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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb

Es scheint nach diesen Äußerungen des Altreichskanzlers doch eine
"tiefe Kluft" zwischen ihm und dem Volke, das sich bismarckisch gebärdet,
H- W, zu bestehn,




landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb
und Erhöhung der Brotgetreidezölle

n den "Nachrichten von? deutschen Landwirtschaftsrat" hat der
Generalsekretär dieser obersten agrarischen Interessenvertretung,
Dr.Date, neuerdings einen beachtenswerten Aufsatz unter der Über¬
schrift', "Welcher Grundbesitz, der Grosi-, Mittel- oder Kleinbesitz,
liefert dem deutsche" Volke die größte Menge Brodgetreide?"
veröffentlicht. Wer die landwirtschaftliche Betriebsstatistik kennt, die das Kaiser¬
liche Statistische Amt 1898 in dem großen, auch in den Grenzboten seiner
Zeit mehrfach besprochnen Werk "Die Landwirtschaft im Deutschen Reich nach
der landwirtschaftlichen Betriebszählnng vom 14, Juni 1895" giebt, der wird
freilich geneigt sein, die Frage schon für beantwortet zu halte", denn dort ist
nachgewiesen worden, daß auf die "Großbetriebe," d. h, die Betriebe mit
100'und nrehr Hektar landwirtschaftlich benutzter Fläche (Acker-, Wiesen-,
Garten- und Reblaub zusammen), nur 24,08 Prozent dieser Fläche fallen,
sodaß für die "Bauernwirtschaften" unter 100 Hektar ganze 75,92 Prozent
übrig bleiben. Daß aber auf rund 7" Prozent der landwirtschaftlichen Fläche
mehr Brodgetreide gebaut und geerntet wird als auf 24, wird niemand, der
Deutschland auch nur ganz oberflächlich kennt, bezweifeln. Aber Date wollte
in Wirklichkeit mehr beweisen. Er wollte zunächst "zahlenmäßig" feststellen,
daß die Bauernwirtschnften auch mehr Brodgetreide für die uichttandwirtschaft-
liche Bevölkerung zur Verfügung stellen, also zum Verkauf bringen, und daß
sie deshalb auch ein ebenso großes, ja eigentlich ein noch größeres Interesse
an der Erhöhung der Brotgetreidezölle haben als die Großbetriebe. Seine
ganze Arbeit ist nämlich nach ihrem Wortlaut hauptsächlich gegen die, wie er
sagt, von den "Vertretern des Freihandels "ut der Sozinldemokratie" auf¬
gestellte Behauptung gerichtet, "daß ein handelspolitischer Schutz der Getreide-
Produktion nnr den 25061 Betrieben über 100 Hektar zu gute käme," eine
Behauptung, die natürlich Heller Unsinn ist nud mit einem solchen Aufwand
schwersten statistischen Geschützes, wie es Date dagegen auffährt, beschossen zu
werden gar uicht verdient. Thatsächlich beschießt er auch nicht diesen Unsinn
allein, sondern richtet seine Batterien auch gegen alle die Wirtschaftspolitiker,
die eine weitere Kornzollerhöhung ablehnen und dies unter anderm auch durch
den Hinweis darauf begründen, daß von ihr außer der Masse der nichtland¬
wirtschaftlichen Bevölkerung, der ihr Mehl und Brot, das sie kaufen muß,


Grenzboten II 1901 '-^
Landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb

Es scheint nach diesen Äußerungen des Altreichskanzlers doch eine
„tiefe Kluft" zwischen ihm und dem Volke, das sich bismarckisch gebärdet,
H- W, zu bestehn,




landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb
und Erhöhung der Brotgetreidezölle

n den „Nachrichten von? deutschen Landwirtschaftsrat" hat der
Generalsekretär dieser obersten agrarischen Interessenvertretung,
Dr.Date, neuerdings einen beachtenswerten Aufsatz unter der Über¬
schrift', „Welcher Grundbesitz, der Grosi-, Mittel- oder Kleinbesitz,
liefert dem deutsche« Volke die größte Menge Brodgetreide?"
veröffentlicht. Wer die landwirtschaftliche Betriebsstatistik kennt, die das Kaiser¬
liche Statistische Amt 1898 in dem großen, auch in den Grenzboten seiner
Zeit mehrfach besprochnen Werk „Die Landwirtschaft im Deutschen Reich nach
der landwirtschaftlichen Betriebszählnng vom 14, Juni 1895" giebt, der wird
freilich geneigt sein, die Frage schon für beantwortet zu halte», denn dort ist
nachgewiesen worden, daß auf die „Großbetriebe," d. h, die Betriebe mit
100'und nrehr Hektar landwirtschaftlich benutzter Fläche (Acker-, Wiesen-,
Garten- und Reblaub zusammen), nur 24,08 Prozent dieser Fläche fallen,
sodaß für die „Bauernwirtschaften" unter 100 Hektar ganze 75,92 Prozent
übrig bleiben. Daß aber auf rund 7« Prozent der landwirtschaftlichen Fläche
mehr Brodgetreide gebaut und geerntet wird als auf 24, wird niemand, der
Deutschland auch nur ganz oberflächlich kennt, bezweifeln. Aber Date wollte
in Wirklichkeit mehr beweisen. Er wollte zunächst „zahlenmäßig" feststellen,
daß die Bauernwirtschnften auch mehr Brodgetreide für die uichttandwirtschaft-
liche Bevölkerung zur Verfügung stellen, also zum Verkauf bringen, und daß
sie deshalb auch ein ebenso großes, ja eigentlich ein noch größeres Interesse
an der Erhöhung der Brotgetreidezölle haben als die Großbetriebe. Seine
ganze Arbeit ist nämlich nach ihrem Wortlaut hauptsächlich gegen die, wie er
sagt, von den „Vertretern des Freihandels »ut der Sozinldemokratie" auf¬
gestellte Behauptung gerichtet, „daß ein handelspolitischer Schutz der Getreide-
Produktion nnr den 25061 Betrieben über 100 Hektar zu gute käme," eine
Behauptung, die natürlich Heller Unsinn ist nud mit einem solchen Aufwand
schwersten statistischen Geschützes, wie es Date dagegen auffährt, beschossen zu
werden gar uicht verdient. Thatsächlich beschießt er auch nicht diesen Unsinn
allein, sondern richtet seine Batterien auch gegen alle die Wirtschaftspolitiker,
die eine weitere Kornzollerhöhung ablehnen und dies unter anderm auch durch
den Hinweis darauf begründen, daß von ihr außer der Masse der nichtland¬
wirtschaftlichen Bevölkerung, der ihr Mehl und Brot, das sie kaufen muß,


Grenzboten II 1901 '-^
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[0161] Landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb Es scheint nach diesen Äußerungen des Altreichskanzlers doch eine „tiefe Kluft" zwischen ihm und dem Volke, das sich bismarckisch gebärdet, H- W, zu bestehn, landwirtschaftlicher Groß- und Kleinbetrieb und Erhöhung der Brotgetreidezölle n den „Nachrichten von? deutschen Landwirtschaftsrat" hat der Generalsekretär dieser obersten agrarischen Interessenvertretung, Dr.Date, neuerdings einen beachtenswerten Aufsatz unter der Über¬ schrift', „Welcher Grundbesitz, der Grosi-, Mittel- oder Kleinbesitz, liefert dem deutsche« Volke die größte Menge Brodgetreide?" veröffentlicht. Wer die landwirtschaftliche Betriebsstatistik kennt, die das Kaiser¬ liche Statistische Amt 1898 in dem großen, auch in den Grenzboten seiner Zeit mehrfach besprochnen Werk „Die Landwirtschaft im Deutschen Reich nach der landwirtschaftlichen Betriebszählnng vom 14, Juni 1895" giebt, der wird freilich geneigt sein, die Frage schon für beantwortet zu halte», denn dort ist nachgewiesen worden, daß auf die „Großbetriebe," d. h, die Betriebe mit 100'und nrehr Hektar landwirtschaftlich benutzter Fläche (Acker-, Wiesen-, Garten- und Reblaub zusammen), nur 24,08 Prozent dieser Fläche fallen, sodaß für die „Bauernwirtschaften" unter 100 Hektar ganze 75,92 Prozent übrig bleiben. Daß aber auf rund 7« Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mehr Brodgetreide gebaut und geerntet wird als auf 24, wird niemand, der Deutschland auch nur ganz oberflächlich kennt, bezweifeln. Aber Date wollte in Wirklichkeit mehr beweisen. Er wollte zunächst „zahlenmäßig" feststellen, daß die Bauernwirtschnften auch mehr Brodgetreide für die uichttandwirtschaft- liche Bevölkerung zur Verfügung stellen, also zum Verkauf bringen, und daß sie deshalb auch ein ebenso großes, ja eigentlich ein noch größeres Interesse an der Erhöhung der Brotgetreidezölle haben als die Großbetriebe. Seine ganze Arbeit ist nämlich nach ihrem Wortlaut hauptsächlich gegen die, wie er sagt, von den „Vertretern des Freihandels »ut der Sozinldemokratie" auf¬ gestellte Behauptung gerichtet, „daß ein handelspolitischer Schutz der Getreide- Produktion nnr den 25061 Betrieben über 100 Hektar zu gute käme," eine Behauptung, die natürlich Heller Unsinn ist nud mit einem solchen Aufwand schwersten statistischen Geschützes, wie es Date dagegen auffährt, beschossen zu werden gar uicht verdient. Thatsächlich beschießt er auch nicht diesen Unsinn allein, sondern richtet seine Batterien auch gegen alle die Wirtschaftspolitiker, die eine weitere Kornzollerhöhung ablehnen und dies unter anderm auch durch den Hinweis darauf begründen, daß von ihr außer der Masse der nichtland¬ wirtschaftlichen Bevölkerung, der ihr Mehl und Brot, das sie kaufen muß, Grenzboten II 1901 '-^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/161>, abgerufen am 29.06.2024.