Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Erinnerungen an den ungarischen Kldzug
im Jahre
von dem Adjutanten des russischen Generals Grasen Rüdiger Herausgegeben von Adolf Heß, Speyer
(Fortsetzung)

Beziehungen Görgeis zu Uossuth und zur Armee -- Beginn der Unter¬
handlungen -- Parlamentäre -- Meine Fahrt nach Vilagos

Whuc auf die Einzelheiten der kriegerischen Ereignisse näher ein-
zugehn, will ich mich sofort an die Beschreibung der Zeitbegebcn-
heit machen, an der ich persönlich Anteil nahm, die tragisch für
den einen und glänzend für den andern Teil verlief. Ich muß
gestehn, ich empfinde hier etwas Befangenheit. In meinem an
Erfahrungen nicht sehr reichen Leben hat diese Zeit eine Menge lebhafter, starker
Eindrücke in? Kopf und im Herzen zurückgelassen, wie ich solche spater nie wieder
erfahren habe. Das Schicksal eines großen blühenden Landes, daneben auch
das persönliche Los eines Mannes, der in so kurzer Zeit zu hohem Ruhm
gelangt war, mußten meinen Blicken auffallen.

Da schon bekannt war, daß sich die feindliche Armee um Großwardein
konzentriert hatte, wurden unsre Truppen am 27. Juli dorthin aus Debreczin
mit möglichster Eile dirigiert, und dem Grafen Rüdiger die zweite Kavallerie¬
division nebst einigen Batterien Feldartillerie zum Angriff auf Görgci gegeben.
Es war eine Lust, diese prächtigen Kavallerieregimenter unter der Leitung eines
Generals wie Rüdiger zu sehen. Als Adjutant verblieb ich natürlich in Rü¬
digers Nähe. Im Dorfe Mezö-Kerche erblickten wir beim Durchmarsch durch
einen dichten Wald einige ungarische Offiziere in Begleitung einer Schwadron
Husaren. Das waren die ersten Parlamentäre von Görgei.*) Die zur öster¬
reichischen Armee entsandten Parlamentäre waren trotz der Unverletzbarkeit ihrer
Eigenschaft sofort zu Kriegsgefangnen gemacht worden.**) Die Parlamentäre,
die zu uns kamen, kannten uns noch nicht und fürchteten, daß wir mit ihnen
ebenso Verfahren würden. Aber der Graf nahm sie freundlich auf und blieb




Nach Görgeis Darstellung (Arthur Görgei, Mein Leben und Wirken in Ungarn,
Leipzig, 1852, 2. Band, Seite 286 und 302 ff.) waren die ersten Parlamentäre von russischer
D. H. Seite entsandt.
D. H. **) Von Görgei (a. a. O., Seite 74) widerrufen.


Erinnerungen an den ungarischen Kldzug
im Jahre
von dem Adjutanten des russischen Generals Grasen Rüdiger Herausgegeben von Adolf Heß, Speyer
(Fortsetzung)

Beziehungen Görgeis zu Uossuth und zur Armee — Beginn der Unter¬
handlungen — Parlamentäre — Meine Fahrt nach Vilagos

Whuc auf die Einzelheiten der kriegerischen Ereignisse näher ein-
zugehn, will ich mich sofort an die Beschreibung der Zeitbegebcn-
heit machen, an der ich persönlich Anteil nahm, die tragisch für
den einen und glänzend für den andern Teil verlief. Ich muß
gestehn, ich empfinde hier etwas Befangenheit. In meinem an
Erfahrungen nicht sehr reichen Leben hat diese Zeit eine Menge lebhafter, starker
Eindrücke in? Kopf und im Herzen zurückgelassen, wie ich solche spater nie wieder
erfahren habe. Das Schicksal eines großen blühenden Landes, daneben auch
das persönliche Los eines Mannes, der in so kurzer Zeit zu hohem Ruhm
gelangt war, mußten meinen Blicken auffallen.

Da schon bekannt war, daß sich die feindliche Armee um Großwardein
konzentriert hatte, wurden unsre Truppen am 27. Juli dorthin aus Debreczin
mit möglichster Eile dirigiert, und dem Grafen Rüdiger die zweite Kavallerie¬
division nebst einigen Batterien Feldartillerie zum Angriff auf Görgci gegeben.
Es war eine Lust, diese prächtigen Kavallerieregimenter unter der Leitung eines
Generals wie Rüdiger zu sehen. Als Adjutant verblieb ich natürlich in Rü¬
digers Nähe. Im Dorfe Mezö-Kerche erblickten wir beim Durchmarsch durch
einen dichten Wald einige ungarische Offiziere in Begleitung einer Schwadron
Husaren. Das waren die ersten Parlamentäre von Görgei.*) Die zur öster¬
reichischen Armee entsandten Parlamentäre waren trotz der Unverletzbarkeit ihrer
Eigenschaft sofort zu Kriegsgefangnen gemacht worden.**) Die Parlamentäre,
die zu uns kamen, kannten uns noch nicht und fürchteten, daß wir mit ihnen
ebenso Verfahren würden. Aber der Graf nahm sie freundlich auf und blieb




Nach Görgeis Darstellung (Arthur Görgei, Mein Leben und Wirken in Ungarn,
Leipzig, 1852, 2. Band, Seite 286 und 302 ff.) waren die ersten Parlamentäre von russischer
D. H. Seite entsandt.
D. H. **) Von Görgei (a. a. O., Seite 74) widerrufen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290496"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341871_290410/figures/grenzboten_341871_290410_290496_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Erinnerungen an den ungarischen Kldzug<lb/>
im Jahre<lb/><note type="byline"> von dem Adjutanten des russischen Generals Grasen Rüdiger</note> Herausgegeben von Adolf Heß, Speyer<lb/>
(Fortsetzung)</head><lb/>
          <note type="argument"> Beziehungen Görgeis zu Uossuth und zur Armee &#x2014; Beginn der Unter¬<lb/>
handlungen &#x2014; Parlamentäre &#x2014; Meine Fahrt nach Vilagos</note><lb/>
          <p xml:id="ID_294"> Whuc auf die Einzelheiten der kriegerischen Ereignisse näher ein-<lb/>
zugehn, will ich mich sofort an die Beschreibung der Zeitbegebcn-<lb/>
heit machen, an der ich persönlich Anteil nahm, die tragisch für<lb/>
den einen und glänzend für den andern Teil verlief. Ich muß<lb/>
gestehn, ich empfinde hier etwas Befangenheit. In meinem an<lb/>
Erfahrungen nicht sehr reichen Leben hat diese Zeit eine Menge lebhafter, starker<lb/>
Eindrücke in? Kopf und im Herzen zurückgelassen, wie ich solche spater nie wieder<lb/>
erfahren habe. Das Schicksal eines großen blühenden Landes, daneben auch<lb/>
das persönliche Los eines Mannes, der in so kurzer Zeit zu hohem Ruhm<lb/>
gelangt war, mußten meinen Blicken auffallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_295" next="#ID_296"> Da schon bekannt war, daß sich die feindliche Armee um Großwardein<lb/>
konzentriert hatte, wurden unsre Truppen am 27. Juli dorthin aus Debreczin<lb/>
mit möglichster Eile dirigiert, und dem Grafen Rüdiger die zweite Kavallerie¬<lb/>
division nebst einigen Batterien Feldartillerie zum Angriff auf Görgci gegeben.<lb/>
Es war eine Lust, diese prächtigen Kavallerieregimenter unter der Leitung eines<lb/>
Generals wie Rüdiger zu sehen. Als Adjutant verblieb ich natürlich in Rü¬<lb/>
digers Nähe. Im Dorfe Mezö-Kerche erblickten wir beim Durchmarsch durch<lb/>
einen dichten Wald einige ungarische Offiziere in Begleitung einer Schwadron<lb/>
Husaren. Das waren die ersten Parlamentäre von Görgei.*) Die zur öster¬<lb/>
reichischen Armee entsandten Parlamentäre waren trotz der Unverletzbarkeit ihrer<lb/>
Eigenschaft sofort zu Kriegsgefangnen gemacht worden.**) Die Parlamentäre,<lb/>
die zu uns kamen, kannten uns noch nicht und fürchteten, daß wir mit ihnen<lb/>
ebenso Verfahren würden.  Aber der Graf nahm sie freundlich auf und blieb</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> Nach Görgeis Darstellung (Arthur Görgei, Mein Leben und Wirken in Ungarn,<lb/>
Leipzig, 1852, 2. Band, Seite 286 und 302 ff.) waren die ersten Parlamentäre von russischer<lb/><note type="byline"> D. H.</note> Seite entsandt. </note><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"><note type="byline"> D. H.</note> **) Von Görgei (a. a. O., Seite 74) widerrufen. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0085] [Abbildung] Erinnerungen an den ungarischen Kldzug im Jahre von dem Adjutanten des russischen Generals Grasen Rüdiger Herausgegeben von Adolf Heß, Speyer (Fortsetzung) Beziehungen Görgeis zu Uossuth und zur Armee — Beginn der Unter¬ handlungen — Parlamentäre — Meine Fahrt nach Vilagos Whuc auf die Einzelheiten der kriegerischen Ereignisse näher ein- zugehn, will ich mich sofort an die Beschreibung der Zeitbegebcn- heit machen, an der ich persönlich Anteil nahm, die tragisch für den einen und glänzend für den andern Teil verlief. Ich muß gestehn, ich empfinde hier etwas Befangenheit. In meinem an Erfahrungen nicht sehr reichen Leben hat diese Zeit eine Menge lebhafter, starker Eindrücke in? Kopf und im Herzen zurückgelassen, wie ich solche spater nie wieder erfahren habe. Das Schicksal eines großen blühenden Landes, daneben auch das persönliche Los eines Mannes, der in so kurzer Zeit zu hohem Ruhm gelangt war, mußten meinen Blicken auffallen. Da schon bekannt war, daß sich die feindliche Armee um Großwardein konzentriert hatte, wurden unsre Truppen am 27. Juli dorthin aus Debreczin mit möglichster Eile dirigiert, und dem Grafen Rüdiger die zweite Kavallerie¬ division nebst einigen Batterien Feldartillerie zum Angriff auf Görgci gegeben. Es war eine Lust, diese prächtigen Kavallerieregimenter unter der Leitung eines Generals wie Rüdiger zu sehen. Als Adjutant verblieb ich natürlich in Rü¬ digers Nähe. Im Dorfe Mezö-Kerche erblickten wir beim Durchmarsch durch einen dichten Wald einige ungarische Offiziere in Begleitung einer Schwadron Husaren. Das waren die ersten Parlamentäre von Görgei.*) Die zur öster¬ reichischen Armee entsandten Parlamentäre waren trotz der Unverletzbarkeit ihrer Eigenschaft sofort zu Kriegsgefangnen gemacht worden.**) Die Parlamentäre, die zu uns kamen, kannten uns noch nicht und fürchteten, daß wir mit ihnen ebenso Verfahren würden. Aber der Graf nahm sie freundlich auf und blieb Nach Görgeis Darstellung (Arthur Görgei, Mein Leben und Wirken in Ungarn, Leipzig, 1852, 2. Band, Seite 286 und 302 ff.) waren die ersten Parlamentäre von russischer D. H. Seite entsandt. D. H. **) Von Görgei (a. a. O., Seite 74) widerrufen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/85
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/85>, abgerufen am 29.06.2024.