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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die Aiegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck

(Schluß)

n der von Otto Lessing in die Siegcsallee gestellten Figur des
Kurfürsten ist von dieser Begeisterung nicht viel zu merken. Die
oben angedeuteten Fehler des Manzelschen Standbilds Kurfürst
Friedrichs I. wiederholen sich hier. Beide Figuren haben in der
Haltung, Größe und Kvstümierung eine auffällige Ähnlichkeit. Gegen
die Ähnlichkeit wäre, da es sich um Vater und Sohn handelt, wenig
einzuwenden. Zunächst hätte man auch bei Albrecht Achilles eine etwas größere
und mindestens eine kraftvollere Statur erwartet. Sodann ober trägt die Lessingsche
Figur denselben schweren, ohne jeden malerischen Effekt fast glatt herabfallenden
Kurfürsteumantel wie Manzels Friedrich I. Nur daß Lessing ihn noch mehr ver¬
längert hat, sodaß er vorn die Füße völlig bedeckt, ja noch ein wenig über den
Sockel hinansschleppt. An den Seiten erscheint durch den Schlitz des Mantels
etwas von den Beinen und der Figur des Kurfürsten, sodaß man wenigstens sieht,
daß er unter dem Mantel die Rüstung trägt. Der Mantel schlägt hier an der
Vorderseite mehr Falten als der bei Menzel, aber auch hier erscheinen diese Falten
lang und fast glatt. Von einer künstlerisch wirkenden Drapierung kann man nicht
reden. Der Schwanenorden, der an der Kette über dem Hermelinkragen hängt,
reicht nicht aus, diese Einförmigkeit des Mantels auch mir notdürftig auszugleichen.
Der Mantel, wie ihn Lessing und Manzel hier verwandt haben, ist ein direkt
kunstwidriges Gewandstück, gegen das die Cylinderhose noch erträglicher erscheint.
Als Kopfbedeckung trägt Albrecht Achilles auch hier, offenbar dem Bemäntlnngs-
kostüm entsprechend, ein ziemlich weit nach hinten geschobnes Barett, nicht ganz
so niedrig und ohne deu breiten Deckel wie bei Manzel, aber doch nicht scharf
genug charakterisiert, daß es etwa als Kurhut gelten könnte. Der schwere Eifen¬
hein steht neben dem linken Fuße ans dem Sockel. Das bartlose, von dem langen
Haar auf beiden Seiten umrahmte Gesicht erscheint gutmütig, zeigt aber nicht die
Geistes- und Willenskraft, durch die sich Albrecht Achill auszeichnete und seine ge¬
schichtlichen Erfolge errang. Wenig glücklich sind Arme und Hände geraten. Mit
dem im rechten Winkel gegen die Brust gekrümmten linken Arm drückt der Kur¬
fürst das mehr elegante als kräftige Schwert gegen die linke Brust. Eine gerade
bei diesem streitbaren Manne unverständliche, nichtssagende, theatralische Attitüde.
Der rechte Arm ist nach unter weit ausgestreckt, und die rechte Hand hält -- man
kann kaum anders sagen als krampfhaft -- einen Handschuh. Was dieser Hand¬
schuh bedeuten soll, ist unverständlich. Ein Fehdehandschuh kauu es unmöglich sein.
Dazu paßt weder das übrige Kostüm, noch die Haltung der Figur. Soll damit
eine gewisse höfische Eleganz angedeutet werden, so wäre das zwar der anch in
allem Glanz und Prunk höfischen Lebens erfahrnen Persönlichkeit des Kurfürsten
nicht zuwider, aber es wäre doch für die Charakterisierung dieses hervorragenden
Fürsten gar zu wenig und eher geeignet, seine geschichtliche Bedeutung herab¬
zudrücken. Man steht vor dieser Figur wie vor einem Rätsel. Hätte der Bild-


I



Die Aiegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck

(Schluß)

n der von Otto Lessing in die Siegcsallee gestellten Figur des
Kurfürsten ist von dieser Begeisterung nicht viel zu merken. Die
oben angedeuteten Fehler des Manzelschen Standbilds Kurfürst
Friedrichs I. wiederholen sich hier. Beide Figuren haben in der
Haltung, Größe und Kvstümierung eine auffällige Ähnlichkeit. Gegen
die Ähnlichkeit wäre, da es sich um Vater und Sohn handelt, wenig
einzuwenden. Zunächst hätte man auch bei Albrecht Achilles eine etwas größere
und mindestens eine kraftvollere Statur erwartet. Sodann ober trägt die Lessingsche
Figur denselben schweren, ohne jeden malerischen Effekt fast glatt herabfallenden
Kurfürsteumantel wie Manzels Friedrich I. Nur daß Lessing ihn noch mehr ver¬
längert hat, sodaß er vorn die Füße völlig bedeckt, ja noch ein wenig über den
Sockel hinansschleppt. An den Seiten erscheint durch den Schlitz des Mantels
etwas von den Beinen und der Figur des Kurfürsten, sodaß man wenigstens sieht,
daß er unter dem Mantel die Rüstung trägt. Der Mantel schlägt hier an der
Vorderseite mehr Falten als der bei Menzel, aber auch hier erscheinen diese Falten
lang und fast glatt. Von einer künstlerisch wirkenden Drapierung kann man nicht
reden. Der Schwanenorden, der an der Kette über dem Hermelinkragen hängt,
reicht nicht aus, diese Einförmigkeit des Mantels auch mir notdürftig auszugleichen.
Der Mantel, wie ihn Lessing und Manzel hier verwandt haben, ist ein direkt
kunstwidriges Gewandstück, gegen das die Cylinderhose noch erträglicher erscheint.
Als Kopfbedeckung trägt Albrecht Achilles auch hier, offenbar dem Bemäntlnngs-
kostüm entsprechend, ein ziemlich weit nach hinten geschobnes Barett, nicht ganz
so niedrig und ohne deu breiten Deckel wie bei Manzel, aber doch nicht scharf
genug charakterisiert, daß es etwa als Kurhut gelten könnte. Der schwere Eifen¬
hein steht neben dem linken Fuße ans dem Sockel. Das bartlose, von dem langen
Haar auf beiden Seiten umrahmte Gesicht erscheint gutmütig, zeigt aber nicht die
Geistes- und Willenskraft, durch die sich Albrecht Achill auszeichnete und seine ge¬
schichtlichen Erfolge errang. Wenig glücklich sind Arme und Hände geraten. Mit
dem im rechten Winkel gegen die Brust gekrümmten linken Arm drückt der Kur¬
fürst das mehr elegante als kräftige Schwert gegen die linke Brust. Eine gerade
bei diesem streitbaren Manne unverständliche, nichtssagende, theatralische Attitüde.
Der rechte Arm ist nach unter weit ausgestreckt, und die rechte Hand hält — man
kann kaum anders sagen als krampfhaft — einen Handschuh. Was dieser Hand¬
schuh bedeuten soll, ist unverständlich. Ein Fehdehandschuh kauu es unmöglich sein.
Dazu paßt weder das übrige Kostüm, noch die Haltung der Figur. Soll damit
eine gewisse höfische Eleganz angedeutet werden, so wäre das zwar der anch in
allem Glanz und Prunk höfischen Lebens erfahrnen Persönlichkeit des Kurfürsten
nicht zuwider, aber es wäre doch für die Charakterisierung dieses hervorragenden
Fürsten gar zu wenig und eher geeignet, seine geschichtliche Bedeutung herab¬
zudrücken. Man steht vor dieser Figur wie vor einem Rätsel. Hätte der Bild-


I

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[0432] [Abbildung] Die Aiegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck (Schluß) n der von Otto Lessing in die Siegcsallee gestellten Figur des Kurfürsten ist von dieser Begeisterung nicht viel zu merken. Die oben angedeuteten Fehler des Manzelschen Standbilds Kurfürst Friedrichs I. wiederholen sich hier. Beide Figuren haben in der Haltung, Größe und Kvstümierung eine auffällige Ähnlichkeit. Gegen die Ähnlichkeit wäre, da es sich um Vater und Sohn handelt, wenig einzuwenden. Zunächst hätte man auch bei Albrecht Achilles eine etwas größere und mindestens eine kraftvollere Statur erwartet. Sodann ober trägt die Lessingsche Figur denselben schweren, ohne jeden malerischen Effekt fast glatt herabfallenden Kurfürsteumantel wie Manzels Friedrich I. Nur daß Lessing ihn noch mehr ver¬ längert hat, sodaß er vorn die Füße völlig bedeckt, ja noch ein wenig über den Sockel hinansschleppt. An den Seiten erscheint durch den Schlitz des Mantels etwas von den Beinen und der Figur des Kurfürsten, sodaß man wenigstens sieht, daß er unter dem Mantel die Rüstung trägt. Der Mantel schlägt hier an der Vorderseite mehr Falten als der bei Menzel, aber auch hier erscheinen diese Falten lang und fast glatt. Von einer künstlerisch wirkenden Drapierung kann man nicht reden. Der Schwanenorden, der an der Kette über dem Hermelinkragen hängt, reicht nicht aus, diese Einförmigkeit des Mantels auch mir notdürftig auszugleichen. Der Mantel, wie ihn Lessing und Manzel hier verwandt haben, ist ein direkt kunstwidriges Gewandstück, gegen das die Cylinderhose noch erträglicher erscheint. Als Kopfbedeckung trägt Albrecht Achilles auch hier, offenbar dem Bemäntlnngs- kostüm entsprechend, ein ziemlich weit nach hinten geschobnes Barett, nicht ganz so niedrig und ohne deu breiten Deckel wie bei Manzel, aber doch nicht scharf genug charakterisiert, daß es etwa als Kurhut gelten könnte. Der schwere Eifen¬ hein steht neben dem linken Fuße ans dem Sockel. Das bartlose, von dem langen Haar auf beiden Seiten umrahmte Gesicht erscheint gutmütig, zeigt aber nicht die Geistes- und Willenskraft, durch die sich Albrecht Achill auszeichnete und seine ge¬ schichtlichen Erfolge errang. Wenig glücklich sind Arme und Hände geraten. Mit dem im rechten Winkel gegen die Brust gekrümmten linken Arm drückt der Kur¬ fürst das mehr elegante als kräftige Schwert gegen die linke Brust. Eine gerade bei diesem streitbaren Manne unverständliche, nichtssagende, theatralische Attitüde. Der rechte Arm ist nach unter weit ausgestreckt, und die rechte Hand hält — man kann kaum anders sagen als krampfhaft — einen Handschuh. Was dieser Hand¬ schuh bedeuten soll, ist unverständlich. Ein Fehdehandschuh kauu es unmöglich sein. Dazu paßt weder das übrige Kostüm, noch die Haltung der Figur. Soll damit eine gewisse höfische Eleganz angedeutet werden, so wäre das zwar der anch in allem Glanz und Prunk höfischen Lebens erfahrnen Persönlichkeit des Kurfürsten nicht zuwider, aber es wäre doch für die Charakterisierung dieses hervorragenden Fürsten gar zu wenig und eher geeignet, seine geschichtliche Bedeutung herab¬ zudrücken. Man steht vor dieser Figur wie vor einem Rätsel. Hätte der Bild- I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/432>, abgerufen am 27.06.2024.