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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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schaft davon Gewinn haben werden. Man sollte mit dem Abscheu vor dem
Reicherwerden der Reichen nicht immerfort soviel Staat zu machen suchen, am
wenigsten der Finanzminister. Er weiß doch recht gut, daß das unter Um¬
ständen auch seine sehr guten Seiten hat und der deutschen Weltpolitik zu gute
kommt, zumal da, Gott sei Dank, die Armen nicht dadurch armer werden.

Von der militärischen Begründung der Vorlage wollen wir hier weiter
nicht reden. Sie mag Wohl berechtigt sein, steht aber an Gewicht sehr weit
hinter der wirtschaftlichen zurück. Sie ist auch schließlich Sache des Reichs,
auf dessen Interessen sonst in der Vorlage und den Debatten darüber gar kein
Bezug genommen worden ist. Formell mit Recht; aber der dringende Wunsch
muß doch ausgesprochen werden, daß der Rhein-Elbekanal von der preußischen
Staatsregierung auch vom deutschen nationalen Standpunkte gewürdigt, nicht
nur als ein partikularistisches preußisches Interesse behandelt werde. Wenn
sich die Fiskalität der preußischen Verkehrsverwaltung in der Kanalpolitik dem
deutschen "Ausland" gegenüber ebenso scharf und einseitig geltend machte wie
in der Eisenbahnpolitik, so müßte das sehr beklagt werden. Von dem deutschen
Wnsscrstraßennetz ist das preußische nur ein Teil, und als das soll es auch
von Preußen aufgefaßt werden.

Wie es scheint, wird wieder einmal das Zentrum den Ausschlag geben,
und es wird nicht gewillt sein, die angenehme Situation, die bestumworbne
Partei zu sein, unnötig zu verkürzen. So eilig ist die Sache auch nicht, und
wir sind ja an diesen Zustand schon so sehr gewöhnt, daß wir seine Jämmer¬
lichkeit kaum noch empfinden. Da wird man sich auch uoch darüber freuen
können, wenn der preußische Staat und der preußische König den Rhein-Elbe-
kanal der ultramontanen Gnade verdanken werden. Wir werden es schließlich
selbst thun müssen, aber verdacht soll es einem nicht werden, wenn man über
/? diese ganze Wirtschaft einmal fuchsteufelswild wird.




Die Heeschlange des deutschen Ruderkommandos
von Georg ZVislicenus

n zopfiger Schildbürgern fehlt es im deutschen Seefahrtsbetriebe
wahrlich nicht, das hat Herr Jhnken in Ur. 6 sehr hübsch und
anschaulich geschildert. Aber hat er Recht gethan, den Binnen¬
länder mit dieser seemännischen Frage zu behelligen? Zwar ist
Leipzig als Seestadt bekannter als Papenbnrg und hat Wohl
sicherlich auch mehr überseeische Interessen, als dieser Hafenplatz der kleinen
Küstenfahrt; aber Leipzig ist auch der juristische Mittelpunkt Deutschlands,
und da ist denn doch zu befürchten, das die Frage des Ruderkommandos aus


Grenzboten I 1901

schaft davon Gewinn haben werden. Man sollte mit dem Abscheu vor dem
Reicherwerden der Reichen nicht immerfort soviel Staat zu machen suchen, am
wenigsten der Finanzminister. Er weiß doch recht gut, daß das unter Um¬
ständen auch seine sehr guten Seiten hat und der deutschen Weltpolitik zu gute
kommt, zumal da, Gott sei Dank, die Armen nicht dadurch armer werden.

Von der militärischen Begründung der Vorlage wollen wir hier weiter
nicht reden. Sie mag Wohl berechtigt sein, steht aber an Gewicht sehr weit
hinter der wirtschaftlichen zurück. Sie ist auch schließlich Sache des Reichs,
auf dessen Interessen sonst in der Vorlage und den Debatten darüber gar kein
Bezug genommen worden ist. Formell mit Recht; aber der dringende Wunsch
muß doch ausgesprochen werden, daß der Rhein-Elbekanal von der preußischen
Staatsregierung auch vom deutschen nationalen Standpunkte gewürdigt, nicht
nur als ein partikularistisches preußisches Interesse behandelt werde. Wenn
sich die Fiskalität der preußischen Verkehrsverwaltung in der Kanalpolitik dem
deutschen „Ausland" gegenüber ebenso scharf und einseitig geltend machte wie
in der Eisenbahnpolitik, so müßte das sehr beklagt werden. Von dem deutschen
Wnsscrstraßennetz ist das preußische nur ein Teil, und als das soll es auch
von Preußen aufgefaßt werden.

Wie es scheint, wird wieder einmal das Zentrum den Ausschlag geben,
und es wird nicht gewillt sein, die angenehme Situation, die bestumworbne
Partei zu sein, unnötig zu verkürzen. So eilig ist die Sache auch nicht, und
wir sind ja an diesen Zustand schon so sehr gewöhnt, daß wir seine Jämmer¬
lichkeit kaum noch empfinden. Da wird man sich auch uoch darüber freuen
können, wenn der preußische Staat und der preußische König den Rhein-Elbe-
kanal der ultramontanen Gnade verdanken werden. Wir werden es schließlich
selbst thun müssen, aber verdacht soll es einem nicht werden, wenn man über
/? diese ganze Wirtschaft einmal fuchsteufelswild wird.




Die Heeschlange des deutschen Ruderkommandos
von Georg ZVislicenus

n zopfiger Schildbürgern fehlt es im deutschen Seefahrtsbetriebe
wahrlich nicht, das hat Herr Jhnken in Ur. 6 sehr hübsch und
anschaulich geschildert. Aber hat er Recht gethan, den Binnen¬
länder mit dieser seemännischen Frage zu behelligen? Zwar ist
Leipzig als Seestadt bekannter als Papenbnrg und hat Wohl
sicherlich auch mehr überseeische Interessen, als dieser Hafenplatz der kleinen
Küstenfahrt; aber Leipzig ist auch der juristische Mittelpunkt Deutschlands,
und da ist denn doch zu befürchten, das die Frage des Ruderkommandos aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/369>, abgerufen am 27.06.2024.