Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Erinnerungen an den ungarischen Leldzug im Jahre ^3HI Revolution sei. Der Korpskommandant ließ ihn festnehmen und zu sich führen. Kennst du die Inquisition? fragte ich den Geistlichen. Jawohl. Nun, so steig in das Faß, und wenn du nicht sofort über alles Auskunft Wir kleideten ihn umständlich aus, aber unser Gefangner wollte nicht in Erinnerungen an den ungarischen Leldzug im Jahre ^3HI Revolution sei. Der Korpskommandant ließ ihn festnehmen und zu sich führen. Kennst du die Inquisition? fragte ich den Geistlichen. Jawohl. Nun, so steig in das Faß, und wenn du nicht sofort über alles Auskunft Wir kleideten ihn umständlich aus, aber unser Gefangner wollte nicht in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290457"/> <fw type="header" place="top"> Erinnerungen an den ungarischen Leldzug im Jahre ^3HI</fw><lb/> <p xml:id="ID_98" prev="#ID_97"> Revolution sei. Der Korpskommandant ließ ihn festnehmen und zu sich führen.<lb/> Der Geistliche wurde ins Quartier gebracht, und obgleich er lange Zeit jede<lb/> Kenntnis vom Zustande der feindlichen Truppen ableugnete, dienten doch seine<lb/> eignen Worte eher zu seiner Überführung, als zu seiner Rechtfertigung. Graf<lb/> Rüdiger erteilte dem Kapitän im Generalstabe, Wittkowski, den Auftrag, den<lb/> Geistlichen auszufragen und unverzüglich die Wahrheit herauszubringen. Ich<lb/> wohnte zufällig diesem Verhöre bei. Der Geistliche leugnete wie früher; wir<lb/> versprachen ihm alle Schätze der Welt, aber er versicherte bestündig, nichts zu<lb/> wissen. Ein bewaffneter Kosak bewachte ihn; da kam mir ein verwegner Ge¬<lb/> danke. Der Stab lag in einem Schuppen, in dessen Ecke ein großes Wasser¬<lb/> faß stand.</p><lb/> <p xml:id="ID_99"> Kennst du die Inquisition? fragte ich den Geistlichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> Jawohl.</p><lb/> <p xml:id="ID_101"> Nun, so steig in das Faß, und wenn du nicht sofort über alles Auskunft<lb/> giebst, ertränke ich dich!</p><lb/> <p xml:id="ID_102" next="#ID_103"> Wir kleideten ihn umständlich aus, aber unser Gefangner wollte nicht in<lb/> das Faß hinein, und der Kosak mußte ihn mit Gewalt hineinbefördern. Dann<lb/> befahl ich dem Soldaten, eine geladne Pistole auf den Geistlichen anzulegen<lb/> und auf mein Kommando abzudrücken. Alles das war natürlich nur Scherz<lb/> und geschah zur Einschüchterung des Geistlichen; aber diesem schien die Sache<lb/> nur allzu ernst. Sobald er wieder zu leugnen begann, winkte ich dem Kosaken,<lb/> der den Hahn spannte, und der Geistliche tauchte voll Schreck im Wasser unter,<lb/> in der Hoffnung, sich zu retten, steckte aber schnaufend den Kopf bald wieder<lb/> hervor. Das wiederholte sich einige male unter dem Gelächter der Anwesenden,<lb/> bis endlich mein Geistlicher, matt und erschöpft, in der Überzeugung, daß es<lb/> keine Rettung für ihn gäbe, alles beichtete und uns höchst wichtige Nachrichten<lb/> mitteilte. Sie bestanden darin, daß der Feind in Stärke von dreitausend Mann<lb/> bei Szeben hinter Hethars lüge. Als unsre Hauptmacht nach Plavniza kam,<lb/> erwies sich diese Angabe nach eingezognen Erkundigungen als ganz richtig.<lb/> Inzwischen hatte der Graf das Kosakenregiment Ur. 15 nach Polocz dirigiert,<lb/> wo, wie es hieß, ein Trupp Aufständischer im Walde lag; und in der That<lb/> ertönten bald einige Schüsse, und gegen Abend brachten die Kosaken zwanzig<lb/> Gefangne herein, aber fast alles Knaben im Alter von vierzehn bis fünfzehn<lb/> Jahren. Wir trauten unsern Augen nicht, als wir diese Kinder sahen, erfuhren<lb/> dann aber, daß man sie zum Vorpostendienst verwandte, in die Dörfer schickte,<lb/> ihnen Wachtdienst zu üben und nötigenfalls auch zu schießen befohlen hätte. Der<lb/> Fanatismus im Lande war so groß, daß die Söhne der angesehensten Familien<lb/> diesen Dienst versahen. Sie trugen graue Uniformen mit breiten Kragen, auf<lb/> denen der Rang eines Unteroffiziers und Feldwebels durch kleine Sterne,<lb/> ganz wie bei den Österreichern, bezeichnet wurde. Es war ein Jammer, diese<lb/> Kinder anzusehen; sie aber, begeistert von dem Wagemut ihrer jungen Jahre,<lb/> kamen durchaus nicht aus der Fassung. Der Korpskommandant befahl ihre<lb/> Auslieferung an die österreichische Wache; vorher aber mußte ich sie versammeln</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Erinnerungen an den ungarischen Leldzug im Jahre ^3HI
Revolution sei. Der Korpskommandant ließ ihn festnehmen und zu sich führen.
Der Geistliche wurde ins Quartier gebracht, und obgleich er lange Zeit jede
Kenntnis vom Zustande der feindlichen Truppen ableugnete, dienten doch seine
eignen Worte eher zu seiner Überführung, als zu seiner Rechtfertigung. Graf
Rüdiger erteilte dem Kapitän im Generalstabe, Wittkowski, den Auftrag, den
Geistlichen auszufragen und unverzüglich die Wahrheit herauszubringen. Ich
wohnte zufällig diesem Verhöre bei. Der Geistliche leugnete wie früher; wir
versprachen ihm alle Schätze der Welt, aber er versicherte bestündig, nichts zu
wissen. Ein bewaffneter Kosak bewachte ihn; da kam mir ein verwegner Ge¬
danke. Der Stab lag in einem Schuppen, in dessen Ecke ein großes Wasser¬
faß stand.
Kennst du die Inquisition? fragte ich den Geistlichen.
Jawohl.
Nun, so steig in das Faß, und wenn du nicht sofort über alles Auskunft
giebst, ertränke ich dich!
Wir kleideten ihn umständlich aus, aber unser Gefangner wollte nicht in
das Faß hinein, und der Kosak mußte ihn mit Gewalt hineinbefördern. Dann
befahl ich dem Soldaten, eine geladne Pistole auf den Geistlichen anzulegen
und auf mein Kommando abzudrücken. Alles das war natürlich nur Scherz
und geschah zur Einschüchterung des Geistlichen; aber diesem schien die Sache
nur allzu ernst. Sobald er wieder zu leugnen begann, winkte ich dem Kosaken,
der den Hahn spannte, und der Geistliche tauchte voll Schreck im Wasser unter,
in der Hoffnung, sich zu retten, steckte aber schnaufend den Kopf bald wieder
hervor. Das wiederholte sich einige male unter dem Gelächter der Anwesenden,
bis endlich mein Geistlicher, matt und erschöpft, in der Überzeugung, daß es
keine Rettung für ihn gäbe, alles beichtete und uns höchst wichtige Nachrichten
mitteilte. Sie bestanden darin, daß der Feind in Stärke von dreitausend Mann
bei Szeben hinter Hethars lüge. Als unsre Hauptmacht nach Plavniza kam,
erwies sich diese Angabe nach eingezognen Erkundigungen als ganz richtig.
Inzwischen hatte der Graf das Kosakenregiment Ur. 15 nach Polocz dirigiert,
wo, wie es hieß, ein Trupp Aufständischer im Walde lag; und in der That
ertönten bald einige Schüsse, und gegen Abend brachten die Kosaken zwanzig
Gefangne herein, aber fast alles Knaben im Alter von vierzehn bis fünfzehn
Jahren. Wir trauten unsern Augen nicht, als wir diese Kinder sahen, erfuhren
dann aber, daß man sie zum Vorpostendienst verwandte, in die Dörfer schickte,
ihnen Wachtdienst zu üben und nötigenfalls auch zu schießen befohlen hätte. Der
Fanatismus im Lande war so groß, daß die Söhne der angesehensten Familien
diesen Dienst versahen. Sie trugen graue Uniformen mit breiten Kragen, auf
denen der Rang eines Unteroffiziers und Feldwebels durch kleine Sterne,
ganz wie bei den Österreichern, bezeichnet wurde. Es war ein Jammer, diese
Kinder anzusehen; sie aber, begeistert von dem Wagemut ihrer jungen Jahre,
kamen durchaus nicht aus der Fassung. Der Korpskommandant befahl ihre
Auslieferung an die österreichische Wache; vorher aber mußte ich sie versammeln
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