Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Wohlthat in eignem Interesse auch sofort zurückgewiesen. Der chinesische Autor Hurleys Religion. ' Aus dem jetzt erschienenen hervorragenden Werke. Maßgebliches und Unmaßgebliches Wohlthat in eignem Interesse auch sofort zurückgewiesen. Der chinesische Autor Hurleys Religion. ' Aus dem jetzt erschienenen hervorragenden Werke. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234131"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839"> Wohlthat in eignem Interesse auch sofort zurückgewiesen. Der chinesische Autor<lb/> hofft Gutes aus dein libet und sieht eine Auferstehung Chinas nach der Boxer¬<lb/> rebellion gleich der Ägyptens nach dem Aufstand Arabi Paschas, vorausgesetzt, daß<lb/> die Forderungen der Mächte maßvoll sind und die Integrität des Reiches gewahrt<lb/> bleibt. Das chinesische Volk werde für alle uneigennützigen Ratschläge dankbar sein<lb/> und alle Reformen, die die Volkshygiene, den Fortschritt, den Handel betreffen,<lb/> gern begrüßen. Die Missionare des Christentums sind bei dieser glücklichen Zu¬<lb/> k<note type="byline"> M.</note> unft Chinas von Taw-Sein-Ko nicht erwähnt. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Hurleys Religion.<lb/> '</head> <p xml:id="ID_841" next="#ID_842"> Aus dem jetzt erschienenen hervorragenden Werke.<lb/> 'I'Ks I-nes s,llÄ l-otter» ot '1'IiowÄS Hvnr> Ruxls^ — das in England einen kolossalen<lb/> buchhändlerischen Erfolg zu verzeichne» hat, indem die erste Auflage durch Voraus-<lb/> bestelluuge» erschöpft wurde, sodaß nach vierzehn Tagen ein zweiter Druck cnmoneiert<lb/> wurde, bei einem Preis von 30 Schilling! Wann werden die Deutschen lernen,<lb/> Bücher zu tauft»? möchten wir einige Aussprüche des großen englischen Natur¬<lb/> forschers anführen, die ein schönes Licht auf das innere Leben, wir dürfen sagen<lb/> „die Religion" des Mannes werfen, den das kirchliche England einen „Atheisten<lb/> und »»kirchliche» Spötter" genannt hatte. Unter dem Eindruck des Todes seines<lb/> Erstgebornen schreibt der naturwissenschaftliche Denker an Charles Kingsleh: „Als<lb/> ich jüngst am Sarge meines kleinen Sohnes stand und mein Sinn wahrlich an<lb/> andre Dinge dachte als an Disput, las der dienstthuende Geistliche als einen Teil<lb/> der Liturgie die Worte: »Steh» die Toten nicht ans, so lasset uns essen und trinken;<lb/> denn morgen sind wir tot.« (Es ist 1. Kor. 15, 33.) Ich kann gar nicht sagen,<lb/> wie diese Worte in ich tränkten. Paulus hatte nicht Weib und Kind, sonst müßte<lb/> er gewußt haben, daß diese Alternative eine Blasphemie gegen das Beste und Edelste,<lb/> was die Natur hat, in sich schließt. Was! Weil ich im Angesichte eines unersetz¬<lb/> lichen Verlustes stehe, weil ich der Quelle, aus der die Ursache eines großen Glückes<lb/> für mich geflossen ist, diese Ursache zurückgeben muß, wobei ich doch mein ganzes<lb/> Leben lang den Segen, der daraus entsprungen ist und auch noch daraus entspringen<lb/> wird, weiter fühlen werde: deswegen soll ich ans meine Mnnneswürde verzichte»<lb/> und wehklagend mich in Bestialität verkriechen? Carlyles 3-z.rror Rssg.rw« ließ mich<lb/> erkennen, daß ein tiefes religiöses Gefühl mit vollständiger Abwesenheit von Theo¬<lb/> logie vereinbar ist. Dazu kommt, daß die Wissenschaft und ihre Methoden mir<lb/> einen Ruheplatz gäbe», der von Autorität »ud Tradition unabhängig ist. Dritteiis<lb/> hat die Liebe mir die Heiligkeit der menschlichen Natur offenbart und mir das<lb/> Gefühl der Verantwortlichkeit tief eingeprägt. Wenn ich in diesem Augenblicke<lb/> nicht ein abgenutztes, verkomiunes, unfähiges Gerippe eines Mannes bin, wenn es<lb/> mein Schicksal war oder sein wird, die Sache der Wissenschaft vorwärts zu bringe»,<lb/> wen» ich fühle, daß ich auch nur den Schatten eines Anspruchs auf die Liebe aller<lb/> meiner Angehörigen habe, wenn in diesem schwerste» Augenblicke, wo ich in das<lb/> Grab meines Kindes hi»u»lersah, mein. Leid ohne Bitterkeit und voll Demut war,<lb/> so hatte dies seinen Grund darin, daß alle diese Umstände auf mich einwirkten<lb/> "»d nicht, weil ich jemals einen Augenblick daran dachte, daß meine geringe Person<lb/> für die Ewigkeit von dem Weltganzen, woher sie gekommen ist und wohin sie wieder<lb/> gehn wird, unterschiedlich (clistinoy sein könnte. Wohl kann ich Unrecht haben, und<lb/> wen», so weiß ich, daß ich dafür zu büße» haben werde. Aber ich kann n»r mit<lb/> Luther sagen: »Gott helfe mir, ich kann nicht anders.«" — Ein andermal schrieb<lb/> H"Lley ein Romanes: „Ich habe den höchsten Respekt vor dein Christentum, das<lb/> Jesus lehrt; doch herzlich wenig vor dem spätern Christentum. Die einzige Religion<lb/> "ber, die mein Innerstes ergreift, ist die Lehre der Propheten. Man möge sich<lb/> erinnern, daß die höchste Stufe moralischen Strebens, die in der Geschichte nach-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Wohlthat in eignem Interesse auch sofort zurückgewiesen. Der chinesische Autor
hofft Gutes aus dein libet und sieht eine Auferstehung Chinas nach der Boxer¬
rebellion gleich der Ägyptens nach dem Aufstand Arabi Paschas, vorausgesetzt, daß
die Forderungen der Mächte maßvoll sind und die Integrität des Reiches gewahrt
bleibt. Das chinesische Volk werde für alle uneigennützigen Ratschläge dankbar sein
und alle Reformen, die die Volkshygiene, den Fortschritt, den Handel betreffen,
gern begrüßen. Die Missionare des Christentums sind bei dieser glücklichen Zu¬
k M. unft Chinas von Taw-Sein-Ko nicht erwähnt.
Hurleys Religion.
' Aus dem jetzt erschienenen hervorragenden Werke.
'I'Ks I-nes s,llÄ l-otter» ot '1'IiowÄS Hvnr> Ruxls^ — das in England einen kolossalen
buchhändlerischen Erfolg zu verzeichne» hat, indem die erste Auflage durch Voraus-
bestelluuge» erschöpft wurde, sodaß nach vierzehn Tagen ein zweiter Druck cnmoneiert
wurde, bei einem Preis von 30 Schilling! Wann werden die Deutschen lernen,
Bücher zu tauft»? möchten wir einige Aussprüche des großen englischen Natur¬
forschers anführen, die ein schönes Licht auf das innere Leben, wir dürfen sagen
„die Religion" des Mannes werfen, den das kirchliche England einen „Atheisten
und »»kirchliche» Spötter" genannt hatte. Unter dem Eindruck des Todes seines
Erstgebornen schreibt der naturwissenschaftliche Denker an Charles Kingsleh: „Als
ich jüngst am Sarge meines kleinen Sohnes stand und mein Sinn wahrlich an
andre Dinge dachte als an Disput, las der dienstthuende Geistliche als einen Teil
der Liturgie die Worte: »Steh» die Toten nicht ans, so lasset uns essen und trinken;
denn morgen sind wir tot.« (Es ist 1. Kor. 15, 33.) Ich kann gar nicht sagen,
wie diese Worte in ich tränkten. Paulus hatte nicht Weib und Kind, sonst müßte
er gewußt haben, daß diese Alternative eine Blasphemie gegen das Beste und Edelste,
was die Natur hat, in sich schließt. Was! Weil ich im Angesichte eines unersetz¬
lichen Verlustes stehe, weil ich der Quelle, aus der die Ursache eines großen Glückes
für mich geflossen ist, diese Ursache zurückgeben muß, wobei ich doch mein ganzes
Leben lang den Segen, der daraus entsprungen ist und auch noch daraus entspringen
wird, weiter fühlen werde: deswegen soll ich ans meine Mnnneswürde verzichte»
und wehklagend mich in Bestialität verkriechen? Carlyles 3-z.rror Rssg.rw« ließ mich
erkennen, daß ein tiefes religiöses Gefühl mit vollständiger Abwesenheit von Theo¬
logie vereinbar ist. Dazu kommt, daß die Wissenschaft und ihre Methoden mir
einen Ruheplatz gäbe», der von Autorität »ud Tradition unabhängig ist. Dritteiis
hat die Liebe mir die Heiligkeit der menschlichen Natur offenbart und mir das
Gefühl der Verantwortlichkeit tief eingeprägt. Wenn ich in diesem Augenblicke
nicht ein abgenutztes, verkomiunes, unfähiges Gerippe eines Mannes bin, wenn es
mein Schicksal war oder sein wird, die Sache der Wissenschaft vorwärts zu bringe»,
wen» ich fühle, daß ich auch nur den Schatten eines Anspruchs auf die Liebe aller
meiner Angehörigen habe, wenn in diesem schwerste» Augenblicke, wo ich in das
Grab meines Kindes hi»u»lersah, mein. Leid ohne Bitterkeit und voll Demut war,
so hatte dies seinen Grund darin, daß alle diese Umstände auf mich einwirkten
"»d nicht, weil ich jemals einen Augenblick daran dachte, daß meine geringe Person
für die Ewigkeit von dem Weltganzen, woher sie gekommen ist und wohin sie wieder
gehn wird, unterschiedlich (clistinoy sein könnte. Wohl kann ich Unrecht haben, und
wen», so weiß ich, daß ich dafür zu büße» haben werde. Aber ich kann n»r mit
Luther sagen: »Gott helfe mir, ich kann nicht anders.«" — Ein andermal schrieb
H"Lley ein Romanes: „Ich habe den höchsten Respekt vor dein Christentum, das
Jesus lehrt; doch herzlich wenig vor dem spätern Christentum. Die einzige Religion
"ber, die mein Innerstes ergreift, ist die Lehre der Propheten. Man möge sich
erinnern, daß die höchste Stufe moralischen Strebens, die in der Geschichte nach-
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