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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Frage in Ungarns Gstmark

Und Rußlands größter Kritiker, Wissarion Bjelinski, bezeichnete den hohen
Aufschwung des russischen Geisteslebens seiner Zeit, der Tausende begeisterte
und zu großen Hoffnungen entflammte, mit hellseherischer Schärfe als eine
trügerische, vergängliche Erscheinung, solange dieser Blüte nicht der Dauer-
boden eines Verfassungslebens gesichert sei. Da das Deutsche Reich aber eine
in sich selbst ruhende Zentrnlsonne unsers Volkstums auch in geistigem Sinne
ist, so müsse" wir hoffe", daß das Licht, die Wärme, mit denen es den Äther
des Kulturlebens durchglüht, dazu ausreichen werden, wenigstens die größern
und zusammenhängendem der abgesprengten Splitter vor dem völligen Ab¬
sterben zu bewahren.




Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark
Gin Ivort für die siebenbürger Sachsen
Hans v. Schnvert, Professor der Kirchengeschichte in Alet von (Schluß)

achten so den Sachsen die alte politische Organisation genommen
war, hat man bis heute andauernd versucht, das geistige Leben
einzuschnüren, das so ausgeprägt deutsch ist, wie ich gezeigt
habe. Zwar an die stnatsgrundgesetzlich gesicherte kirchliche
Autonomie hat sich der magyarische Chauvinismus noch nicht
herangewagt, aber seit zwanzig Jahren danert ein heißer Kampf um die Schule.
1879 wurde das Magyarische auch in deu Volksschulen obligatorisch gemacht,
1.883 erfolgte das unglückliche Mittelschulgesetz, das die humanistische Bil¬
dung der sächsischen Gymnasien aufs schwerste schädigte dadurch, daß das Ma¬
gyarische in großem Umfang eingeführt wurde auf Kosten des Griechischen,
das auf die vier Oberklassen beschränkt wurde. Da auch die Fachlehrerprüfnug
durch ein Examen in magyarischer Sprache und Litteratur bereichert wurde,
so folgte die Notwendigkeit, das Studium wenigstens zum Teil auf einer unga¬
rischen Universität zu absolvieren. Die sächsischen Studenten studieren denu
auch meist an der magyarischen Universität ihres Landes, Klansenbnrg, wo sie
auch die Prüfungen ablegen. Während den Konfessionsschule", also auch den
sächsischen, die staatliche Subvention fehlt, müssen die Konfessionsverwandten
doch zu deu allgemeine" staatliche" Steuer" beitrage", sodaß sie eigentlich
zwei Schule" bezahle". Dazu werden ihnen überall Staatsschuld" als Kon¬
kurrenzanstalten hingesetzt. Sie grüßen den Besucher beim Eintritt in Kron¬
stäbe. Im Milleniumsjahr 1896 hat die Negierung allein vierhundert neue
Staatsschulen mit magyarischer Unterrichtssprache, vornehmlich in Gegenden


Die deutsche Frage in Ungarns Gstmark

Und Rußlands größter Kritiker, Wissarion Bjelinski, bezeichnete den hohen
Aufschwung des russischen Geisteslebens seiner Zeit, der Tausende begeisterte
und zu großen Hoffnungen entflammte, mit hellseherischer Schärfe als eine
trügerische, vergängliche Erscheinung, solange dieser Blüte nicht der Dauer-
boden eines Verfassungslebens gesichert sei. Da das Deutsche Reich aber eine
in sich selbst ruhende Zentrnlsonne unsers Volkstums auch in geistigem Sinne
ist, so müsse» wir hoffe», daß das Licht, die Wärme, mit denen es den Äther
des Kulturlebens durchglüht, dazu ausreichen werden, wenigstens die größern
und zusammenhängendem der abgesprengten Splitter vor dem völligen Ab¬
sterben zu bewahren.




Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark
Gin Ivort für die siebenbürger Sachsen
Hans v. Schnvert, Professor der Kirchengeschichte in Alet von (Schluß)

achten so den Sachsen die alte politische Organisation genommen
war, hat man bis heute andauernd versucht, das geistige Leben
einzuschnüren, das so ausgeprägt deutsch ist, wie ich gezeigt
habe. Zwar an die stnatsgrundgesetzlich gesicherte kirchliche
Autonomie hat sich der magyarische Chauvinismus noch nicht
herangewagt, aber seit zwanzig Jahren danert ein heißer Kampf um die Schule.
1879 wurde das Magyarische auch in deu Volksschulen obligatorisch gemacht,
1.883 erfolgte das unglückliche Mittelschulgesetz, das die humanistische Bil¬
dung der sächsischen Gymnasien aufs schwerste schädigte dadurch, daß das Ma¬
gyarische in großem Umfang eingeführt wurde auf Kosten des Griechischen,
das auf die vier Oberklassen beschränkt wurde. Da auch die Fachlehrerprüfnug
durch ein Examen in magyarischer Sprache und Litteratur bereichert wurde,
so folgte die Notwendigkeit, das Studium wenigstens zum Teil auf einer unga¬
rischen Universität zu absolvieren. Die sächsischen Studenten studieren denu
auch meist an der magyarischen Universität ihres Landes, Klansenbnrg, wo sie
auch die Prüfungen ablegen. Während den Konfessionsschule», also auch den
sächsischen, die staatliche Subvention fehlt, müssen die Konfessionsverwandten
doch zu deu allgemeine» staatliche» Steuer» beitrage», sodaß sie eigentlich
zwei Schule» bezahle». Dazu werden ihnen überall Staatsschuld» als Kon¬
kurrenzanstalten hingesetzt. Sie grüßen den Besucher beim Eintritt in Kron¬
stäbe. Im Milleniumsjahr 1896 hat die Negierung allein vierhundert neue
Staatsschulen mit magyarischer Unterrichtssprache, vornehmlich in Gegenden


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[0474] Die deutsche Frage in Ungarns Gstmark Und Rußlands größter Kritiker, Wissarion Bjelinski, bezeichnete den hohen Aufschwung des russischen Geisteslebens seiner Zeit, der Tausende begeisterte und zu großen Hoffnungen entflammte, mit hellseherischer Schärfe als eine trügerische, vergängliche Erscheinung, solange dieser Blüte nicht der Dauer- boden eines Verfassungslebens gesichert sei. Da das Deutsche Reich aber eine in sich selbst ruhende Zentrnlsonne unsers Volkstums auch in geistigem Sinne ist, so müsse» wir hoffe», daß das Licht, die Wärme, mit denen es den Äther des Kulturlebens durchglüht, dazu ausreichen werden, wenigstens die größern und zusammenhängendem der abgesprengten Splitter vor dem völligen Ab¬ sterben zu bewahren. Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark Gin Ivort für die siebenbürger Sachsen Hans v. Schnvert, Professor der Kirchengeschichte in Alet von (Schluß) achten so den Sachsen die alte politische Organisation genommen war, hat man bis heute andauernd versucht, das geistige Leben einzuschnüren, das so ausgeprägt deutsch ist, wie ich gezeigt habe. Zwar an die stnatsgrundgesetzlich gesicherte kirchliche Autonomie hat sich der magyarische Chauvinismus noch nicht herangewagt, aber seit zwanzig Jahren danert ein heißer Kampf um die Schule. 1879 wurde das Magyarische auch in deu Volksschulen obligatorisch gemacht, 1.883 erfolgte das unglückliche Mittelschulgesetz, das die humanistische Bil¬ dung der sächsischen Gymnasien aufs schwerste schädigte dadurch, daß das Ma¬ gyarische in großem Umfang eingeführt wurde auf Kosten des Griechischen, das auf die vier Oberklassen beschränkt wurde. Da auch die Fachlehrerprüfnug durch ein Examen in magyarischer Sprache und Litteratur bereichert wurde, so folgte die Notwendigkeit, das Studium wenigstens zum Teil auf einer unga¬ rischen Universität zu absolvieren. Die sächsischen Studenten studieren denu auch meist an der magyarischen Universität ihres Landes, Klansenbnrg, wo sie auch die Prüfungen ablegen. Während den Konfessionsschule», also auch den sächsischen, die staatliche Subvention fehlt, müssen die Konfessionsverwandten doch zu deu allgemeine» staatliche» Steuer» beitrage», sodaß sie eigentlich zwei Schule» bezahle». Dazu werden ihnen überall Staatsschuld» als Kon¬ kurrenzanstalten hingesetzt. Sie grüßen den Besucher beim Eintritt in Kron¬ stäbe. Im Milleniumsjahr 1896 hat die Negierung allein vierhundert neue Staatsschulen mit magyarischer Unterrichtssprache, vornehmlich in Gegenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/474>, abgerufen am 29.06.2024.