Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Erlebnisse eines achtjährigen Jungen hergegangen sein, denn die Kleider von Monsieur Vesse, die Synatschke zum Dessen ungeachtet blieb für mich noch mancher dunkle Punkt bei der Sache. Syncitschke hatte die Vermutung ausgesprochen, Monsieur Besse müsse am Warum hatte sich Fräulein Hermine nicht zwischen die Kämpfenden ge¬ Was konnte Monsieur Besse veranlaßt haben, sich ohne mich und zu einer Es stellte sich zu meinem lebhaften Mißvergnügen bald genng heraus, daß Vorüber, ihr Schafe, vorüber. Kaum acht Jahre alt, und schon um eine Illusion ärmer! Henriette Alitsch Henriette Kutsch, unsre Köchin, von der bei Gelegenheit des Synatschkischen Erlebnisse eines achtjährigen Jungen hergegangen sein, denn die Kleider von Monsieur Vesse, die Synatschke zum Dessen ungeachtet blieb für mich noch mancher dunkle Punkt bei der Sache. Syncitschke hatte die Vermutung ausgesprochen, Monsieur Besse müsse am Warum hatte sich Fräulein Hermine nicht zwischen die Kämpfenden ge¬ Was konnte Monsieur Besse veranlaßt haben, sich ohne mich und zu einer Es stellte sich zu meinem lebhaften Mißvergnügen bald genng heraus, daß Vorüber, ihr Schafe, vorüber. Kaum acht Jahre alt, und schon um eine Illusion ärmer! Henriette Alitsch Henriette Kutsch, unsre Köchin, von der bei Gelegenheit des Synatschkischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234179"/> <fw type="header" place="top"> Erlebnisse eines achtjährigen Jungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_990" prev="#ID_989"> hergegangen sein, denn die Kleider von Monsieur Vesse, die Synatschke zum<lb/> Schneider hatte schaffen müssen, hatten schrecklich ausgesehen. Der Dritte, der un¬<lb/> genannt zu bleiben wünschte, war, wie ich doch schließlich noch ans Syncitschke<lb/> herausbrachte, kein andrer gewesen als unser Vogt, Eifersucht, sagte Syncitschke,<lb/> was ich mir, in Ermanglung jeder Erfahrung auf dem dabei wirklich in Frage<lb/> kommenden Gebiete, dahin zurecht legte, daß Vogt, der Sübelbciue hatte, natürlich<lb/> auf Monsieur Besse um deswillen eifersüchtig sein müßte, daß dessen Beine gerade<lb/> wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_991"> Dessen ungeachtet blieb für mich noch mancher dunkle Punkt bei der Sache.</p><lb/> <p xml:id="ID_992"> Syncitschke hatte die Vermutung ausgesprochen, Monsieur Besse müsse am<lb/> ganzen Körper grün und blan sein. Wie kam es, daß weder er noch Vogt Spuren<lb/> des bestandnen Kampfes im Gesicht oder an den Händen trugen? Ein Glück war<lb/> das freilich, da auf diese Weise meine Eltern nichts von der Sache zu erfahren<lb/> brauchten, aber wie war es zugegangen? Hatte er sich nicht gewehrt? Hatten die<lb/> andern mit Vorbedacht uur dahin geschlagen, wo die grünen und blauen Flecke nicht<lb/> an ihnen zu Verrätern werden konnten?</p><lb/> <p xml:id="ID_993"> Warum hatte sich Fräulein Hermine nicht zwischen die Kämpfenden ge¬<lb/> worfen ?</p><lb/> <p xml:id="ID_994"> Was konnte Monsieur Besse veranlaßt haben, sich ohne mich und zu einer<lb/> Zeit, wo solide Staatsbürger schon in ihren Betten lagen, in den Garten des<lb/> Handschuhmachers zu begeben? Wenn sein Besuch, wie ich nicht glauben wollte,<lb/> Fräulein Hermine gegolten hatte, warum hatte er nicht bis zum andern Morgen<lb/> gewartet und mich mitgenommen? Ich hätte das sicherlich gethan und konnte in<lb/> einem solchen Einzelbesuche unmöglich mir gegenüber ein wahrhaft kameradschaft¬<lb/> liches und im eigentlichen Sinne des Worts loyales Vorgehn sehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_995"> Es stellte sich zu meinem lebhaften Mißvergnügen bald genng heraus, daß<lb/> alle Beziehungen zwischen Monsieur Besse und der Handschuhmachersfamilie abge¬<lb/> brochen waren, sogar das Niedersdorser Thor bei Gelegenheit des täglichen<lb/> Spaziergnngs zu passieren wurde streng vermieden. Und damit hatte auch für<lb/> mich die ganze Hnndschnhmachersherrlichkeit ein Ende. Mit Vogt wollte ich nicht<lb/> hingehn, weil mir das wie ein Übergang ins feindliche Lager ausgesehen hätte,<lb/> und wenn ich allein kam, war von der frühern Begeisterung weder die mir Ver¬<lb/> meintlich zukommende Hälfte noch sonst der geringste Bruchteil zu spüren. Ich war<lb/> sehr unglücklich!</p><lb/> <quote> Vorüber, ihr Schafe, vorüber.<lb/> Dem Schäfer ist gar so weh!</quote><lb/> <p xml:id="ID_996"> Kaum acht Jahre alt, und schon um eine Illusion ärmer!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Henriette Alitsch</head><lb/> <p xml:id="ID_997" next="#ID_998"> Henriette Kutsch, unsre Köchin, von der bei Gelegenheit des Synatschkischen<lb/> Neischklößcheudepots die Rede gewesen ist, war eine geborne Böhmin wie be¬<lb/> deutet auf tschechisch Schlüssel. Nomen ot viam babot, wie der Lateiner sagt. Ent¬<lb/> weder sie lMe den Schlüssel zur Speisekammer eben „wieder reingetragen" und<lb/> brauchte ihn, oder sie hatte ihn verlegt und suchte ihn. oder sie hatte ehr, wenn<lb/> der Zitronenauflauf zu steigen begann, in der Aufregung des psychologischen<lb/> Moments verkehrt ins Schlüsselloch gezwängt, sodaß sie ihn weder umdrehn noch<lb/> Wieder herausziehn konnte: kurz es war immer etwas los mit dem unglücklichen<lb/> Schlüssel, und ihre Existenz bei uns war eine fortwährende, nur durch periodisch<lb/> wiederkehrende Kündigungsszenen unterbrochne, ich möchte sagen erheiterte Klieiade.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
Erlebnisse eines achtjährigen Jungen
hergegangen sein, denn die Kleider von Monsieur Vesse, die Synatschke zum
Schneider hatte schaffen müssen, hatten schrecklich ausgesehen. Der Dritte, der un¬
genannt zu bleiben wünschte, war, wie ich doch schließlich noch ans Syncitschke
herausbrachte, kein andrer gewesen als unser Vogt, Eifersucht, sagte Syncitschke,
was ich mir, in Ermanglung jeder Erfahrung auf dem dabei wirklich in Frage
kommenden Gebiete, dahin zurecht legte, daß Vogt, der Sübelbciue hatte, natürlich
auf Monsieur Besse um deswillen eifersüchtig sein müßte, daß dessen Beine gerade
wären.
Dessen ungeachtet blieb für mich noch mancher dunkle Punkt bei der Sache.
Syncitschke hatte die Vermutung ausgesprochen, Monsieur Besse müsse am
ganzen Körper grün und blan sein. Wie kam es, daß weder er noch Vogt Spuren
des bestandnen Kampfes im Gesicht oder an den Händen trugen? Ein Glück war
das freilich, da auf diese Weise meine Eltern nichts von der Sache zu erfahren
brauchten, aber wie war es zugegangen? Hatte er sich nicht gewehrt? Hatten die
andern mit Vorbedacht uur dahin geschlagen, wo die grünen und blauen Flecke nicht
an ihnen zu Verrätern werden konnten?
Warum hatte sich Fräulein Hermine nicht zwischen die Kämpfenden ge¬
worfen ?
Was konnte Monsieur Besse veranlaßt haben, sich ohne mich und zu einer
Zeit, wo solide Staatsbürger schon in ihren Betten lagen, in den Garten des
Handschuhmachers zu begeben? Wenn sein Besuch, wie ich nicht glauben wollte,
Fräulein Hermine gegolten hatte, warum hatte er nicht bis zum andern Morgen
gewartet und mich mitgenommen? Ich hätte das sicherlich gethan und konnte in
einem solchen Einzelbesuche unmöglich mir gegenüber ein wahrhaft kameradschaft¬
liches und im eigentlichen Sinne des Worts loyales Vorgehn sehen!
Es stellte sich zu meinem lebhaften Mißvergnügen bald genng heraus, daß
alle Beziehungen zwischen Monsieur Besse und der Handschuhmachersfamilie abge¬
brochen waren, sogar das Niedersdorser Thor bei Gelegenheit des täglichen
Spaziergnngs zu passieren wurde streng vermieden. Und damit hatte auch für
mich die ganze Hnndschnhmachersherrlichkeit ein Ende. Mit Vogt wollte ich nicht
hingehn, weil mir das wie ein Übergang ins feindliche Lager ausgesehen hätte,
und wenn ich allein kam, war von der frühern Begeisterung weder die mir Ver¬
meintlich zukommende Hälfte noch sonst der geringste Bruchteil zu spüren. Ich war
sehr unglücklich!
Vorüber, ihr Schafe, vorüber.
Dem Schäfer ist gar so weh!
Kaum acht Jahre alt, und schon um eine Illusion ärmer!
Henriette Alitsch
Henriette Kutsch, unsre Köchin, von der bei Gelegenheit des Synatschkischen
Neischklößcheudepots die Rede gewesen ist, war eine geborne Böhmin wie be¬
deutet auf tschechisch Schlüssel. Nomen ot viam babot, wie der Lateiner sagt. Ent¬
weder sie lMe den Schlüssel zur Speisekammer eben „wieder reingetragen" und
brauchte ihn, oder sie hatte ihn verlegt und suchte ihn. oder sie hatte ehr, wenn
der Zitronenauflauf zu steigen begann, in der Aufregung des psychologischen
Moments verkehrt ins Schlüsselloch gezwängt, sodaß sie ihn weder umdrehn noch
Wieder herausziehn konnte: kurz es war immer etwas los mit dem unglücklichen
Schlüssel, und ihre Existenz bei uns war eine fortwährende, nur durch periodisch
wiederkehrende Kündigungsszenen unterbrochne, ich möchte sagen erheiterte Klieiade.
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