernen!"


2

Unzweifelhaft kann aber jemand noch weit belesener und gelehrter sein
als Macaulay, ohne daß das umfassendere Wissen ihm auch nur annähernd
solche Früchte bringt, wie dem englischen Historiker. Es gehört eben dazu,
daß man ein so scharfes Auge hat wie er und so wunderbar schnell Ähnlich-


Grenzboten II 1901 11
Thomas Bal'ington Macaulay

er mit ihr begann, ohne ein Lexikon zu gebrauchen, Nachahmungen der
Bibelsprüche finden sich sogar in seinem Tagebuche, Er tauft im Februar 1839
das Buch des jungen Gladstone, 0n Oliurod ana Lolo. Gladstone war damals
noch sein politischer Gegner, und Macaulay freut sich, Veranlassung zu haben,
gegen ihn vorzugehu. In welcher Form drückt er diese Freude aus? Wir
finden unter den? 13. Februar dieses Jahres- „Ich las im Gehn ein ziem¬
liches Stück aus Gladstones Buch, Der Herr hat ihn in unsre Hand ge¬
liefert." In den Werken, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren, hat er
sehr häufig die Sprache der Bibel nachgeahmt oder dnrch Anspielung auf sie
seine Meinung zu verdeutlichen gesucht. Wie er das Italien Machiavellis be¬
schreibt, das von fremden Eroberern schon durchzogen wird, aber noch nicht
geistig geknechtet ist, da sagt er mit Nachahmung der Psalmensprache: „Die
Zeit war noch nicht da . . . wo die Harfe des Dichters an die Weiden des
Arno gehängt werden und die Rechte des Malers ihre Kunst vergessen mußte,"
Und um anzudeuten, wie die Bewohner Indiens zu einer gewissen Zeit unter
dem Aussauguugsshstem der Ostindischen Gesellschaft mehr zu leiden hatten als
nnter ihren eingebornen Fürsten, ahmt er das Bild nach, das Rehabecnn im
ersten Buche der Könige (1. Kön. 12, 10) nach dem Rate der Jungen seinem
Volke gegenüber gebrauchen soll. Es heißt in dein Aufsatz über Lord Clive:
„Sie fanden den kleinen Finger der Gesellschaft dicker als die Lenden Surajah
Dowlahs," — Ein andres Beispiel zeigt, mit wie gewichtige» Gründen ihn seine
Bibelfestigkcit anch im Parlament versehen konnte. Die Reformbill war zum
erstenmal vom Oberhaus abgelehnt worden; man fürchtete, daß Unruhen im
Lande ausbrechen würden. In der Sitzung, die zwei Tage nach der Ab¬
weisung der Bill vou den Lords im Unterhause abgehalten wurde, unter-
stützt Macaulay den Antrag eines politischen Freundes, den Ministern ein
Vertrauensvotum auszusprechen. Das Unterhaus, meint er, müsse die Führung
in der Beruhigung der Gemüter übernehmen und klar machen, daß die Wünsche
des Volks nur aufgeschoben, nicht aufgehoben seien. Sonst werde die Hefe
der menschlichen Gesellschaft an das Tageslicht kommen und Schrecken überall
verbreiten: „Die ganze Geschichte derer, die einen schändlichen Handel mit
dem Aufruhr treiben, ist enthalten in der schönen alten hebräischen Fabel,
die wir alle in dem Buch der Richter gelesen haben. Die Bäume versammeln
sich, daß sie einen König wühlen. Der Weinstock und der Feigenbaum und
der Ölbaum nehmen das Amt nicht an. Da fällt die Herrschaft über den
Wald auf deu Dornbusch: und da geht von einem niedern und schädlichen
Strauch das Feuer aus, das die Cedern Libanons verzehrt. Laßt uns davon
lernen!"


2

Unzweifelhaft kann aber jemand noch weit belesener und gelehrter sein
als Macaulay, ohne daß das umfassendere Wissen ihm auch nur annähernd
solche Früchte bringt, wie dem englischen Historiker. Es gehört eben dazu,
daß man ein so scharfes Auge hat wie er und so wunderbar schnell Ähnlich-


Grenzboten II 1901 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234619"/>
            <fw type="header" place="top"> Thomas Bal'ington Macaulay</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_230" prev="#ID_229"> er mit ihr begann, ohne ein Lexikon zu gebrauchen, Nachahmungen der<lb/>
Bibelsprüche finden sich sogar in seinem Tagebuche, Er tauft im Februar 1839<lb/>
das Buch des jungen Gladstone, 0n Oliurod ana Lolo. Gladstone war damals<lb/>
noch sein politischer Gegner, und Macaulay freut sich, Veranlassung zu haben,<lb/>
gegen ihn vorzugehu. In welcher Form drückt er diese Freude aus? Wir<lb/>
finden unter den? 13. Februar dieses Jahres- &#x201E;Ich las im Gehn ein ziem¬<lb/>
liches Stück aus Gladstones Buch, Der Herr hat ihn in unsre Hand ge¬<lb/>
liefert." In den Werken, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren, hat er<lb/>
sehr häufig die Sprache der Bibel nachgeahmt oder dnrch Anspielung auf sie<lb/>
seine Meinung zu verdeutlichen gesucht. Wie er das Italien Machiavellis be¬<lb/>
schreibt, das von fremden Eroberern schon durchzogen wird, aber noch nicht<lb/>
geistig geknechtet ist, da sagt er mit Nachahmung der Psalmensprache: &#x201E;Die<lb/>
Zeit war noch nicht da . . . wo die Harfe des Dichters an die Weiden des<lb/>
Arno gehängt werden und die Rechte des Malers ihre Kunst vergessen mußte,"<lb/>
Und um anzudeuten, wie die Bewohner Indiens zu einer gewissen Zeit unter<lb/>
dem Aussauguugsshstem der Ostindischen Gesellschaft mehr zu leiden hatten als<lb/>
nnter ihren eingebornen Fürsten, ahmt er das Bild nach, das Rehabecnn im<lb/>
ersten Buche der Könige (1. Kön. 12, 10) nach dem Rate der Jungen seinem<lb/>
Volke gegenüber gebrauchen soll. Es heißt in dein Aufsatz über Lord Clive:<lb/>
&#x201E;Sie fanden den kleinen Finger der Gesellschaft dicker als die Lenden Surajah<lb/>
Dowlahs," &#x2014; Ein andres Beispiel zeigt, mit wie gewichtige» Gründen ihn seine<lb/>
Bibelfestigkcit anch im Parlament versehen konnte. Die Reformbill war zum<lb/>
erstenmal vom Oberhaus abgelehnt worden; man fürchtete, daß Unruhen im<lb/>
Lande ausbrechen würden. In der Sitzung, die zwei Tage nach der Ab¬<lb/>
weisung der Bill vou den Lords im Unterhause abgehalten wurde, unter-<lb/>
stützt Macaulay den Antrag eines politischen Freundes, den Ministern ein<lb/>
Vertrauensvotum auszusprechen. Das Unterhaus, meint er, müsse die Führung<lb/>
in der Beruhigung der Gemüter übernehmen und klar machen, daß die Wünsche<lb/>
des Volks nur aufgeschoben, nicht aufgehoben seien. Sonst werde die Hefe<lb/>
der menschlichen Gesellschaft an das Tageslicht kommen und Schrecken überall<lb/>
verbreiten: &#x201E;Die ganze Geschichte derer, die einen schändlichen Handel mit<lb/>
dem Aufruhr treiben, ist enthalten in der schönen alten hebräischen Fabel,<lb/>
die wir alle in dem Buch der Richter gelesen haben. Die Bäume versammeln<lb/>
sich, daß sie einen König wühlen. Der Weinstock und der Feigenbaum und<lb/>
der Ölbaum nehmen das Amt nicht an. Da fällt die Herrschaft über den<lb/>
Wald auf deu Dornbusch: und da geht von einem niedern und schädlichen<lb/>
Strauch das Feuer aus, das die Cedern Libanons verzehrt. Laßt uns davon<lb/>
lernen!"</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 2</head><lb/>
            <p xml:id="ID_231" next="#ID_232"> Unzweifelhaft kann aber jemand noch weit belesener und gelehrter sein<lb/>
als Macaulay, ohne daß das umfassendere Wissen ihm auch nur annähernd<lb/>
solche Früchte bringt, wie dem englischen Historiker. Es gehört eben dazu,<lb/>
daß man ein so scharfes Auge hat wie er und so wunderbar schnell Ähnlich-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1901 11</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Thomas Bal'ington Macaulay er mit ihr begann, ohne ein Lexikon zu gebrauchen, Nachahmungen der Bibelsprüche finden sich sogar in seinem Tagebuche, Er tauft im Februar 1839 das Buch des jungen Gladstone, 0n Oliurod ana Lolo. Gladstone war damals noch sein politischer Gegner, und Macaulay freut sich, Veranlassung zu haben, gegen ihn vorzugehu. In welcher Form drückt er diese Freude aus? Wir finden unter den? 13. Februar dieses Jahres- „Ich las im Gehn ein ziem¬ liches Stück aus Gladstones Buch, Der Herr hat ihn in unsre Hand ge¬ liefert." In den Werken, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren, hat er sehr häufig die Sprache der Bibel nachgeahmt oder dnrch Anspielung auf sie seine Meinung zu verdeutlichen gesucht. Wie er das Italien Machiavellis be¬ schreibt, das von fremden Eroberern schon durchzogen wird, aber noch nicht geistig geknechtet ist, da sagt er mit Nachahmung der Psalmensprache: „Die Zeit war noch nicht da . . . wo die Harfe des Dichters an die Weiden des Arno gehängt werden und die Rechte des Malers ihre Kunst vergessen mußte," Und um anzudeuten, wie die Bewohner Indiens zu einer gewissen Zeit unter dem Aussauguugsshstem der Ostindischen Gesellschaft mehr zu leiden hatten als nnter ihren eingebornen Fürsten, ahmt er das Bild nach, das Rehabecnn im ersten Buche der Könige (1. Kön. 12, 10) nach dem Rate der Jungen seinem Volke gegenüber gebrauchen soll. Es heißt in dein Aufsatz über Lord Clive: „Sie fanden den kleinen Finger der Gesellschaft dicker als die Lenden Surajah Dowlahs," — Ein andres Beispiel zeigt, mit wie gewichtige» Gründen ihn seine Bibelfestigkcit anch im Parlament versehen konnte. Die Reformbill war zum erstenmal vom Oberhaus abgelehnt worden; man fürchtete, daß Unruhen im Lande ausbrechen würden. In der Sitzung, die zwei Tage nach der Ab¬ weisung der Bill vou den Lords im Unterhause abgehalten wurde, unter- stützt Macaulay den Antrag eines politischen Freundes, den Ministern ein Vertrauensvotum auszusprechen. Das Unterhaus, meint er, müsse die Führung in der Beruhigung der Gemüter übernehmen und klar machen, daß die Wünsche des Volks nur aufgeschoben, nicht aufgehoben seien. Sonst werde die Hefe der menschlichen Gesellschaft an das Tageslicht kommen und Schrecken überall verbreiten: „Die ganze Geschichte derer, die einen schändlichen Handel mit dem Aufruhr treiben, ist enthalten in der schönen alten hebräischen Fabel, die wir alle in dem Buch der Richter gelesen haben. Die Bäume versammeln sich, daß sie einen König wühlen. Der Weinstock und der Feigenbaum und der Ölbaum nehmen das Amt nicht an. Da fällt die Herrschaft über den Wald auf deu Dornbusch: und da geht von einem niedern und schädlichen Strauch das Feuer aus, das die Cedern Libanons verzehrt. Laßt uns davon lernen!" 2 Unzweifelhaft kann aber jemand noch weit belesener und gelehrter sein als Macaulay, ohne daß das umfassendere Wissen ihm auch nur annähernd solche Früchte bringt, wie dem englischen Historiker. Es gehört eben dazu, daß man ein so scharfes Auge hat wie er und so wunderbar schnell Ähnlich- Grenzboten II 1901 11

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/89>, abgerufen am 29.06.2024.