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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Ibsens romantische Stücke

auch das Kloster besonders begabte Ordensbrüder nach Petersburg auf die
Akademie gesandt; größtenteils aber hat sich die künstlerische Ausbildung der
Mönche auf das Studium billiger Holzschnitte und der vorhandnen Heiligen¬
bilder beschränkt. Neuerdings ist freilich in Walaam eine ordentliche Maler¬
schule gegründet worden, in der nicht nur begabte Mönche, sondern auch
Bauernjungen aus den umliegenden Orten, wenn sie Talent verraten, Unter¬
richt erhalten. Zuweilen verbleiben diese aus besondrer Neigung zu ihrer Be¬
schäftigung und zu den: Klosterleben dort und setzten ihre Thätigkeit zum Ruhme
Gottes fort. Schon viele Klöster und arme Dorfkirchen haben aus Walaam
Heiligenbilder, "ein Werk der Brüder von Walaam" als Geschenk empfangen.

Die Schatzkammer des Klosters ist sehr ärmlich; man findet dort auch
nicht eine Spur der unzähligen Kostbarkeiten, deren sich die Klöster des mittlern
und südlichen Rußlands rühmen. "Das Reich der Arbeiter" zeigt sich auch
hier -- diese Mönche bedürfen nicht des Glanzes von Gold und edelm Ge¬
stein, sie rühmen sich nur der im Kloster seit alters überlieferten Verpflichtung
zu harter Arbeit und der völligen Entsagung von allen weltlichen Äußerlich¬
keiten. Auch keine wertvollen Altertümer giebt es in der Schatzkammer von
Walaam. Was irgend begehrenswert war, haben die Schweden bei ihren Ein¬
fällen mit sich genommen. Aber ein kostbares Kleinod werden die Klosterleute
wohl auf ewige Zeiten in Walaam bewahren: den Gehorsam gegen das vor¬
nehmste Ordensgelübde: Bete und arbeite!




Ibsens romantische Stücke
(Schluß)

in Peer Gynt, sagte ich, habe Ibsen sich selbst verurteilt, pro¬
phetisch nämlich, sein Selbst, wie es sich später offenbart hat,
oder insofern vielleicht auch nicht bloß prophetisch, als dieses
spätere Selbst damals schon in dem Grimm gegen sein Volk
und Vaterland keimte. Vorläufig war sein Idealismus noch
lebenskräftig genug, herrliche Blüten und Früchte zu treiben, die zwei köstlichsten
Früchte seiner Lebensarbeit: "Brand" und "Kaiser und Galiläer." In ihnen
durchbricht er die Schranken seiner Nationalität und betritt -- freilich nur
durch die Vermittlung seiner Übersetzer -- den Parnaß der Weltliteratur. Dem
Gipfel kommt er darin ganz nahe, und wenn er ihn -- trotzdem daß ihm diese
zwei Stücke die Unsterblichkeit sichern -- nicht ganz erreicht, so ist der Um¬
stand daran schuld, daß nur der Gläubige im Drama Weltprobleme zu lösen
vermag, Ibsen aber mit der Liebe den Glauben verloren hatte.


Ibsens romantische Stücke

auch das Kloster besonders begabte Ordensbrüder nach Petersburg auf die
Akademie gesandt; größtenteils aber hat sich die künstlerische Ausbildung der
Mönche auf das Studium billiger Holzschnitte und der vorhandnen Heiligen¬
bilder beschränkt. Neuerdings ist freilich in Walaam eine ordentliche Maler¬
schule gegründet worden, in der nicht nur begabte Mönche, sondern auch
Bauernjungen aus den umliegenden Orten, wenn sie Talent verraten, Unter¬
richt erhalten. Zuweilen verbleiben diese aus besondrer Neigung zu ihrer Be¬
schäftigung und zu den: Klosterleben dort und setzten ihre Thätigkeit zum Ruhme
Gottes fort. Schon viele Klöster und arme Dorfkirchen haben aus Walaam
Heiligenbilder, „ein Werk der Brüder von Walaam" als Geschenk empfangen.

Die Schatzkammer des Klosters ist sehr ärmlich; man findet dort auch
nicht eine Spur der unzähligen Kostbarkeiten, deren sich die Klöster des mittlern
und südlichen Rußlands rühmen. „Das Reich der Arbeiter" zeigt sich auch
hier — diese Mönche bedürfen nicht des Glanzes von Gold und edelm Ge¬
stein, sie rühmen sich nur der im Kloster seit alters überlieferten Verpflichtung
zu harter Arbeit und der völligen Entsagung von allen weltlichen Äußerlich¬
keiten. Auch keine wertvollen Altertümer giebt es in der Schatzkammer von
Walaam. Was irgend begehrenswert war, haben die Schweden bei ihren Ein¬
fällen mit sich genommen. Aber ein kostbares Kleinod werden die Klosterleute
wohl auf ewige Zeiten in Walaam bewahren: den Gehorsam gegen das vor¬
nehmste Ordensgelübde: Bete und arbeite!




Ibsens romantische Stücke
(Schluß)

in Peer Gynt, sagte ich, habe Ibsen sich selbst verurteilt, pro¬
phetisch nämlich, sein Selbst, wie es sich später offenbart hat,
oder insofern vielleicht auch nicht bloß prophetisch, als dieses
spätere Selbst damals schon in dem Grimm gegen sein Volk
und Vaterland keimte. Vorläufig war sein Idealismus noch
lebenskräftig genug, herrliche Blüten und Früchte zu treiben, die zwei köstlichsten
Früchte seiner Lebensarbeit: „Brand" und „Kaiser und Galiläer." In ihnen
durchbricht er die Schranken seiner Nationalität und betritt — freilich nur
durch die Vermittlung seiner Übersetzer — den Parnaß der Weltliteratur. Dem
Gipfel kommt er darin ganz nahe, und wenn er ihn — trotzdem daß ihm diese
zwei Stücke die Unsterblichkeit sichern — nicht ganz erreicht, so ist der Um¬
stand daran schuld, daß nur der Gläubige im Drama Weltprobleme zu lösen
vermag, Ibsen aber mit der Liebe den Glauben verloren hatte.


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[0532] Ibsens romantische Stücke auch das Kloster besonders begabte Ordensbrüder nach Petersburg auf die Akademie gesandt; größtenteils aber hat sich die künstlerische Ausbildung der Mönche auf das Studium billiger Holzschnitte und der vorhandnen Heiligen¬ bilder beschränkt. Neuerdings ist freilich in Walaam eine ordentliche Maler¬ schule gegründet worden, in der nicht nur begabte Mönche, sondern auch Bauernjungen aus den umliegenden Orten, wenn sie Talent verraten, Unter¬ richt erhalten. Zuweilen verbleiben diese aus besondrer Neigung zu ihrer Be¬ schäftigung und zu den: Klosterleben dort und setzten ihre Thätigkeit zum Ruhme Gottes fort. Schon viele Klöster und arme Dorfkirchen haben aus Walaam Heiligenbilder, „ein Werk der Brüder von Walaam" als Geschenk empfangen. Die Schatzkammer des Klosters ist sehr ärmlich; man findet dort auch nicht eine Spur der unzähligen Kostbarkeiten, deren sich die Klöster des mittlern und südlichen Rußlands rühmen. „Das Reich der Arbeiter" zeigt sich auch hier — diese Mönche bedürfen nicht des Glanzes von Gold und edelm Ge¬ stein, sie rühmen sich nur der im Kloster seit alters überlieferten Verpflichtung zu harter Arbeit und der völligen Entsagung von allen weltlichen Äußerlich¬ keiten. Auch keine wertvollen Altertümer giebt es in der Schatzkammer von Walaam. Was irgend begehrenswert war, haben die Schweden bei ihren Ein¬ fällen mit sich genommen. Aber ein kostbares Kleinod werden die Klosterleute wohl auf ewige Zeiten in Walaam bewahren: den Gehorsam gegen das vor¬ nehmste Ordensgelübde: Bete und arbeite! Ibsens romantische Stücke (Schluß) in Peer Gynt, sagte ich, habe Ibsen sich selbst verurteilt, pro¬ phetisch nämlich, sein Selbst, wie es sich später offenbart hat, oder insofern vielleicht auch nicht bloß prophetisch, als dieses spätere Selbst damals schon in dem Grimm gegen sein Volk und Vaterland keimte. Vorläufig war sein Idealismus noch lebenskräftig genug, herrliche Blüten und Früchte zu treiben, die zwei köstlichsten Früchte seiner Lebensarbeit: „Brand" und „Kaiser und Galiläer." In ihnen durchbricht er die Schranken seiner Nationalität und betritt — freilich nur durch die Vermittlung seiner Übersetzer — den Parnaß der Weltliteratur. Dem Gipfel kommt er darin ganz nahe, und wenn er ihn — trotzdem daß ihm diese zwei Stücke die Unsterblichkeit sichern — nicht ganz erreicht, so ist der Um¬ stand daran schuld, daß nur der Gläubige im Drama Weltprobleme zu lösen vermag, Ibsen aber mit der Liebe den Glauben verloren hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/532>, abgerufen am 29.06.2024.