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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark
Liu Wort für die siebenbürger Sachsen
Haus v. Schubert, Professor der Rirchengeschichte in Alet von

eini eul zukünftiger Geschichtschreiber darauf ausgehn wird, den
hervorstechendsten Zug in der Völkerpsychologie um die Wende
dieses Jahrhunderts zu bezeichnen, so wird er ans das allgemeine
Vordringen des nationalen Gedankens hinweisen müssen. In
ungeahnt kräftiger Weise ist er auch bei uns, dem Volke der
Kosmopoliten, erwacht. Aber in die stolze Freude über diese Entwicklung
mischt sich ein bittrer Tropfen. Während in den Vereinigten Staaten wie in
Sun" der Deutsche hoch geschätzt und unbehelligt seiner Art leben darf, und
"n Chinas Ostküste wie auf den Inseln der Südsee die deutsche Reichsflagge
deutschen Handel schützend weht, müssen wir sehen und zusehen, wie in unsrer
nächsten Nachbarschaft alteiugewnrzeltes Deutschtum, mit dem wir die ganze
Abfolge unsrer Geschichte teilen, und dein mit Europa Deutschland unvergäng¬
lichen Dank für den Schutz seiner Güter schuldet, wie dieses Deutschtum in
dem Dvnaustaate, Österreich-Ungarn, um seine Existenz ringt oder doch
um seineu führenden Einfluß gebracht ist. Das ist die Tragik, das Unaus-
NeMchne in unsrer neuern Entwicklung, Erst durch die Trennung von Öster¬
reich und durch die Preisgebung des großdeutschen Gedankens sind wir das
geworden, haben wir das werden können, was wir sind. Aber eben dieses
Auffinden der nationalen Empfindung, das uns an das lang getrüumte Ziel
unsrer Wünsche führte, erfaßte auch die nichtdeutschen Völker des Donaureichs
und riß unsre zwischen Slaven und Magyaren wohnenden, von uns nun
politisch getrennten Stammesbriider in ein Meer der härtesten Kämpfe, einer
ungewissen Zukunft.

Auch Ungarn, in dessen Verhältnis ich im vergangnen Herbst einen
Persönlichen Einblick thun durfte, hat seine deutsche Frage, wenn wir uns auch


Grenzbote" II 1S00 52


Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark
Liu Wort für die siebenbürger Sachsen
Haus v. Schubert, Professor der Rirchengeschichte in Alet von

eini eul zukünftiger Geschichtschreiber darauf ausgehn wird, den
hervorstechendsten Zug in der Völkerpsychologie um die Wende
dieses Jahrhunderts zu bezeichnen, so wird er ans das allgemeine
Vordringen des nationalen Gedankens hinweisen müssen. In
ungeahnt kräftiger Weise ist er auch bei uns, dem Volke der
Kosmopoliten, erwacht. Aber in die stolze Freude über diese Entwicklung
mischt sich ein bittrer Tropfen. Während in den Vereinigten Staaten wie in
Sun» der Deutsche hoch geschätzt und unbehelligt seiner Art leben darf, und
"n Chinas Ostküste wie auf den Inseln der Südsee die deutsche Reichsflagge
deutschen Handel schützend weht, müssen wir sehen und zusehen, wie in unsrer
nächsten Nachbarschaft alteiugewnrzeltes Deutschtum, mit dem wir die ganze
Abfolge unsrer Geschichte teilen, und dein mit Europa Deutschland unvergäng¬
lichen Dank für den Schutz seiner Güter schuldet, wie dieses Deutschtum in
dem Dvnaustaate, Österreich-Ungarn, um seine Existenz ringt oder doch
um seineu führenden Einfluß gebracht ist. Das ist die Tragik, das Unaus-
NeMchne in unsrer neuern Entwicklung, Erst durch die Trennung von Öster¬
reich und durch die Preisgebung des großdeutschen Gedankens sind wir das
geworden, haben wir das werden können, was wir sind. Aber eben dieses
Auffinden der nationalen Empfindung, das uns an das lang getrüumte Ziel
unsrer Wünsche führte, erfaßte auch die nichtdeutschen Völker des Donaureichs
und riß unsre zwischen Slaven und Magyaren wohnenden, von uns nun
politisch getrennten Stammesbriider in ein Meer der härtesten Kämpfe, einer
ungewissen Zukunft.

Auch Ungarn, in dessen Verhältnis ich im vergangnen Herbst einen
Persönlichen Einblick thun durfte, hat seine deutsche Frage, wenn wir uns auch


Grenzbote» II 1S00 52
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[0417] [Abbildung] Die deutsche Frage in Ungarns Ostmark Liu Wort für die siebenbürger Sachsen Haus v. Schubert, Professor der Rirchengeschichte in Alet von eini eul zukünftiger Geschichtschreiber darauf ausgehn wird, den hervorstechendsten Zug in der Völkerpsychologie um die Wende dieses Jahrhunderts zu bezeichnen, so wird er ans das allgemeine Vordringen des nationalen Gedankens hinweisen müssen. In ungeahnt kräftiger Weise ist er auch bei uns, dem Volke der Kosmopoliten, erwacht. Aber in die stolze Freude über diese Entwicklung mischt sich ein bittrer Tropfen. Während in den Vereinigten Staaten wie in Sun» der Deutsche hoch geschätzt und unbehelligt seiner Art leben darf, und "n Chinas Ostküste wie auf den Inseln der Südsee die deutsche Reichsflagge deutschen Handel schützend weht, müssen wir sehen und zusehen, wie in unsrer nächsten Nachbarschaft alteiugewnrzeltes Deutschtum, mit dem wir die ganze Abfolge unsrer Geschichte teilen, und dein mit Europa Deutschland unvergäng¬ lichen Dank für den Schutz seiner Güter schuldet, wie dieses Deutschtum in dem Dvnaustaate, Österreich-Ungarn, um seine Existenz ringt oder doch um seineu führenden Einfluß gebracht ist. Das ist die Tragik, das Unaus- NeMchne in unsrer neuern Entwicklung, Erst durch die Trennung von Öster¬ reich und durch die Preisgebung des großdeutschen Gedankens sind wir das geworden, haben wir das werden können, was wir sind. Aber eben dieses Auffinden der nationalen Empfindung, das uns an das lang getrüumte Ziel unsrer Wünsche führte, erfaßte auch die nichtdeutschen Völker des Donaureichs und riß unsre zwischen Slaven und Magyaren wohnenden, von uns nun politisch getrennten Stammesbriider in ein Meer der härtesten Kämpfe, einer ungewissen Zukunft. Auch Ungarn, in dessen Verhältnis ich im vergangnen Herbst einen Persönlichen Einblick thun durfte, hat seine deutsche Frage, wenn wir uns auch Grenzbote» II 1S00 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/417>, abgerufen am 29.06.2024.