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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen an den ungarischen Feldzug im Jahre ^8^9

und den Soldaten zeigen. Ich führte die Knaben vor die Front und in das
Biwak in der Nähe. Unsre Soldaten verkehrten mit ihnen wie mit Kindern,
gaben ihnen Zwieback und streichelten ihnen die Backen.

Ich habe schon die Aussage des Geistlichen erwähnt, wonach in der Nähe ein
feindliches Heer liegen sollte. Unsre Avantgarde unter dem Befehl des General¬
leutnants Lisecki war hinter Lupkow herummarschicrt und setzte sich auf den
Anhöhen in Plavniza in der Richtung auf Hethärs fest. Plötzlich ertönten
Schüsse in Lupkow; in einem Augenblick war alles auf den Beinen und zur
Stelle. Der Graf bestieg sofort sein Pferd und ritt mit seiner Suite zur
Avantgarde. Was war geschehn? Eine feindliche Abteilung, die einige Kosaken
bei Hethars gesehen hatte, war im Glauben, daß außer diesen keine Truppen
zugegen wären, mit dreitausend Mann und zwei Geschützen zum Angriff
vorgegangen; aber sie stießen auf unsre Infanterie und Artillerie, die gerade
zur rechten Zeit unter dem Kommando des tapfern Obersten Lisecki eingetroffen
und vom Grafen Rüdiger selbst aufgestellt worden waren. Als sich die Auf¬
ständischen unerwartet von der Artillerie begrüßt und von zwei Bataillonen
des Regiments Potocki mit dem Bajonett empfangen sahen, wurden sie voll¬
ständig zurückgeschlagen und verloren etwa dreihundert Mann an Toten und
Verwundeten. Dann verfolgten die Kavallerie und die Kosaken sie noch weit,
und so war die erste glänzende Waffenthat des Feldzugs zu Ende.

Nach dein langen Marsche in starker Hitze durch Orte, die von den Be¬
wohnern verlassen waren, brannten unsre Soldaten darauf, sich zu schlagen,
wodurch leicht die Grausamkeit erklärt wird, mit der sie bei diesem ersten Strauß
verfuhren. Von Offizieren wurde hier der Leutnant Gujus vom Ulanenregiment
Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Konstantin in die Brust getroffen.
Die Truppen des Feindes standen unter dem Befehl Vysvckis, eines Polen,
der es wahrscheinlich für einen Glücksfall hielt, zuerst den Russen eine Schlacht
zu liefern, sich dann aber in seinen Erwartungen getäuscht sah. Das Gerücht
von diesem Zusammenstoß verbreitete sich schnell, übte eine starke moralische
Wirkung aus und bahnte den Weg zu weitern Erfolgen.


3. Eperies -- Aaschau -- Forro -- Die Lage Uossuths und Görgeis --
schwindende Aussicht auf Erfolg

Der Generalfeldmarschall hatte die Vereinigung aller Truppen am 18. Juni
in Eperies befohlen. Unser Marsch dahin war sehr beschwerlich, denn während
die Hauptmacht auf der Chaussee marschierte, mußten wir uns auf schmälen
Seitenpfaden und zwischen Bergen durchschlängeln, wo wir bei jedem Schritt
auf Bäche und Quellen stießen. Zur Ausbesserung der Wege und Brücken,
die vom Feinde zerstört waren, wurde ein Pionierbataillon vornnfgeschickt, und
nur so wurde es uns möglich, zur rechten Zeit in Eperies einzutreffen. Es
war ein wunderbarer Anblick, wie plötzlich auf zwei verschiednen Wegen, die
auf einen großen Platz mündeten, genau zu derselben Zeit, als Hütten sie sich
verabredet, die Hauptarmee unter dem Generalfeldmarschall aus Dukla und die


Erinnerungen an den ungarischen Feldzug im Jahre ^8^9

und den Soldaten zeigen. Ich führte die Knaben vor die Front und in das
Biwak in der Nähe. Unsre Soldaten verkehrten mit ihnen wie mit Kindern,
gaben ihnen Zwieback und streichelten ihnen die Backen.

Ich habe schon die Aussage des Geistlichen erwähnt, wonach in der Nähe ein
feindliches Heer liegen sollte. Unsre Avantgarde unter dem Befehl des General¬
leutnants Lisecki war hinter Lupkow herummarschicrt und setzte sich auf den
Anhöhen in Plavniza in der Richtung auf Hethärs fest. Plötzlich ertönten
Schüsse in Lupkow; in einem Augenblick war alles auf den Beinen und zur
Stelle. Der Graf bestieg sofort sein Pferd und ritt mit seiner Suite zur
Avantgarde. Was war geschehn? Eine feindliche Abteilung, die einige Kosaken
bei Hethars gesehen hatte, war im Glauben, daß außer diesen keine Truppen
zugegen wären, mit dreitausend Mann und zwei Geschützen zum Angriff
vorgegangen; aber sie stießen auf unsre Infanterie und Artillerie, die gerade
zur rechten Zeit unter dem Kommando des tapfern Obersten Lisecki eingetroffen
und vom Grafen Rüdiger selbst aufgestellt worden waren. Als sich die Auf¬
ständischen unerwartet von der Artillerie begrüßt und von zwei Bataillonen
des Regiments Potocki mit dem Bajonett empfangen sahen, wurden sie voll¬
ständig zurückgeschlagen und verloren etwa dreihundert Mann an Toten und
Verwundeten. Dann verfolgten die Kavallerie und die Kosaken sie noch weit,
und so war die erste glänzende Waffenthat des Feldzugs zu Ende.

Nach dein langen Marsche in starker Hitze durch Orte, die von den Be¬
wohnern verlassen waren, brannten unsre Soldaten darauf, sich zu schlagen,
wodurch leicht die Grausamkeit erklärt wird, mit der sie bei diesem ersten Strauß
verfuhren. Von Offizieren wurde hier der Leutnant Gujus vom Ulanenregiment
Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Konstantin in die Brust getroffen.
Die Truppen des Feindes standen unter dem Befehl Vysvckis, eines Polen,
der es wahrscheinlich für einen Glücksfall hielt, zuerst den Russen eine Schlacht
zu liefern, sich dann aber in seinen Erwartungen getäuscht sah. Das Gerücht
von diesem Zusammenstoß verbreitete sich schnell, übte eine starke moralische
Wirkung aus und bahnte den Weg zu weitern Erfolgen.


3. Eperies — Aaschau — Forro — Die Lage Uossuths und Görgeis —
schwindende Aussicht auf Erfolg

Der Generalfeldmarschall hatte die Vereinigung aller Truppen am 18. Juni
in Eperies befohlen. Unser Marsch dahin war sehr beschwerlich, denn während
die Hauptmacht auf der Chaussee marschierte, mußten wir uns auf schmälen
Seitenpfaden und zwischen Bergen durchschlängeln, wo wir bei jedem Schritt
auf Bäche und Quellen stießen. Zur Ausbesserung der Wege und Brücken,
die vom Feinde zerstört waren, wurde ein Pionierbataillon vornnfgeschickt, und
nur so wurde es uns möglich, zur rechten Zeit in Eperies einzutreffen. Es
war ein wunderbarer Anblick, wie plötzlich auf zwei verschiednen Wegen, die
auf einen großen Platz mündeten, genau zu derselben Zeit, als Hütten sie sich
verabredet, die Hauptarmee unter dem Generalfeldmarschall aus Dukla und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/47>, abgerufen am 29.06.2024.