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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

goß, und unten säumte die wogende See vor dem wieder nach Osten herum-
gegcmgnen Winde den Strnnd mit einem breiten Silberstreifen, Das pracht¬
vollste Schauspiel entfaltete sich, als wir am Nachmittag oben im antiken
Theater waren. Die Sonne sank gerade hinter dem Ätna. Sobald sie ver¬
schwunden war, hüllte sich der riesige Berg in ein dunkles Blau. Die niedrige
weiße Rauchwolke, die wie ein Kranz um den breiten Krater lag, verwandelte
sich zuerst in eine Silberkrone, dann in eine wallende, rotgoldne Feuerkrone,
und an den Seiten, da, wo Fumarolen aufstiegen, glühte es wie dunkelrote
Riesenfackeln. Die kalnbrische Küste aber stand noch im rosigen Abendlicht,
bis sich der Schatten des Ätnakegels über das Meer zu verbreiten begann
und an den kalabrischen Bergen dunkel emporsteigend alles umhüllte. Doch
wie vermag die Feder zu schildern, wo kaum der Pinsel des Malers nach¬
kommen könnte!

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Verschiednes vom Gelde.

Vom Gelde hört und liest man ja immer gern,
besonders wenn man keins hat. Die Verfasser von Schriften über diesen beliebten
Gegenstand haben es also gar nicht nötig, gelobt zu werden, sie brauchen bloß zu
inserieren. Wohl aber hätte das Publikum einen Ratgeber nötig, wenn nicht gute
Ratschläge bloß zu dem Zweck gegeben würden, daß sie nicht befolgt werden. Zu¬
fällig sind auf unserm Büchertische zwei kleine Schriften nebeneinander geraten, von
denen die eine ein Muster schädlicher und unsinniger Agitation, die andre ein Muster
solider Forschungsarbeit ist. Josef Beckmann denunziert in seiner Broschüre
Was ist uns Geld, eine Studie über die kapitalistische Wirtschaft der Gegen¬
wart (I. Beckmann, Wien, 1899) das Geld und seine angebliche Tochter, das
Kapital, als die Urheber aller sozialen Übel. Von der Unklarheit und Verwirrung,
mit der die Begriffe Geld, Kapital, internationales Kapital gehandhabt werden,
kann einem, der weiß, Was diese Worte in jedem Fall zu bedeuten haben, geradezu
übel werden. Leider sind aber die Leute, die das keineswegs wissen, immer noch
in der Mehrzahl, und da die Broschüre hübsch und anziehend, scheinbar sogar klar
und überzeugend geschrieben ist, so wird sie viel dazu beitragen, die ohnehin vor-
hcmdne Verwirrung zu steigern, und den Haß gegen den "schmarotzenden" Kauf¬
mannsstand, gegen alle Rentner und gegen jeden, der als Vertreter des "inter¬
nationalen" Kapitals denunziert werden kann, zu schüren. Es wird zwar nichts
nützen, aber wir wollen doch noch einmal die gar nicht so schwer zu erkennende
Thatsache hervorheben, daß nicht bloß Arbeit im allgemeinen, sondern eine ganze
Kette von geistigen und körperlichen Arbeiten dazu nötig ist, Kaffee und Kakao bis
in die Läden unsrer deutschen Krämer zu schaffen und den Verzehrern pfund- oder
lvtweise einzuhändigen, daß daher die Groß- und die Kleinhändler keineswegs
Schmarotzer, sondern nützliche und -- sofern wir ihre Waren nicht entbehren wollen
oder können -- unentbehrliche Arbeiter, ja sogar Produzenten sind, weil Kaffee und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

goß, und unten säumte die wogende See vor dem wieder nach Osten herum-
gegcmgnen Winde den Strnnd mit einem breiten Silberstreifen, Das pracht¬
vollste Schauspiel entfaltete sich, als wir am Nachmittag oben im antiken
Theater waren. Die Sonne sank gerade hinter dem Ätna. Sobald sie ver¬
schwunden war, hüllte sich der riesige Berg in ein dunkles Blau. Die niedrige
weiße Rauchwolke, die wie ein Kranz um den breiten Krater lag, verwandelte
sich zuerst in eine Silberkrone, dann in eine wallende, rotgoldne Feuerkrone,
und an den Seiten, da, wo Fumarolen aufstiegen, glühte es wie dunkelrote
Riesenfackeln. Die kalnbrische Küste aber stand noch im rosigen Abendlicht,
bis sich der Schatten des Ätnakegels über das Meer zu verbreiten begann
und an den kalabrischen Bergen dunkel emporsteigend alles umhüllte. Doch
wie vermag die Feder zu schildern, wo kaum der Pinsel des Malers nach¬
kommen könnte!

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Verschiednes vom Gelde.

Vom Gelde hört und liest man ja immer gern,
besonders wenn man keins hat. Die Verfasser von Schriften über diesen beliebten
Gegenstand haben es also gar nicht nötig, gelobt zu werden, sie brauchen bloß zu
inserieren. Wohl aber hätte das Publikum einen Ratgeber nötig, wenn nicht gute
Ratschläge bloß zu dem Zweck gegeben würden, daß sie nicht befolgt werden. Zu¬
fällig sind auf unserm Büchertische zwei kleine Schriften nebeneinander geraten, von
denen die eine ein Muster schädlicher und unsinniger Agitation, die andre ein Muster
solider Forschungsarbeit ist. Josef Beckmann denunziert in seiner Broschüre
Was ist uns Geld, eine Studie über die kapitalistische Wirtschaft der Gegen¬
wart (I. Beckmann, Wien, 1899) das Geld und seine angebliche Tochter, das
Kapital, als die Urheber aller sozialen Übel. Von der Unklarheit und Verwirrung,
mit der die Begriffe Geld, Kapital, internationales Kapital gehandhabt werden,
kann einem, der weiß, Was diese Worte in jedem Fall zu bedeuten haben, geradezu
übel werden. Leider sind aber die Leute, die das keineswegs wissen, immer noch
in der Mehrzahl, und da die Broschüre hübsch und anziehend, scheinbar sogar klar
und überzeugend geschrieben ist, so wird sie viel dazu beitragen, die ohnehin vor-
hcmdne Verwirrung zu steigern, und den Haß gegen den „schmarotzenden" Kauf¬
mannsstand, gegen alle Rentner und gegen jeden, der als Vertreter des „inter¬
nationalen" Kapitals denunziert werden kann, zu schüren. Es wird zwar nichts
nützen, aber wir wollen doch noch einmal die gar nicht so schwer zu erkennende
Thatsache hervorheben, daß nicht bloß Arbeit im allgemeinen, sondern eine ganze
Kette von geistigen und körperlichen Arbeiten dazu nötig ist, Kaffee und Kakao bis
in die Läden unsrer deutschen Krämer zu schaffen und den Verzehrern pfund- oder
lvtweise einzuhändigen, daß daher die Groß- und die Kleinhändler keineswegs
Schmarotzer, sondern nützliche und — sofern wir ihre Waren nicht entbehren wollen
oder können — unentbehrliche Arbeiter, ja sogar Produzenten sind, weil Kaffee und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/410>, abgerufen am 29.06.2024.