Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben erhielt eines Tngs zu seiner großen Verwundrung ein Dekret, das ihm mit¬ Diese erklärten jedoch, der Oberförster habe zwar nicht die Geistesfrische Der kurhessische Staat hatte aber nicht sehr lange die Pension zu be¬ Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Fritz Anders von Dritte Reihe 6. Der Dorfwirt nur die alten Weiber in Rockendorf von Herrn Leisring und seiner Skizzen aus unserm heutigen Volksleben erhielt eines Tngs zu seiner großen Verwundrung ein Dekret, das ihm mit¬ Diese erklärten jedoch, der Oberförster habe zwar nicht die Geistesfrische Der kurhessische Staat hatte aber nicht sehr lange die Pension zu be¬ Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Fritz Anders von Dritte Reihe 6. Der Dorfwirt nur die alten Weiber in Rockendorf von Herrn Leisring und seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291050"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2182" prev="#ID_2181"> erhielt eines Tngs zu seiner großen Verwundrung ein Dekret, das ihm mit¬<lb/> teilte, er sei wegen Geistesschwache pensioniert. Da wurde er aber wild und<lb/> klagte bei Gericht wegen gesetzwidriger Pensionierung, denn er sei nicht geistes¬<lb/> schwach. Die kurfürstliche Regierung wurde nun vom Gericht aufgefordert,<lb/> den Beweis zu liefern, daß der p. v. von Blumenthal wirklich geistesschwach<lb/> sei, und dieser Beweis konnte mir durch die Untersuchung seines Geistes¬<lb/> zustands durch eine Kommission von Ärzten geliefert werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2183"> Diese erklärten jedoch, der Oberförster habe zwar nicht die Geistesfrische<lb/> eines jttngern Mannes, aber er sei durchaus nicht geistesschwach. Infolge<lb/> hiervon erklärte das Gericht, die kurfürstliche Regierung habe dem Kläger<lb/> seinen vollen Gehalt auszubezahlen, bis er bei weiter vorgerückten Jahren<lb/> wirklich geistesschwach sein werde oder aus einem andern Grunde pensioniert<lb/> werden müsse. In sein Amt konnte er nicht wieder eingesetzt werden, da<lb/> mittlerweile ein andrer Oberförster ernannt worden war. Diese Geschichte ist<lb/> mir von einem mir intim befrenndeten Mitgliede des Oberforstkollegiums er¬<lb/> zählt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2184"> Der kurhessische Staat hatte aber nicht sehr lange die Pension zu be¬<lb/> zahlen, da der Oberförster von Blumenthal nach einigen Monaten starb. Diese<lb/> Pensionierung erinnert an die des Ministers von Hanstein. Dieser wurde<lb/> ebenfalls kurze Zeit, bevor er sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum feiern konnte,<lb/> entlassen, und zwar ohne daß irgend etwas vorgefallen wäre, was eine solche<lb/> Entlassung Hütte motivieren können.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben<lb/><note type="byline"> Fritz Anders</note> von Dritte Reihe<lb/> 6. Der Dorfwirt </head><lb/> <p xml:id="ID_2185" next="#ID_2186"> nur die alten Weiber in Rockendorf von Herrn Leisring und seiner<lb/> Frau und beider Vergangenheit redeten, geschah es nur im Flüster¬<lb/> töne und mit gelegentlich seitwärts gewandten Augen, ob nicht etwa<lb/> unberufne Ohren lauschten. Denn Herr Leisring war Dorflanfmann<lb/> und Dorfwirt, eine Persönlichkeit, die mit Vorsicht behandelt sein<lb/> wollte, und deren Unwillen mehr bedeutete als ein Donnerwetter<lb/> vom Herrn Amtsvorsteher. Es gab übrigens noch einen zweiten Wirt im Dorfe,<lb/> den kleinen Brauns. Aber Brauns war eigentlich Landwirt und Gastwirt nur im<lb/> Nebenamte und wurde besucht von Leuten, denen es nicht darauf ankam, zu warten,<lb/> bis es Herrn Brauns beliebte, seine Gäste zu bedienen. Ganz anders Herr Leis¬<lb/> ring. Dieser hatte sich die Manieren des gelernten Kaufmanns angeeignet, rieb</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0639]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
erhielt eines Tngs zu seiner großen Verwundrung ein Dekret, das ihm mit¬
teilte, er sei wegen Geistesschwache pensioniert. Da wurde er aber wild und
klagte bei Gericht wegen gesetzwidriger Pensionierung, denn er sei nicht geistes¬
schwach. Die kurfürstliche Regierung wurde nun vom Gericht aufgefordert,
den Beweis zu liefern, daß der p. v. von Blumenthal wirklich geistesschwach
sei, und dieser Beweis konnte mir durch die Untersuchung seines Geistes¬
zustands durch eine Kommission von Ärzten geliefert werden.
Diese erklärten jedoch, der Oberförster habe zwar nicht die Geistesfrische
eines jttngern Mannes, aber er sei durchaus nicht geistesschwach. Infolge
hiervon erklärte das Gericht, die kurfürstliche Regierung habe dem Kläger
seinen vollen Gehalt auszubezahlen, bis er bei weiter vorgerückten Jahren
wirklich geistesschwach sein werde oder aus einem andern Grunde pensioniert
werden müsse. In sein Amt konnte er nicht wieder eingesetzt werden, da
mittlerweile ein andrer Oberförster ernannt worden war. Diese Geschichte ist
mir von einem mir intim befrenndeten Mitgliede des Oberforstkollegiums er¬
zählt worden.
Der kurhessische Staat hatte aber nicht sehr lange die Pension zu be¬
zahlen, da der Oberförster von Blumenthal nach einigen Monaten starb. Diese
Pensionierung erinnert an die des Ministers von Hanstein. Dieser wurde
ebenfalls kurze Zeit, bevor er sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum feiern konnte,
entlassen, und zwar ohne daß irgend etwas vorgefallen wäre, was eine solche
Entlassung Hütte motivieren können.
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
Fritz Anders von Dritte Reihe
6. Der Dorfwirt
nur die alten Weiber in Rockendorf von Herrn Leisring und seiner
Frau und beider Vergangenheit redeten, geschah es nur im Flüster¬
töne und mit gelegentlich seitwärts gewandten Augen, ob nicht etwa
unberufne Ohren lauschten. Denn Herr Leisring war Dorflanfmann
und Dorfwirt, eine Persönlichkeit, die mit Vorsicht behandelt sein
wollte, und deren Unwillen mehr bedeutete als ein Donnerwetter
vom Herrn Amtsvorsteher. Es gab übrigens noch einen zweiten Wirt im Dorfe,
den kleinen Brauns. Aber Brauns war eigentlich Landwirt und Gastwirt nur im
Nebenamte und wurde besucht von Leuten, denen es nicht darauf ankam, zu warten,
bis es Herrn Brauns beliebte, seine Gäste zu bedienen. Ganz anders Herr Leis¬
ring. Dieser hatte sich die Manieren des gelernten Kaufmanns angeeignet, rieb
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