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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Wonnen und ihr abgerungen hätte, was sie ihm zu geben imstande war, wenn
er Dichtungen geschaffen hätte, ähnlich denen der Dänen Sophus Bauditz und
K. G, Bröndsted, nur größer!

(Schluß folgt)




Archäologische Studiensahrten nach Griechenland
und Kleinasien")
Paul p sitz nur von

MP
>^Z->>lere.eim man die Flut der Nekrologe durchmustert, die dem scheidenden
Jahrhundert in allen Zeitungen und Familienblättern gewidmet
wurden, so findet man wohl überall in erster Reihe das laute
Loblied, das den Fortschritten der Naturwissenschaften gesungen
wird. Alle Welt begeistert sich für die großen Erfolge der Chemie
und Physik, der Technik im allgemeinen und der Elektrotechnik im besondern.
Ich bin der letzte, der die Berechtigung dieser der Naturwissenschaft gespendeten
Bewunderung bestreiten oder nnr bekritteln möchte; aber dennoch ist es viel¬
leicht nicht unangebracht, wieder einmal auf das erstaunliche Mißverhältnis
hinzuweisen, das in der Wertschätzung der Realwissenschaften gegenüber den
idealen Disziplinen in den Kreisen unsrer Gebildeten vielfach besteht, und das
ganz besonders ungerechtfertigt ist bei einer Wissenschaft, die in den letzten
Dezennien dieses Jahrhunderts ganz außerordentliches geleistet hat. Als
Winckelmann, der geistvolle Begründer und Bahnbrecher der modernen Archäo¬
logie, vor etwa hundertfünfzig Jahren mit noch ganz unzureichenden Material
versuchte, die Entwicklung der antiken Kunst zu skizzieren, war kaum voraus¬
zusehen, daß der Altertumswissenschaft noch ein so großartiger Ausbau be-
schieden sein würde, wie er thatsächlich erfolgt ist; und wenn mau auch zugeben
muß, daß die Überraschungen, zu denen uns die Elektrizitütslehrc geführt hat,
alles Dagewesene in Schatten stellen, so gehört doch die ganz nüchterne Utili-
tätsrichtung unsrer Zeit und ihre banausische Geringschätzung rein idealer Er¬
folge dazu, gleichgiltig an den überraschenden Leistungen der jungen Archäo¬
logie vorbeizugehn.

Noch vor dreißig Jahren erschien die antike Kunst als ein Gebiet, dessen
Dasein als ein schönes Wunder bestaunt wurde, dessen Entstehung und Ent¬
wicklung aber vielfach rätselhaft waren; nur spärliche Kunde reichte über das
fünfte Jahrhundert vor Christo hinaus, und selbst für die helle historische Zeit



") Ein Vortrag, gehalten auf der öffentlichen Hauptversammlung des Sächsischen Gum-
nasiallehrervcreinS in Dresden um 18. April d. I.
Grenzboten II 1S00

Wonnen und ihr abgerungen hätte, was sie ihm zu geben imstande war, wenn
er Dichtungen geschaffen hätte, ähnlich denen der Dänen Sophus Bauditz und
K. G, Bröndsted, nur größer!

(Schluß folgt)




Archäologische Studiensahrten nach Griechenland
und Kleinasien")
Paul p sitz nur von

MP
>^Z->>lere.eim man die Flut der Nekrologe durchmustert, die dem scheidenden
Jahrhundert in allen Zeitungen und Familienblättern gewidmet
wurden, so findet man wohl überall in erster Reihe das laute
Loblied, das den Fortschritten der Naturwissenschaften gesungen
wird. Alle Welt begeistert sich für die großen Erfolge der Chemie
und Physik, der Technik im allgemeinen und der Elektrotechnik im besondern.
Ich bin der letzte, der die Berechtigung dieser der Naturwissenschaft gespendeten
Bewunderung bestreiten oder nnr bekritteln möchte; aber dennoch ist es viel¬
leicht nicht unangebracht, wieder einmal auf das erstaunliche Mißverhältnis
hinzuweisen, das in der Wertschätzung der Realwissenschaften gegenüber den
idealen Disziplinen in den Kreisen unsrer Gebildeten vielfach besteht, und das
ganz besonders ungerechtfertigt ist bei einer Wissenschaft, die in den letzten
Dezennien dieses Jahrhunderts ganz außerordentliches geleistet hat. Als
Winckelmann, der geistvolle Begründer und Bahnbrecher der modernen Archäo¬
logie, vor etwa hundertfünfzig Jahren mit noch ganz unzureichenden Material
versuchte, die Entwicklung der antiken Kunst zu skizzieren, war kaum voraus¬
zusehen, daß der Altertumswissenschaft noch ein so großartiger Ausbau be-
schieden sein würde, wie er thatsächlich erfolgt ist; und wenn mau auch zugeben
muß, daß die Überraschungen, zu denen uns die Elektrizitütslehrc geführt hat,
alles Dagewesene in Schatten stellen, so gehört doch die ganz nüchterne Utili-
tätsrichtung unsrer Zeit und ihre banausische Geringschätzung rein idealer Er¬
folge dazu, gleichgiltig an den überraschenden Leistungen der jungen Archäo¬
logie vorbeizugehn.

Noch vor dreißig Jahren erschien die antike Kunst als ein Gebiet, dessen
Dasein als ein schönes Wunder bestaunt wurde, dessen Entstehung und Ent¬
wicklung aber vielfach rätselhaft waren; nur spärliche Kunde reichte über das
fünfte Jahrhundert vor Christo hinaus, und selbst für die helle historische Zeit



") Ein Vortrag, gehalten auf der öffentlichen Hauptversammlung des Sächsischen Gum-
nasiallehrervcreinS in Dresden um 18. April d. I.
Grenzboten II 1S00
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/449>, abgerufen am 29.06.2024.