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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Auf Sizilien

that, das weißleuchtende Augusta und der ragende Ätna, Heißer brannte die
Sonne, und ihre Lichter blitzten wie Sterne auf der bewegten Flut, als wir
mit dem Winde zurückführen,

Z. Taormina

Wenig Stunden später reisten wir, von Salvatore dienstfertig bis in den
Wagen des Eilzugs begleitet, nach Taormina ab, benutzten also bis Bicoeca
vor Catania dieselbe Linie, die uns hergeführt hatte. Dort traten wir in den
Bereich des Ätna, und mit einen: Schlage änderte sich das Landschaftsbild,
Die weite Ebne von Catania und die kahlen langgedehnten Felsboden von
Shrnkns waren verschwunden, und statt des Kalkgebirges umgab uus eine vul¬
kanische Landschaft. Bei Catania, einer schönen, ganz modernen Stadt, haben
sich die kolossalen Lavaströme des Ausbruchs von 1669, des furchtbarsten vou
allen, bis an und in das Meer gewälzt. Jetzt liegen sie in Kilometerbreite
da als schwarze oder schwarzgraue Massen, in den wunderlichsten und bizarrsten
Formen, bald wie große Hausen kugliger Körper, bald wie nnsgegossener, ge-
wundner Teig, als wenn hier ein Riesenbücker für Riesen Riesentorten hätte
formen wollen, bald wie zackige zerrissene Felskämme. Zwischen hohen schwarzen
Lavawänden rollt der Zug lange Strecken hin, schwarz sind die Wege, schwarz
die Gartenmauern, schwarz die Häuser, denn in dieser Gegend ist alles aus Lava
gebaut. Aber über diesen unheimlichen Spuren einer unbezähmbare" Naturgewalt
sproßt eine üppige Vegetation; mitten zwischen Lavablöcken prangen dunkel¬
grüne Orangengärten und reiche Weinberge, und als die Bahn höher stieg nach
Ani reale hinauf, da dehnten sich rechts und links wahre Wälder von Orangen
und Citronen bis hoch an die Flanken des Vulkans, weiße Landhäuser da¬
zwischen Tief unten wogte endlos das blaue Meer hinter einem breiten reich
angebauten Vorlande, gelegentlich kleine Felsinselchen unispülend, wie die Jsole
dei Cielopi, die einst der geblendete Polyphem dem listigen Odysseus nachwarf,
und als wir vor Mangano abermals durch einen breiten Lavastrom hindurch¬
gefahren waren, zeigte sich der Ätna zur Linken in veränderter Gestalt als
ein breiter, dreigipfliger Kegel, der Hauptkrater in der Mitte, zwei kleinere auf
beiden Seiten, vor uns aber stiegen die zackigen Formen der Kalkberge bei
Taormina auf.

Es war schon dunkel, als wir an der Station Giardini unten am schmalen
Strande ausstiegen und die vielgewundne schöne Straße nach dem Hotel
Castello a Mare hinaufführen.

Castello n Mare, Schloß am Meer! Niemals ist ein Name zutreffender
gewesen. Hoch oben gerade auf dem Kap Taormina liegt das einfache Haus,
über und inmitten von Vignen und Baumgärten, etwa 100 Meter fast senk¬
recht über der See, weithinschaucnd über die malerische Felsküste, den Ätna
und das stahlblaue Meer, Ein tiefes Orange auf lichtem Blau kündigte am
nächsten Morgen im Osten über dem Seehorizont den Sonnenaufgang an, und
über den halben Himmel hinweg streckten sich, rotgolden angehaucht, leichte


Auf Sizilien

that, das weißleuchtende Augusta und der ragende Ätna, Heißer brannte die
Sonne, und ihre Lichter blitzten wie Sterne auf der bewegten Flut, als wir
mit dem Winde zurückführen,

Z. Taormina

Wenig Stunden später reisten wir, von Salvatore dienstfertig bis in den
Wagen des Eilzugs begleitet, nach Taormina ab, benutzten also bis Bicoeca
vor Catania dieselbe Linie, die uns hergeführt hatte. Dort traten wir in den
Bereich des Ätna, und mit einen: Schlage änderte sich das Landschaftsbild,
Die weite Ebne von Catania und die kahlen langgedehnten Felsboden von
Shrnkns waren verschwunden, und statt des Kalkgebirges umgab uus eine vul¬
kanische Landschaft. Bei Catania, einer schönen, ganz modernen Stadt, haben
sich die kolossalen Lavaströme des Ausbruchs von 1669, des furchtbarsten vou
allen, bis an und in das Meer gewälzt. Jetzt liegen sie in Kilometerbreite
da als schwarze oder schwarzgraue Massen, in den wunderlichsten und bizarrsten
Formen, bald wie große Hausen kugliger Körper, bald wie nnsgegossener, ge-
wundner Teig, als wenn hier ein Riesenbücker für Riesen Riesentorten hätte
formen wollen, bald wie zackige zerrissene Felskämme. Zwischen hohen schwarzen
Lavawänden rollt der Zug lange Strecken hin, schwarz sind die Wege, schwarz
die Gartenmauern, schwarz die Häuser, denn in dieser Gegend ist alles aus Lava
gebaut. Aber über diesen unheimlichen Spuren einer unbezähmbare« Naturgewalt
sproßt eine üppige Vegetation; mitten zwischen Lavablöcken prangen dunkel¬
grüne Orangengärten und reiche Weinberge, und als die Bahn höher stieg nach
Ani reale hinauf, da dehnten sich rechts und links wahre Wälder von Orangen
und Citronen bis hoch an die Flanken des Vulkans, weiße Landhäuser da¬
zwischen Tief unten wogte endlos das blaue Meer hinter einem breiten reich
angebauten Vorlande, gelegentlich kleine Felsinselchen unispülend, wie die Jsole
dei Cielopi, die einst der geblendete Polyphem dem listigen Odysseus nachwarf,
und als wir vor Mangano abermals durch einen breiten Lavastrom hindurch¬
gefahren waren, zeigte sich der Ätna zur Linken in veränderter Gestalt als
ein breiter, dreigipfliger Kegel, der Hauptkrater in der Mitte, zwei kleinere auf
beiden Seiten, vor uns aber stiegen die zackigen Formen der Kalkberge bei
Taormina auf.

Es war schon dunkel, als wir an der Station Giardini unten am schmalen
Strande ausstiegen und die vielgewundne schöne Straße nach dem Hotel
Castello a Mare hinaufführen.

Castello n Mare, Schloß am Meer! Niemals ist ein Name zutreffender
gewesen. Hoch oben gerade auf dem Kap Taormina liegt das einfache Haus,
über und inmitten von Vignen und Baumgärten, etwa 100 Meter fast senk¬
recht über der See, weithinschaucnd über die malerische Felsküste, den Ätna
und das stahlblaue Meer, Ein tiefes Orange auf lichtem Blau kündigte am
nächsten Morgen im Osten über dem Seehorizont den Sonnenaufgang an, und
über den halben Himmel hinweg streckten sich, rotgolden angehaucht, leichte


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[0408] Auf Sizilien that, das weißleuchtende Augusta und der ragende Ätna, Heißer brannte die Sonne, und ihre Lichter blitzten wie Sterne auf der bewegten Flut, als wir mit dem Winde zurückführen, Z. Taormina Wenig Stunden später reisten wir, von Salvatore dienstfertig bis in den Wagen des Eilzugs begleitet, nach Taormina ab, benutzten also bis Bicoeca vor Catania dieselbe Linie, die uns hergeführt hatte. Dort traten wir in den Bereich des Ätna, und mit einen: Schlage änderte sich das Landschaftsbild, Die weite Ebne von Catania und die kahlen langgedehnten Felsboden von Shrnkns waren verschwunden, und statt des Kalkgebirges umgab uus eine vul¬ kanische Landschaft. Bei Catania, einer schönen, ganz modernen Stadt, haben sich die kolossalen Lavaströme des Ausbruchs von 1669, des furchtbarsten vou allen, bis an und in das Meer gewälzt. Jetzt liegen sie in Kilometerbreite da als schwarze oder schwarzgraue Massen, in den wunderlichsten und bizarrsten Formen, bald wie große Hausen kugliger Körper, bald wie nnsgegossener, ge- wundner Teig, als wenn hier ein Riesenbücker für Riesen Riesentorten hätte formen wollen, bald wie zackige zerrissene Felskämme. Zwischen hohen schwarzen Lavawänden rollt der Zug lange Strecken hin, schwarz sind die Wege, schwarz die Gartenmauern, schwarz die Häuser, denn in dieser Gegend ist alles aus Lava gebaut. Aber über diesen unheimlichen Spuren einer unbezähmbare« Naturgewalt sproßt eine üppige Vegetation; mitten zwischen Lavablöcken prangen dunkel¬ grüne Orangengärten und reiche Weinberge, und als die Bahn höher stieg nach Ani reale hinauf, da dehnten sich rechts und links wahre Wälder von Orangen und Citronen bis hoch an die Flanken des Vulkans, weiße Landhäuser da¬ zwischen Tief unten wogte endlos das blaue Meer hinter einem breiten reich angebauten Vorlande, gelegentlich kleine Felsinselchen unispülend, wie die Jsole dei Cielopi, die einst der geblendete Polyphem dem listigen Odysseus nachwarf, und als wir vor Mangano abermals durch einen breiten Lavastrom hindurch¬ gefahren waren, zeigte sich der Ätna zur Linken in veränderter Gestalt als ein breiter, dreigipfliger Kegel, der Hauptkrater in der Mitte, zwei kleinere auf beiden Seiten, vor uns aber stiegen die zackigen Formen der Kalkberge bei Taormina auf. Es war schon dunkel, als wir an der Station Giardini unten am schmalen Strande ausstiegen und die vielgewundne schöne Straße nach dem Hotel Castello a Mare hinaufführen. Castello n Mare, Schloß am Meer! Niemals ist ein Name zutreffender gewesen. Hoch oben gerade auf dem Kap Taormina liegt das einfache Haus, über und inmitten von Vignen und Baumgärten, etwa 100 Meter fast senk¬ recht über der See, weithinschaucnd über die malerische Felsküste, den Ätna und das stahlblaue Meer, Ein tiefes Orange auf lichtem Blau kündigte am nächsten Morgen im Osten über dem Seehorizont den Sonnenaufgang an, und über den halben Himmel hinweg streckten sich, rotgolden angehaucht, leichte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/408>, abgerufen am 29.06.2024.