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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

schuldlos lind gerecht, wenn sie günz grobe Sünder sind. Von einem alle Menschen
umfassenden sündelosen Reiche Gottes vermögen wir uns keine Vorstellung zu
machen; ob es Öttingen gelingen wird, im zweiten Teile, der die Erlösung be¬
handeln muß, eine" Begriff davon zu geben, bleibt abzuwarten. -- Im ganzen
dürfen wir sein vorliegendes Buch als einen groß angelegten ober noch nicht voll¬
ständig gelungner Versuch bezeichnen, die alte Dogmatik mit dem aus Wissenschaft,
geschichtlicher und Lebenserfahrung gebornen, freilich von Einmütigkeit noch weit
entfernten modernen Bewußtsein zu versöhnen. Zugleich orientiert es sehr voll¬
ständig über den gegenwärtigen Stand der dogmatischen Streitfragen in der evan¬
gelischen Kirche. -- Bei dieser Gelegenheit empfehlen wir noch ein verdienstliches
Buch: Das Alte Testament für das christliche Haus, ausgewählt und übersetzt
von Dr. Richnrd Pfeiffer, evangelischem Pfarrer in Sulzbach. (Erlangen, Karl
Pfeiffer, 1900.) Mit der Auswahl, die der Verfasser getroffen hat, kann man ein¬
verstanden sein. Die Sprache leistet zwar noch nicht das höchste, was eigentlich
von einer Volksbibel verlangt werden muß -- dazu würde ein poetisches Genie
gehören --, aber sie ist würdig, edel, deutlich und schließt sich an Luther an, soweit
es die Rücksicht auf Verständlichkeit und der moderne Sprachgebrauch zulassen.


Über Bildung und Kunstgeschmack.

Franz Hörmaim reist nach Italien
und kommt eines Abends ermüdet in Venedig an, so erschöpft, daß der erleuchtete
Mnrkusplatz seinen Erwartungen nicht entspricht und erst am folgenden Tage nach
einer durchjchlafuen Nacht den vollen Eindruck auf ihn macht. Der hohe, formlose
Glockenturm beängstigt ihn im Anfang; entweder ist das kein Kunstwerk, oder seine
Vorstellungen über das, was Kunst ist, sind falsch. Auch dieses Dilemmas Pein
Hort allmählich auf, und der Turm erscheint ihm zwar nicht als das Schönste in
seiner Art, aber er paßt doch in seine Umgebung, entspricht seiner Zeit und will
nur mit einem gewissen Maße erworbuer historischer Bildung angesehen sein, dann
wird er verständlich und zählt auch als Kunstwerk. Der Verfasser setzt das auf
zweiundsechzig Seiten viel hübscher und lebendiger auseinander (II LiunMiiilo all
Lau Ucci-o" oder Kunst und Ästhetik, Berlin, Siiuion), als es in diesem Auszug
geschehn konnte, er gewinnt dadurch als Erfordernis der "Kunst im engern Sinne"
die Voraussetzung eines ebenfalls engern Kreises von Genießenden, der geistigen
uppor ton tbousaml eines jeden Landes, ein Ausdruck, der ihm übrigens solche
Freude gemacht hat, daß er ihn unzähligemale wiederholt. nachdenkende Kunst¬
freunde werden sich gern mit ihm über ihre Eindrücke Rechenschaft geben mögen.
Er nimmt seinen Standpunkt gegen eine "Kunst für alle," aber auch gegen die
Souveränität des Künstlers, der alles Publikum mit seinem sogenannten Geschmack
gleichgiltig ist, und die uns ja von vielen Seiten jetzt empfohlen wird.

Mau tuum aber dieses Verhältnis der Kunst zu der Bildung ihrer Zeit auch
noch etwas tiefer auffassen, wie in den "Streiflichtern auf moderne Kunst und Bildung"
von Eremita (Groß-Lichterfelde-Berlin, Edwin Runge), eine Broschüre, die sehr viel
Beherzigenswertes enthält. Kunstwerke von bleibendem Werte kommen nur da zu¬
stande, wo sich in ihnen nicht die Schrulle eines Sonderlings, sondern mindestens
der Geist einer ganzen Bildungsschicht ausgesprochen hat. Der Geschmack ist eine
Jrncht der Bildung, an der der Künstler als gebildeter Sohn seiner Zeit teilnimmt,
aber das Vorrecht des richtigen und gebildeten Urteils hat er nicht. Er kann also
nicht ohne weiteres lehren, wie die Natur aufzufassen sei; das Publikum hat auch
Sinne. Der Verfasser schätzt die Kunst der Modernen sehr niedrig, er verlangt
Inhalt, Geist und einen Zusammenhang mit der tiefern, historisch entwickelten Kultur
des Volks, der Nation, und alles das vermißt er bei den Neusten, die nicht mit
Namen genannt zu werde" brauchen; er bespricht das Cliquentum, die Gönner-


Grenzboten IV 1900 ^
Maßgebliches und Unmaßgebliches

schuldlos lind gerecht, wenn sie günz grobe Sünder sind. Von einem alle Menschen
umfassenden sündelosen Reiche Gottes vermögen wir uns keine Vorstellung zu
machen; ob es Öttingen gelingen wird, im zweiten Teile, der die Erlösung be¬
handeln muß, eine» Begriff davon zu geben, bleibt abzuwarten. — Im ganzen
dürfen wir sein vorliegendes Buch als einen groß angelegten ober noch nicht voll¬
ständig gelungner Versuch bezeichnen, die alte Dogmatik mit dem aus Wissenschaft,
geschichtlicher und Lebenserfahrung gebornen, freilich von Einmütigkeit noch weit
entfernten modernen Bewußtsein zu versöhnen. Zugleich orientiert es sehr voll¬
ständig über den gegenwärtigen Stand der dogmatischen Streitfragen in der evan¬
gelischen Kirche. — Bei dieser Gelegenheit empfehlen wir noch ein verdienstliches
Buch: Das Alte Testament für das christliche Haus, ausgewählt und übersetzt
von Dr. Richnrd Pfeiffer, evangelischem Pfarrer in Sulzbach. (Erlangen, Karl
Pfeiffer, 1900.) Mit der Auswahl, die der Verfasser getroffen hat, kann man ein¬
verstanden sein. Die Sprache leistet zwar noch nicht das höchste, was eigentlich
von einer Volksbibel verlangt werden muß — dazu würde ein poetisches Genie
gehören —, aber sie ist würdig, edel, deutlich und schließt sich an Luther an, soweit
es die Rücksicht auf Verständlichkeit und der moderne Sprachgebrauch zulassen.


Über Bildung und Kunstgeschmack.

Franz Hörmaim reist nach Italien
und kommt eines Abends ermüdet in Venedig an, so erschöpft, daß der erleuchtete
Mnrkusplatz seinen Erwartungen nicht entspricht und erst am folgenden Tage nach
einer durchjchlafuen Nacht den vollen Eindruck auf ihn macht. Der hohe, formlose
Glockenturm beängstigt ihn im Anfang; entweder ist das kein Kunstwerk, oder seine
Vorstellungen über das, was Kunst ist, sind falsch. Auch dieses Dilemmas Pein
Hort allmählich auf, und der Turm erscheint ihm zwar nicht als das Schönste in
seiner Art, aber er paßt doch in seine Umgebung, entspricht seiner Zeit und will
nur mit einem gewissen Maße erworbuer historischer Bildung angesehen sein, dann
wird er verständlich und zählt auch als Kunstwerk. Der Verfasser setzt das auf
zweiundsechzig Seiten viel hübscher und lebendiger auseinander (II LiunMiiilo all
Lau Ucci-o» oder Kunst und Ästhetik, Berlin, Siiuion), als es in diesem Auszug
geschehn konnte, er gewinnt dadurch als Erfordernis der „Kunst im engern Sinne"
die Voraussetzung eines ebenfalls engern Kreises von Genießenden, der geistigen
uppor ton tbousaml eines jeden Landes, ein Ausdruck, der ihm übrigens solche
Freude gemacht hat, daß er ihn unzähligemale wiederholt. nachdenkende Kunst¬
freunde werden sich gern mit ihm über ihre Eindrücke Rechenschaft geben mögen.
Er nimmt seinen Standpunkt gegen eine „Kunst für alle," aber auch gegen die
Souveränität des Künstlers, der alles Publikum mit seinem sogenannten Geschmack
gleichgiltig ist, und die uns ja von vielen Seiten jetzt empfohlen wird.

Mau tuum aber dieses Verhältnis der Kunst zu der Bildung ihrer Zeit auch
noch etwas tiefer auffassen, wie in den „Streiflichtern auf moderne Kunst und Bildung"
von Eremita (Groß-Lichterfelde-Berlin, Edwin Runge), eine Broschüre, die sehr viel
Beherzigenswertes enthält. Kunstwerke von bleibendem Werte kommen nur da zu¬
stande, wo sich in ihnen nicht die Schrulle eines Sonderlings, sondern mindestens
der Geist einer ganzen Bildungsschicht ausgesprochen hat. Der Geschmack ist eine
Jrncht der Bildung, an der der Künstler als gebildeter Sohn seiner Zeit teilnimmt,
aber das Vorrecht des richtigen und gebildeten Urteils hat er nicht. Er kann also
nicht ohne weiteres lehren, wie die Natur aufzufassen sei; das Publikum hat auch
Sinne. Der Verfasser schätzt die Kunst der Modernen sehr niedrig, er verlangt
Inhalt, Geist und einen Zusammenhang mit der tiefern, historisch entwickelten Kultur
des Volks, der Nation, und alles das vermißt er bei den Neusten, die nicht mit
Namen genannt zu werde» brauchen; er bespricht das Cliquentum, die Gönner-


Grenzboten IV 1900 ^
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[0111] Maßgebliches und Unmaßgebliches schuldlos lind gerecht, wenn sie günz grobe Sünder sind. Von einem alle Menschen umfassenden sündelosen Reiche Gottes vermögen wir uns keine Vorstellung zu machen; ob es Öttingen gelingen wird, im zweiten Teile, der die Erlösung be¬ handeln muß, eine» Begriff davon zu geben, bleibt abzuwarten. — Im ganzen dürfen wir sein vorliegendes Buch als einen groß angelegten ober noch nicht voll¬ ständig gelungner Versuch bezeichnen, die alte Dogmatik mit dem aus Wissenschaft, geschichtlicher und Lebenserfahrung gebornen, freilich von Einmütigkeit noch weit entfernten modernen Bewußtsein zu versöhnen. Zugleich orientiert es sehr voll¬ ständig über den gegenwärtigen Stand der dogmatischen Streitfragen in der evan¬ gelischen Kirche. — Bei dieser Gelegenheit empfehlen wir noch ein verdienstliches Buch: Das Alte Testament für das christliche Haus, ausgewählt und übersetzt von Dr. Richnrd Pfeiffer, evangelischem Pfarrer in Sulzbach. (Erlangen, Karl Pfeiffer, 1900.) Mit der Auswahl, die der Verfasser getroffen hat, kann man ein¬ verstanden sein. Die Sprache leistet zwar noch nicht das höchste, was eigentlich von einer Volksbibel verlangt werden muß — dazu würde ein poetisches Genie gehören —, aber sie ist würdig, edel, deutlich und schließt sich an Luther an, soweit es die Rücksicht auf Verständlichkeit und der moderne Sprachgebrauch zulassen. Über Bildung und Kunstgeschmack. Franz Hörmaim reist nach Italien und kommt eines Abends ermüdet in Venedig an, so erschöpft, daß der erleuchtete Mnrkusplatz seinen Erwartungen nicht entspricht und erst am folgenden Tage nach einer durchjchlafuen Nacht den vollen Eindruck auf ihn macht. Der hohe, formlose Glockenturm beängstigt ihn im Anfang; entweder ist das kein Kunstwerk, oder seine Vorstellungen über das, was Kunst ist, sind falsch. Auch dieses Dilemmas Pein Hort allmählich auf, und der Turm erscheint ihm zwar nicht als das Schönste in seiner Art, aber er paßt doch in seine Umgebung, entspricht seiner Zeit und will nur mit einem gewissen Maße erworbuer historischer Bildung angesehen sein, dann wird er verständlich und zählt auch als Kunstwerk. Der Verfasser setzt das auf zweiundsechzig Seiten viel hübscher und lebendiger auseinander (II LiunMiiilo all Lau Ucci-o» oder Kunst und Ästhetik, Berlin, Siiuion), als es in diesem Auszug geschehn konnte, er gewinnt dadurch als Erfordernis der „Kunst im engern Sinne" die Voraussetzung eines ebenfalls engern Kreises von Genießenden, der geistigen uppor ton tbousaml eines jeden Landes, ein Ausdruck, der ihm übrigens solche Freude gemacht hat, daß er ihn unzähligemale wiederholt. nachdenkende Kunst¬ freunde werden sich gern mit ihm über ihre Eindrücke Rechenschaft geben mögen. Er nimmt seinen Standpunkt gegen eine „Kunst für alle," aber auch gegen die Souveränität des Künstlers, der alles Publikum mit seinem sogenannten Geschmack gleichgiltig ist, und die uns ja von vielen Seiten jetzt empfohlen wird. Mau tuum aber dieses Verhältnis der Kunst zu der Bildung ihrer Zeit auch noch etwas tiefer auffassen, wie in den „Streiflichtern auf moderne Kunst und Bildung" von Eremita (Groß-Lichterfelde-Berlin, Edwin Runge), eine Broschüre, die sehr viel Beherzigenswertes enthält. Kunstwerke von bleibendem Werte kommen nur da zu¬ stande, wo sich in ihnen nicht die Schrulle eines Sonderlings, sondern mindestens der Geist einer ganzen Bildungsschicht ausgesprochen hat. Der Geschmack ist eine Jrncht der Bildung, an der der Künstler als gebildeter Sohn seiner Zeit teilnimmt, aber das Vorrecht des richtigen und gebildeten Urteils hat er nicht. Er kann also nicht ohne weiteres lehren, wie die Natur aufzufassen sei; das Publikum hat auch Sinne. Der Verfasser schätzt die Kunst der Modernen sehr niedrig, er verlangt Inhalt, Geist und einen Zusammenhang mit der tiefern, historisch entwickelten Kultur des Volks, der Nation, und alles das vermißt er bei den Neusten, die nicht mit Namen genannt zu werde» brauchen; er bespricht das Cliquentum, die Gönner- Grenzboten IV 1900 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/111>, abgerufen am 23.06.2024.