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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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rnngen mich starken Patriotismus; aber es ist sehr unklug, sie laut werden
zu lassen, ja auch nur ernstlich solche Wünsche zu hegen, Posen wird nie zu
einem freien polnischen Staat gehören, und die Landessprache wird dort die
deutsche bleiben, wenigstens in den Gebieten des staatlichen Verkehrs, Dieser
polnische Sieg mag vielen polnischen Damen einen patriotischen Genuß bereitet
haben; ernsthafte Leute aber könnten sich sagen, daß es thöricht sei, seine
Kräfte für Briefadressen zu vergeuden, während es doch Dinge von weit
größerer Bedeutung und weit größerer Berechtigung giebt, um deren Vertei¬
digung es sich heute für sie handelt. Aber der Pole scheint nun einmal poli¬
tische Erfolge weniger ertragen zu können als Niederlagen und wird nicht bei
d L, v, d. B r ügge" en Briefadressen stehn bleiben,




Zur neuen Kanalvorlage
(Schluß)

n scharfem Kontrast zu dem sich aus der ganzen Vorlage auf¬
drängenden Eindruck beispielloser Schwäche, in die die Regierung
deu agrarischen Mehrheitsparteien gegenüber geraten ist, steht die
Stärke der sachlichen Gründe, die sowohl in der schriftlichen
Begründung wie von den beteiligten Fachminister" in der ersten
Lesung vont 4. bis 7. Februar für die Anlage der Wasserstraße zwischen Rhein
und Weichsel ins Treffen geführt worden sind. Wen" wir darauf jetzt noch
etwas näher eingehn, so scheiden wir die mit der genannten Wasserstraße nicht
zusammenhängenden drei dem Interesse der Laudeskultnr dienenden Projekte
ganz aus. Es soll damit ihrer Berechtigung und Dringlichkeit nicht im ge¬
ringsten zu nahe getreten werden, Sie sind besonders zu prüfen, besonders zu
beschließe". Je eher ihr nur papierner Zusammenhang mit dem Rhein-Weichsel¬
kanal zerrissen wird, um so besser, Auch ihre Finanzierung ist ja nach der
eignen Ansicht der Negierung besonders zu gestalten; nicht nur, daß der Staat
hier die .Kosten 5 l'on<l8 psrdu zahlen soll, er soll sie auch aus deu laufenden
Einnahmen, nicht aus Anleihen decken. Ob es gerechtfertigt ist, die Inter¬
essenten in allen drei Fällen - untere Oder, untere Havel und Spree --
nur mit einem Fünftel der Kosten, statt, wie es die Regel ist und nach den
Erklärungen der Negierung anch die Regel bleiben soll, mit einem Drittel zu
belasten, muß unter besondrer Prüfung der Einzelfälle entschiedet! werden. Es
wäre vielleicht richtiger gewesen und wird für die Zukunft jedenfalls wieder
als das praktischere betrachtet werden müsse", daß so große Vorflntregulierungen
für einzelne, voneinander so ganz unabhängige Flußgebiete anch durch besondre
einzelne Gesetze beschlossen werden.


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rnngen mich starken Patriotismus; aber es ist sehr unklug, sie laut werden
zu lassen, ja auch nur ernstlich solche Wünsche zu hegen, Posen wird nie zu
einem freien polnischen Staat gehören, und die Landessprache wird dort die
deutsche bleiben, wenigstens in den Gebieten des staatlichen Verkehrs, Dieser
polnische Sieg mag vielen polnischen Damen einen patriotischen Genuß bereitet
haben; ernsthafte Leute aber könnten sich sagen, daß es thöricht sei, seine
Kräfte für Briefadressen zu vergeuden, während es doch Dinge von weit
größerer Bedeutung und weit größerer Berechtigung giebt, um deren Vertei¬
digung es sich heute für sie handelt. Aber der Pole scheint nun einmal poli¬
tische Erfolge weniger ertragen zu können als Niederlagen und wird nicht bei
d L, v, d. B r ügge» en Briefadressen stehn bleiben,




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n scharfem Kontrast zu dem sich aus der ganzen Vorlage auf¬
drängenden Eindruck beispielloser Schwäche, in die die Regierung
deu agrarischen Mehrheitsparteien gegenüber geraten ist, steht die
Stärke der sachlichen Gründe, die sowohl in der schriftlichen
Begründung wie von den beteiligten Fachminister» in der ersten
Lesung vont 4. bis 7. Februar für die Anlage der Wasserstraße zwischen Rhein
und Weichsel ins Treffen geführt worden sind. Wen» wir darauf jetzt noch
etwas näher eingehn, so scheiden wir die mit der genannten Wasserstraße nicht
zusammenhängenden drei dem Interesse der Laudeskultnr dienenden Projekte
ganz aus. Es soll damit ihrer Berechtigung und Dringlichkeit nicht im ge¬
ringsten zu nahe getreten werden, Sie sind besonders zu prüfen, besonders zu
beschließe». Je eher ihr nur papierner Zusammenhang mit dem Rhein-Weichsel¬
kanal zerrissen wird, um so besser, Auch ihre Finanzierung ist ja nach der
eignen Ansicht der Negierung besonders zu gestalten; nicht nur, daß der Staat
hier die .Kosten 5 l'on<l8 psrdu zahlen soll, er soll sie auch aus deu laufenden
Einnahmen, nicht aus Anleihen decken. Ob es gerechtfertigt ist, die Inter¬
essenten in allen drei Fällen - untere Oder, untere Havel und Spree —
nur mit einem Fünftel der Kosten, statt, wie es die Regel ist und nach den
Erklärungen der Negierung anch die Regel bleiben soll, mit einem Drittel zu
belasten, muß unter besondrer Prüfung der Einzelfälle entschiedet! werden. Es
wäre vielleicht richtiger gewesen und wird für die Zukunft jedenfalls wieder
als das praktischere betrachtet werden müsse», daß so große Vorflntregulierungen
für einzelne, voneinander so ganz unabhängige Flußgebiete anch durch besondre
einzelne Gesetze beschlossen werden.


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[0358] Zur neuen Ucinalvorlage rnngen mich starken Patriotismus; aber es ist sehr unklug, sie laut werden zu lassen, ja auch nur ernstlich solche Wünsche zu hegen, Posen wird nie zu einem freien polnischen Staat gehören, und die Landessprache wird dort die deutsche bleiben, wenigstens in den Gebieten des staatlichen Verkehrs, Dieser polnische Sieg mag vielen polnischen Damen einen patriotischen Genuß bereitet haben; ernsthafte Leute aber könnten sich sagen, daß es thöricht sei, seine Kräfte für Briefadressen zu vergeuden, während es doch Dinge von weit größerer Bedeutung und weit größerer Berechtigung giebt, um deren Vertei¬ digung es sich heute für sie handelt. Aber der Pole scheint nun einmal poli¬ tische Erfolge weniger ertragen zu können als Niederlagen und wird nicht bei d L, v, d. B r ügge» en Briefadressen stehn bleiben, Zur neuen Kanalvorlage (Schluß) n scharfem Kontrast zu dem sich aus der ganzen Vorlage auf¬ drängenden Eindruck beispielloser Schwäche, in die die Regierung deu agrarischen Mehrheitsparteien gegenüber geraten ist, steht die Stärke der sachlichen Gründe, die sowohl in der schriftlichen Begründung wie von den beteiligten Fachminister» in der ersten Lesung vont 4. bis 7. Februar für die Anlage der Wasserstraße zwischen Rhein und Weichsel ins Treffen geführt worden sind. Wen» wir darauf jetzt noch etwas näher eingehn, so scheiden wir die mit der genannten Wasserstraße nicht zusammenhängenden drei dem Interesse der Laudeskultnr dienenden Projekte ganz aus. Es soll damit ihrer Berechtigung und Dringlichkeit nicht im ge¬ ringsten zu nahe getreten werden, Sie sind besonders zu prüfen, besonders zu beschließe». Je eher ihr nur papierner Zusammenhang mit dem Rhein-Weichsel¬ kanal zerrissen wird, um so besser, Auch ihre Finanzierung ist ja nach der eignen Ansicht der Negierung besonders zu gestalten; nicht nur, daß der Staat hier die .Kosten 5 l'on<l8 psrdu zahlen soll, er soll sie auch aus deu laufenden Einnahmen, nicht aus Anleihen decken. Ob es gerechtfertigt ist, die Inter¬ essenten in allen drei Fällen - untere Oder, untere Havel und Spree — nur mit einem Fünftel der Kosten, statt, wie es die Regel ist und nach den Erklärungen der Negierung anch die Regel bleiben soll, mit einem Drittel zu belasten, muß unter besondrer Prüfung der Einzelfälle entschiedet! werden. Es wäre vielleicht richtiger gewesen und wird für die Zukunft jedenfalls wieder als das praktischere betrachtet werden müsse», daß so große Vorflntregulierungen für einzelne, voneinander so ganz unabhängige Flußgebiete anch durch besondre einzelne Gesetze beschlossen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/358>, abgerufen am 27.06.2024.